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BFH-Urteile Künftigen Rentnern droht Doppelbesteuerung

Bundesfinanzhof in München
Bundesfinanzhof in München
© IMAGO / Sven Simon
Bisher werden Rentner nicht doppelt besteuert, urteilte der BFH. Noch nicht. Künftigen Rentnergenerationen dagegen drohe die Doppelbesteuerung aber sehr wohl

Lange haben die obersten Finanzrichter gerechnet und getagt. Nun verkündeten sie endlich ihr Urteil zur Frage: Werden Rentner hierzulande doppelt besteuert? Zwei Rentnerehepaare hatten das gemeint und sich durch alle Instanzen geklagt, weil sie das als erwiesen ansahen. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies beide Klagen am Montag ab , ... aber: Er mahnte sehr wohl an, dass es bei künftigen Rentnergenerationen zu dieser Doppelbestuerung kommen könnte – und die hat das Bundesverfassungsgericht bereits für unzulässig erklärt. Im Wortlaut erklärten dazu die Finanzrichter: „Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH, dass spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein dürften. Dies folgt daraus, dass der für jeden neuen Rentnerjahrgang geltende Rentenfreibetrag mit jedem Jahr kleiner wird. Er dürfte daher künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren.“

Zudem klärte das Gericht erstmals, welche Berechnungsgrundlagen gelten, um festzustellen, ob im Einzelfall eine Doppelbesteuerung vorliegt. Das ist nämlich einigermaßen kompliziert, weil dabei viele Freibeträge eine Rolle spielen. Ebenso muss dabei eine Hochrechnung erfolgen, wie üppig die lebenslange Renten-Auszahlungen wohl ausfallen, wobei die statistisch anzunehmende Lebenserwartung eingerechnet werden muss. Zudem geht es nicht nur um die Lebenserwartung des Rentenbeziehers, sondern auch um dessen Hinterbliebene, weil sie im Fall des Todes eine Hinterbliebenenrente bekommen.

Was bedeutet das Urteil nun für Rentner und Renteneinzahler?

Zuerst einmal: Der Bundesfinanzhof traf damit keine generellen Aussagen über die Richtigkeit der Besteuerung aller Rentnerinnen und Rentner, das betonte er selbst bereits im Vorfeld der Verkündung. Er entschied also auch nicht über die Rechtmäßigkeit der Rentenbesteuerung für Rentnerjahrgänge ab 2040, also die heute Mitte-Vierzigjährigen. Wer ab 2040 in Rente geht gehört nämlich zum ersten Rentnerjahrgang, dessen Auszahlungen zwar zu 100 Prozent besteuert werden, während er aber die eingezahlten Beiträge hierfür nur von 2025 bis 2039 (bis zum gesetzlichen Höchstbetrag) zu 100 Prozent von der Steuer abziehen konnte.

Das Grundproblem liegt im Prinzip bei der nachgelagerten Besteuerung, die der Gesetzgeber im Zuge der Rentenreform 2005 eingeführt hat: Es führt dazu, dass Arbeitnehmer und Selbstständige bisher ihre Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse, in berufsständische Versorgungswerke und private Altersvorsorgeverträge noch nicht voll von der Steuer absetzen können. Sondern – während einer Übergangsphase - jeweils nur zu einem bestimmten Anteil, der aber jährlich steigt. Erst 2025 sind die Einzahlungen voll abzugsfähig. Wer jetzt einzahlt, leistet also Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen. Hingegen werden die Auszahlungen dann später sehr wohl besteuert, mit einem stetig steigenden Prozentsatz. Deswegen hatten zwei Rentnerehepaare geklagt, deren Hauptverdiener 2007 und 2009 in Rente gegangen waren. Sie sahen sich angesichts der Abzüge bei den Rentenauszahlungen doppelt vom Fiskus zur Kasse gebeten. Der BFH sah das zumindest für diese beiden Rentner anders.

Der erste Fall, der Zahnarzt: (XR 20/19)

Im ersten Fall hatte ein Zahnarzt mit seiner Ehefrau geklagt. Er hatte als Pflichtmitglied über berufsständische Versorgungswerke in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt, blieb allerdings auch freiwillig in der gesetzlichen Rentenkasse und zahlte dort ein. Zudem besparte er mehrere (staatlich geförderte) Rürup-Renten und private Rentenversicherungsverträge. Er wehrte sich gegen den Anteil der Auszahlungen, die das Finanzamt im Streitjahr 2009 zur Besteuerung angesetzt hatte. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Versorgungswerk-Höherversicherung den Besteuerungsanteil von 58 Prozent an. 42 Prozent der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei. Das sei durchaus korrekt, befanden die BFH-Richter.

Das Klägerehepaar meinte, die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert. Nach ihren Berechnungen seien die Einzahlungen aus versteuertem Einkommen höher gewesen als der Teil, den sie steuerfrei an Rentenzahlungen zu erwarten hätten. Der BFH sah dies anders. Er entschied, dass die Leistungen aus dem Versorgungswerk (die freiwillige gesetzliche Höherversicherung also) genauso zu versteuern sei wie die regulären Rentenbezüge. Also mit jenem Steuersatz, der auch für die gesetzliche Rente gilt.

Der BFH stellte auch klar, dass es bei rein privaten Renten (also Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten, die nicht zu den Rürup-Produkten gehören) „systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann“, weil sie „anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden“. Dieser per Gesetz festgelegte Ertragsanteil enthalte bereits eine typisierte Berechnung, die „in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs“ umfasse. Diese Art der Besteuerung verlange daher nicht, „dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.“

Zudem entschied das oberste Finanzgericht, dass auch die Ehegatten bei der Berechnung zählen: Sie müssten nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des jeweiligen Rentenbeziehers eingerechnet werden, um zu ermitteln wie hoch die steuerfreien Rentenauszahlungen sind, sondern auch die seines Ehegatten, der eventuell länger lebe und daher Hinterbliebenenrente beziehe.

Der zweite Fall: der Steuerberater (XR 33/19)

Im zweiten Fall klagte ein weiteres Ehepaar, bei dem der Hauptverdiener Steuerberater ist. Er war überwiegend selbstständig tätig, blieb jedoch freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er zahlte seine Rentenbeiträge größtenteils aus eigenem Einkommen. Dabei konnte er diese Aufwendungen nur begrenzt als Sonderausgaben abziehen, also nur zum Teil „steuerlich absetzen“. Seit 2007 erhält der Kläger eine Altersrente.

Das Finanzamt hatte 46 Prozent der ausgezahlten Rente als steuerfrei behandelt und die verbleibenden 54 Prozent der Einkommensteuer unterworfen, so wie es die gesetzliche Übergangsregelung vorsieht. Der Kläger legte eine eigene Berechnung vor, wonach er rechnerisch deutlich mehr als 46 Prozent der Rentenversicherungsbeiträge aus bereits versteuerten Einkommen geleistet hat. Aus seiner Sicht liegt deshalb eine verfassungswidrige doppelte Besteuerung vor, zumindest bei Teilen seiner Rente. Auch das aber sah das oberste Finanzgericht anders und wies die Klage ab.

„Der Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung sei im Grundsatz verfassungskonform“, stellte der BFH fest. Ebenso wie die gesetzlichen Übergangsregelungen wonach nur ein bestimmter – jährlich wachsender - Anteil an Einzahlungen steuerfrei bleibt und im Gegenzug ein jährlich größerer Anteil an Rentenauszahlungen besteuert wird. So lange, bis letztlich 100 Prozent der Einzahlungen von der Steuer abgesetzt werden können, dafür aber die Rentenauszahlungen zu 100 Prozent zu versteuern sind.

Zudem widersprach der BFH der Auffassung der Kläger, die angemahnt hatten, dass zwischen der einstigen Beitragszahlung und der späteren Rentenzahlung eine Geldentwertung durch Inflation stattgefunden habe, die ebenfalls bei den Berechnungen berücksichtigt werden müsse. „Für eine solche Abweichung vom sogenannten Nominalwertprinzip sah er weder im Einkommensteuerrecht noch im Verfassungsrecht eine Grundlage“, entscheid der Bundesfinanzhof, „infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten besteuert werden – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen.“

„Klar ist danach aber auch, dass es im konkreten Einzelfall nicht zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen darf“, ergänzte der BFH in seiner Urteilsbegründung weiter und führte weiter aus: „Eine solche doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge aus bereits versteuerten Einkommen.“

Welche Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Doppelbesteuerung gelten

Erstmals legte der BFH nun auch fest, welche Berechnungsgrundlagen gelten, wenn für künftige Rentnergenerationen ermittelt werden soll, ob ihre Bezüge eventuell doppelt besteuert werden: Der BFH-Senat stellte klar, „dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers zu rechnen sind, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten“, der eine Hinterbliebenenrente erhalten wird.

Zudem hatte die Finanzverwaltung bisher noch andere Beträge herangezogen, um die Höhe der steuerfreien Rentenauszahlungen zu ermitteln (die gegen die versteuerten Einzahlungen aufgerechnet werden): vor allem Grundfreibeträge für Rentner, Krankenkassen- sowie Pflegeversicherungsbeiträge und Werbungskostenpauschbeträge. Je höher diese angesetzten Beträge ausfielen, desto nachteiliger für die Rentner, denn desto eher rechtfertigten sie eine stärkere Besteuerung. Das wiederum sah der BFH als nicht korrekt an: Diese Beiträge „dienen anderen – überwiegend verfassungsrechtlich gebotenen und daher für den Gesetzgeber nicht dispositiven – Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden“, stellte der BFH klar.

Damit bleibt nun insbesondere auch der Grundfreibetrag außen vor, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll. Er zählt also nicht in die Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ hinein.

Kommt das Urteil überraschend?

Nicht ganz, denn bereits vorab veröffentlichte der BFH dazu: „Dabei hat das Bundesverfassungsgericht (...) klargestellt: In jedem Fall sind die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Mit anderen Worten: Was bereits der Einkommensteuer unterlegen hat, darf kein zweites Mal, also doppelt besteuert werden. Wann von einer doppelten Besteuerung auszugehen ist, ist bislang zwar noch nicht in allen Einzelheiten geklärt.“ Klar sei allerdings, dass dies nicht automatisch der Fall sei, wenn der steuerfrei verbleibende Teil der Altersbezüge (auf die voraussichtliche Laufzeit der Rente hochgerechnet) „höher ausfällt als die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beitragsleistungen.“ ( 2 BvL 17/99 , 2 BvR 1066/10 )

Überraschend klar aber ist nun die Warnung, dass es bei künftigen Rentnergenerationen durchaus zu einer Doppelbesteuerung kommen könnte.

Muss nun für die künftige Rentnergenerationen nachgesteuert werden?

Ja, denn ganz ausdrücklich sagen die BFH-Urteile: „Diese (Doppelbesteuerung) zeichnet sich allerdings für spätere Rentnerjahrgänge ab, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird. Denn auch diese Rentnerjahrgänge haben erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet.“ Genau davor hatten auch bereits 2005 bei der Einführung der Alterseinkünftereform zahlreiche Experten gewarnt.

Damals hatte sich die Politik über die Einwände hinweggesetzt, um das Reformwerk dennoch erst einmal auf den Weg zu bringen. Offenbar auch mit dem Gedanken, dass zumindest für die ersten Rentnerjahrgänge kaum eine Doppelbesteuerung vorliegen könne. Und über spätere Fälle könnten ja dann Expertenkommissionen und Gerichte gegebenenfalls noch entscheiden. Da das Verfassungsgericht genau diese Doppelbesteuerung für nicht zulässig hält, muss nun wohl für die kommenden Generationen die Rentenbesteuerung nachjustiert werden.

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