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Leerverkäufer nehmen angeschlagene Immobilienfirmen ins Visier

Bauprojekt der Adler Group im Berliner-Stadtteil Steglitz: Auch dieses Immobilienunternehmen wird von Leerverkäufern kritisch beäugt
Bauprojekt der Adler Group im Berliner-Stadtteil Steglitz: Auch dieses Immobilienunternehmen wird von Leerverkäufern kritisch beäugt
© Bloomberg
Das Umfeld für Immobilienkonzerne hat sich drastisch verschlechtert. Jetzt haben sie auch noch Leerverkäufer am Hals, die den Vermietern zu hohe Bewertungen ihres Immobilienportfolios vorwerfen

Nach dem Ende der Ära des billigen Geldes und der scheinbar endlos steigenden Immobilienpreise nehmen einige der gefürchteten Leerverkäufer europäische Immobilienkonzerne ins Visier. Mit einem Bericht von Muddy Waters wurde Vivion Investments diese Woche zum mindestens fünften Immobilienunternehmen, das im Laufe von gut einem Jahr von Leerverkäufern öffentlich angeprangert wurde. Die Gruppe, die Hotels und Büros in Deutschland und Großbritannien besitzt, reiht sich in eine Liste ein, zu der auch die Adler Group, die britischen Civitas Social Housing und Home REIT sowie der schwedische Vermieter Samhallsbyggnadsbolaget i Norden (SBB) gehören.

Die unerbetene Aufmerksamkeit kommt in einer Phase, in der rasch steigende Zinssätze auf die Bewertungen drücken und es für die Vermieter schwieriger wird, ihre Schulden zu refinanzieren. Ein Großteil dieser Schulden wurde über Anleihemärkte aufgenommen, wo die Europäische Zentralbank mit ihren Ankaufprogrammen für eine stabile Nachfrage sorgte. Sie hielten die Zinsen niedrig und halfen auch risikoreicheren Emittenten.

„Vor zehn Jahren war dieser Sektor im Kreditindex so gut wie nicht vertreten“, sagt der High-Yield-Fondsmanager Benoit Soler von Keren Finance. „Durch die quantitative Lockerung konnte der Sektor nicht nur entstehen, sondern auch an Umfang zunehmen.“

Kritikpunkte

Muddy Waters wirft Vivion vor, seine Hotels von nicht näher genannten verbundenen Unternehmen betreiben zu lassen, denen sie künstlich überhöhte Mieten berechnet. Diese rechtfertigen dann eine höhere Bewertung der Immobilien, für die das Unternehmen großzügig Kredite aufnehmen konnte. Vivion bezeichnete den Bericht als ungenau und fehlerhaft.

Adler wurde im Oktober 2021 von Viceroy Research mit einer Reihe von Anschuldigungen attackiert, die sich ebenfalls auf überhöhte Bewertungen und Geschäfte mit verbundenen Parteien beziehen. Adler weist die Vorwürfe zurück. KPMG untersuchte die Anschuldigungen und sprach das Unternehmen zwar von systematischem Betrug frei, konnte aber nicht alle Vorwürfe widerlegen. Der Wirtschaftsprüfer legte daraufhin sein Mandat nieder und Adler findet seitdem keinen neuen.

Die SBB steht ebenfalls im Fadenkreuz von Viceroy. Ihr wird angekreidet, sie habe ihre relative Verschuldung zu niedrig angegeben. Die SBB hat inzwischen große Teile ihres Portfolios veräußert, um ihre Schuldenlast zu reduzieren und die Solidität ihrer Bewertungen zu belegen. Im Juli veröffentlichte die SBB Details zu ihrem Cashflow, um auf die Vorwürfe zu reagieren, die ihre Rechnungslegung infrage stellen. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Zu spüren sind die Auswirkungen dieser Aufmerksamkeit auch bei Unternehmen, die nur Verbindungen zu diesen Vermietern haben. Das mussten etwa Aggregate Holdings, Corestate Capital Holding und Accentro Real Estate erfahren. Eine ganze Welle von Umschuldungen und Portfolioverkäufen waren die Folge.

„Für die Vermieter war es recht einfach, sich massiv zu verschulden, da die zugrundeliegenden Preise jedes Jahr in die Höhe schossen“, sagt Soler. „Dubiose Manager haben sich der EZB-Party einfach angeschlossen.“

Das Spektrum der Vorwürfe hat zu einem Ausverkauf europäischer Immobilienaktien und -anleihen auf breiter Front beigetragen, da die zum Teil fragwürdige Unternehmensführung die Probleme noch verschärft.

„Die wichtigsten Aktionäre im europäischen Immobiliensektor sind die Unternehmen der Branche selbst sowie Einzelpersonen und Familien“, sagt die Analystin Mary Pollock von Credit Sights. „Die großen Anteile, die von Einzelnen gehalten werden, können ein erhebliches Risiko in Bezug auf die Unternehmensführung mit sich bringen.“

Leerverkäufer nehmen angeschlagene Immobilienfirmen ins Visier

Auch Unternehmen mit robustem Geschäft wurden von dem Ausverkauf erfasst. „Der Abverkauf ist wahllos, und wir haben etwa 20 mittelgroße Firmen identifiziert, die grundsätzlich solide sind und/oder bei denen wir Wertpotenziale sehen, und die in einen Topf geworfen werden mit solchen, die aus verschiedenen Gründen zerschlagen werden“, sagt der Gründer des Private-Equity-Investors Activum SG Capital Management Saul Goldstein.

Eine Reihe von Immobilienunternehmen haben damit begonnen, ihre Schulden umzustrukturieren – mit unterschiedlichem Erfolg. Adler vereinbarte mit einigen Gläubigern eine Umschuldung, durch die frisches Kapital zugeführt und Fälligkeiten verlängert wurden, stößt damit aber bei anderen Gläubigern auf Widerstand. Adler-Aktionär Aggregate bat Gläubiger seiner Tochter Vic Properties um Zahlungsaufschub. Corestate Capital erhielt 10 Mio. Euro Brückenfinanzierung im Rahmen einer Umschuldung, während Accentro die Laufzeit einer Anleihe verlängerte.

Da in einigen Fällen die Vorwürfe der Leerverkäufer die Vermieter von den Kapitalmärkten abgeschnitten haben, ist der Verkauf von Liegenschaften vielfach die einzige Option, Geld für den Schuldendienst aufzubringen. Vor dem Hintergrund steigender Zinssätze, fallender Bewertungen und schwacher Konjunktur ist das ein schwieriger Kampf.

Dennoch beginnen einige Finanzinvestoren, den Sprung zu wagen. Die SBB verkaufte letzten Monat einen Anteil an einem Portfolio von Schulgebäuden für rund 1 Mrd. Euro an Brookfield. Blackstone übernahm Lagerhäuser von der schwedischen Corem Property Group für 5,35 Mrd. Kronen (490 Mio. Euro).

©2022 Bloomberg L.P.

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