Wiederanlegende Fonds und ETFs schütten keine Dividenden aus, sondern kaufen mit den Erträgen solche Aktien nach, in die sie bereits investiert haben. Dadurch erzielen diese sogenannten thesaurierenden Fonds eine zusätzliche Wertsteigerung und Anlegerinnen und Anleger profitieren vom Zinsenzinseffekt. Der potenzielle Renditevorteil zeigt sich beim Verkauf der Fondsanteile, wenn die Depotbank den Veräußerungsgewinn auszahlt. Der Wermutstropfen: Das Finanzamt will seinen Teil abbekommen und streicht 25 Prozent Abgeltungsteuer ein. Hinzu kommen noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Damit die Steuerlast aber nicht erst im letzten Moment zuschlägt, fordert das Finanzamt schon während der Haltedauer kleinere Steuerbeträge als eine Art Vorauszahlung. Diese berechnen sich anhand eines fiktiven Mindestbetrags, der Vorabpauschale. Sie ist die Rechengröße, anhand derer zukünftige Wertsteigerungen vorab besteuert werden.
Thesauriende Fonds waren früher ein Steuersparmodell
Früher hatten Anlegerinnen und Anleger mit thesaurierenden Fonds den Vorteil, dass sie Steuerzahlungen aufschieben konnten: Ohne Ausschüttung konnten deutsche Depotbanken keine Abgeltungssteuer einbehalten.
Stattdessen waren Finanzämter auf die Ehrlichkeit der Sparerinnen und Sparer angewiesen. Sie sollten selbst ermitteln, wie hoch ihre „ausschüttungsgleichen Erträge“ ausfielen, diese in der Steuererklärung angeben und anschließend mit 25 Prozent Kapitalertragsteuer versteuern. Das war oft mit viel Aufwand verbunden. Darauf verzichtete so mancher unerlaubterweise und deckte Erträge erst beim Fondsverkauf auf.
2018 gab es deshalb eine Gesetzesreform. Sie verpflichtete inländische Banken, während der Haltedauer eines thesaurierenden Fonds Steuern für Anleger einzubehalten. Dazu ermittelt die Bank bei sämtlichen wiederanlegenden Fonds und ETFs jährlich einen fiktiven Mindestertrag: die Vorabpauschale. Sie bildet die Rechengrundlage für die Abgeltungsteuer. Wo ein Fonds aufgelegt wurde, spielt dabei keine Rolle.
Bundedsbank ermittelt Basiszins zum Jahresbeginn
Manchen Anlegerinnen und Anlegern begegnet die Vorabpauschale jetzt zum ersten Mal – was auch an den gestiegenen Zinsen hängt. Denn die Höhe der Pauschale bestimmt sich jährlich neu anhand des geltenden Zinsniveaus. Wo dies liegt, ermittelt die Bundesbank jeweils am ersten Börsentag eines Jahres anhand der Zinsstrukturdaten. Das Finanzministerium gibt den geltenden Basiszins kurz darauf bekannt.
Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus war dieser Basiszins in den vergangenen Jahren negativ. Es wurde keine Vorabpauschale festgelegt. Sie betrug jeweils 0 Euro.
Positiver Basiszins: Vorabpauschale ist zurück
Mittlerweile müssen Banken wieder eine Vorabpauschale ermitteln. Für 2023 lag der Basiszins bei 2,55 Prozent. Die daraus errechnete Pauschale wird der Sparerin oder dem Sparer im Folgejahr zugerechnet. Deshalb zieht die Depotbank jetzt – Anfang 2024 – die Steuer vom Verrechnungskonto ein, und der Posten taucht erst in der kommenden Steuerbescheinigung auf.
Im Detail geschehen komplizierten Rechenschritte: Da der Basiszins lediglich zu 70 Prozent angesetzt wird, beträgt er für 2023 eigentlich nur 1,785 Prozent. Diesen Wert multipliziert die Bank mit dem Fondsrücknahmepreis vom Anfang des Jahres 2023. Anschließend berücksichtigt sie noch eine Teilfreistellung, die je nach Fondstyp greift. Das Ergebnis ist die Vorabpauschale. Teilausschüttungen des Fonds während des Jahres können die Pauschale unter Umständen bis auf 0 Euro drücken.
Angenommen eine Anlegerin hält Anteile eines Aktien-ETF im Depot, die am Jahresanfang 2023 einen Wert von 5000 Euro hatten. Im Jahresverlauf hat sich der ETF positiv entwickelt und 250 Euro an Wert zugelegt. Jetzt ermittelt die Depotbank der Frau die Vorabpauschale: Sie multipliziert den Fondswert vom Jahresanfang, hier 5000 Euro mit 70 Prozent des Basiszinses, also mit 1,785 Prozent. Das ergibt 89,25 Euro. Da es sich um einen Aktien-ETF handelt, greift eine Teilfreistellung als Begünstigung: Der Betrag ist zu 30 Prozent freigestellt, sodass die Vorabpauschale nur bei 62,48 Euro liegt. Dafür entstehen nun 25 Prozent Abgeltungssteuer, also 15,62 Euro.
Für die Vorabpauschale 2024 gilt wieder ein neuer Basiszins. Dieser beträgt 2,29 Prozent. Sie – und die darauf entfallende Steuer – berechnet die Depotbank dann für jeden thesaurierenden Fonds und ETF zum Neujahr 2025.
Keine Steuern bei ausreichendem Freistellungsauftrag
Ob Anlegerinnen und Anleger am Ende tatsächlich Steuern auf ihre Vorabpauschale zahlen müssen, hängt noch von zwei weiteren Faktoren ab: Die Vorabpauschale orientiert sich an der jährlichen Wertentwicklung des Fonds. War der Gewinn geringer als die Pauschale, wird am Ende nur der Gewinn besteuert. Gab es im Jahresverlauf gar keinen Wertzuwachs, entfällt die Steuer komplett.
Außerdem können Sparerinnen und Sparer Steuern vermeiden, indem sie bei ihrer Bank einen ausreichend hohen Freistellungsauftrag einreichen. Kapitalerträge bis 1000 Euro dürfen sie jedes Jahr steuerfrei einstreichen.
Bank zieht Steuer vom Verrechnungskonto ein
Müssen Anlegerinnen und Anleger Steuern zahlen, zieht das depotführende Institut das benötigte Geld zum Beispiel vom Verrechnungskonto des Depots ein. Gelingt das etwa wegen mangelnder Deckung nicht, meldet die Bank dies dem zuständigen Finanzamt.
Übrigens: Beim späteren Verkauf der Fondsanteile zieht die Bank die jeweiligen Vorabpauschalen vom tatsächlichen Verkaufsgewinn ab, damit die Sparerin oder der Sparer Wertzuwächse nicht doppelt versteuern muss.