Sogenannte Leerverkäufer leihen sich Aktien und verkaufen sie am Markt. Das Ziel: Bevor sie die Aktien dem Verleiher wiedergeben müssen, kaufen sie sie am Markt zurück – zu einem niedrigeren Preis. Die Differenz des Verkaufs- und Kaufpreises streichen sie als Gewinn ein.
Woher bekommen sie aber nun diese geliehenen Aktien? Die simple Antwort darauf ist: Die meisten Fonds dürfen laut ihren Prospekten Wertpapiere aus dem Vermögen an Spekulanten verleihen. Dafür kassieren sie eine Leihgebühr, üblicherweise einige Prozent des Aktienwerts. Die Gesellschaften – aktive wie passive – machen davon seit Jahren regen Gebrauch.

Idealerweise eint der Wertpapierverleih auch die Interessen der Fondsanbieter und ihrer Anleger, weil sie sich den Erlös aus der Wertpapierleihe teilen können: Dann verdient sich der Anbieter etwas zu den Gebühren hinzu, und Anleger kommen in den Genuss einer höheren Gesamtrendite, weil ein Teil des Leihertrags dem Fondsvermögen gutgeschrieben wird. Üblich sind hier Regelungen von einem Drittel für den Anbieter, zwei Dritteln für das Fondsvermögen.
Anbieter und Anleger müssen allerdings damit leben, dass die einzelnen verliehenen Wertpapiere unter Druck geraten können: so geschehen etwa jüngst im Zuge der Attacke von Leerverkäufern auf die Aktie des Zahlungsdienstleisters Wirecard, ehe die Finanzaufsicht Bafin den Leerverkauf von Wirecard-Aktien untersagte . Ob eine Aktie aktuell im Visier von Leerverkäufern ist, können Anleger selbst recherchieren: Hat ein Spekulant mehr als 0,5 Prozent aller ausstehenden Aktien eines Unternehmens leer verkauft, muss er dies im Bundesanzeiger ( bundesanzeiger.de ) veröffentlichen.
Die Leihe selbst läuft in der Praxis über organisierte Handelsplätze, wo Leihinteressenten signalisieren, was sie suchen, und Verleiher, welche Wertpapiere sie zur Leihe anbieten und wie hoch die Gebühr dafür ist. Kommt es zu einer Leihe, muss die ausleihende Partei auch Sicherheiten stellen für den Fall, dass sie die Aktien später schuldig bleibt.
Von der Möglichkeit, Aktien zu verleihen, machen Anbieter von ETFs und Indexfonds genauso Gebrauch wie Anbieter bekannter Publikumsfonds: So erwirtschaftete beispielsweise der bekannte DWS Vermögensbildungsfonds I im letzten Geschäftsjahr rund 0,25 Prozent Zusatzertrag aus Wertpapierleihen. Beim ETF auf den Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets von Blackrock waren es 0,11 Prozent. Zum Vergleich: Dieser Leihertrag entspricht rund zwei Dritteln der ausgewiesenen Gesamtkostenquote von 0,18 Prozent des ETFs. Wichtig: Anleger sollten ETFs daher nie nur anhand der Gebühren vergleichen. In einem simplen Performancevergleich werden auch Leiherträge automatisch mitberücksichtigt.