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Doppelbesteuerung Total besteuert – und zwar doppelt

Symbolbild Rentner
Symbolbild Rentner
© Noah Wedel / IMAGO
Der Bundesfinanzhof soll ein Urteil zur Doppelbesteuerung von Renten fällen. Es betrifft im Grunde jeden Ruheständler und Arbeitnehmer. Und es könnte für den Staat sehr teuer werden. Aber die Richter halten die Republik erst einmal weiter hin

Nun haben die Kläger schon so lange auf ein Urteil gewartet – und sie müssen es auch weiterhin tun. Wenigstens verhandelte der Bundesfinanzhof schon einmal mündlich über die Frage: Werden Renten hierzulande doppelt besteuert? Dazu beschäftigt er sich nämlich mit zwei Grundsatzverfahren. Das lang ersehnte Urteil dazu aber soll erst Ende des Monats fallen. Eine Tendenz ließen die Richter auch vorab nicht erkennen. Vermutlich deswegen, weil das ganze Verfahren recht heikel ist – und die Entscheidung von entsprechender Tragweite. Denn sie könnte für tausende Rentner bedeuten, dass sie Geld vom Staat zurückbekommen müssten. Zulässig wäre eine doppelte Besteuerung nämlich nicht, so hatte es bereits das Bundesverfassungsgericht klargestellt: Eine doppelte Besteuerung müsse dabei vermieden werden, hatten die Verfassungsrichter den Gesetzgebern mit auf den Weg gegeben, als die im Jahr 2005 die Renten reformierten.

Der Knackpunkt ist die nachgelagerte Besteuerung, die damals eingeführt wurde. Sie sieht vor, dass Arbeitende und deren Arbeitgeber in die gesetzliche Rentenkasse, private Rentenversicherungen und Versorgungswerke einzahlen, und dabei während der Einzahlungszeit Steuern sparen. Die Altersvorsorgebeiträge werden ihnen also steuermindernd angerechnet. Dafür sind dann aber die Einkünfte im Alter zu versteuern. Der Vorteil liegt dann darin, dass der Steuersatz im Alter üblicherweise weit geringer ausfällt als zu Zeiten der Erwerbstätigkeit. So drückt der Vorsorgesparer später nur wenige Steuern ab, während er in jungen Jahren viel gespart hat. Klingt zunächst einmal gut.

Klappt aber nicht immer. Denn als das Gesetz zur nachgelagerten Besteuerung eingeführt wurde, einigte man sich auf eine Übergangsregelung, die nun besagt: Die Beiträge zur Altersvorsorge lassen sich erst ab 2025 voll von der Steuer absetzen. Bis dahin kann nur ein bestimmter Prozentanteil geltend gemacht werden, der sich jedes Jahr erhöht. Dafür werden die Renteneinkünfte dann auch erst ab 2040 voll versteuert. Bis dahin steigt der zu versteuernde Anteil ebenfalls jährlich bis auf die späteren 100 Prozent an.

Die heute Mittelalten trifft es besonders hart

Bereits jetzt komme es dadurch aber zur Doppelbesteuerung, so mahnen die beiden Kläger an: Beide sind bereits Rentner und müssen auf ihre Renten nun einen bestimmten Prozentsatz an Steuern zahlen, obwohl es vor Einführung des Gesetzes 2005 für sie keine Möglichkeit gab, steuerfrei Geld einzuzahlen. Ihre Beiträge zu Altersvorsorgeverträgen wurden also besteuert, ihre Auszahlungen werden es nun ebenfalls. Und das betreffe bereits sehr viele Rentner, die seit 2015 bereits Renteneinkünfte beziehen, errechneten Studien, wie die des Finanzmathematikers Werner Siepe. Die Doppelbelastung werde dabei jedes Jahr größer.

In voller Härte wird es jedoch erst die heute Mittelalten treffen. Für einen heute 47-Jährigen, der 2040 in Rente gehen wird, heißt die Regelung zum Beispiel: Er muss dann 100 Prozent seiner Renteneinkünfte versteuern. Er konnte aber nur 15 Jahre lang die Beiträge dafür voll absetzen. Die Jahre zuvor zahlte er noch kräftig Steuern auf die Einzahlungen. Oder andersherum ausgedrückt: Er hat mindestens sieben bis zwölf Jahre voll versteuert Beiträge eingezahlt (bis das Gesetz in Kraft trat), bekommt aber null Prozent unversteuerte Rente heraus. Und genau das sollte ja laut Verfassungsgericht nicht sein (2 BVL 17/99).

Um wie viel Geld es dabei für den einzelnen Rentner geht, ermittelte Siepe in seinen Berechnungen ebenfalls. Er rechnete dafür Modell- und Originalfälle durch, mit dem Ergebnis: Wer 2017 in Rente ging, der muss damit rechnen, dass er mit rund 10.000 Euro zu viel besteuert wird. Beim Renteneintritt 2020 wären es rund 23.000 Euro, beim Rentnerjahrgang 2030 rund 35.600 Euro und wer 2040 in Rente geht, bei dem beläuft sich die Zuvielbesteuerung auf rund 53.700 Euro. Eine ganze Menge also, da kämen auf den Staat hohe Rückforderungen zu angesichts von derzeit rund 20 Millionen Rentnern, die zwischen 10.000 und 20.000 Euro zurückbekämen. Das könnte schon eine dreistellige Milliardensumme ergeben.

Heikle Berechnungsfragen

Nun ist die gesamte Rechnung aber auch nicht ganz so einfach – deshalb zögert der Bundesfinanzhof vermutlich noch, mit der Entscheidung. Denn zuerst einmal müssen zum Nachweis der Doppelbesteuerung zwei Summen aufgerechnet werden: Die Summe der Rentenbeiträge, die aus versteuertem Einkommen geleistet worden sind. Und von dieser Summe der versteuerten Beiträge zieht man dann die steuerfrei gebliebenen Rentenzahlungen ab. Und genau bei diesen Summenermittlungen ist strittig, was alles hineingerechnet werden darf.

Die Summe der steuerfrei gebliebenen Rentenbeiträge etwa müssen bei jetzigen Rentnergenerationen (die ja noch keine 100 Prozent ihrer Rente voll versteuern) hochgerechnet werden, indem ihre durchschnittliche Restlebenserwartung bei Renteneintritt geschätzt wird. Das ist schon heikel genug. Noch komplizierter ist aber die Frage: Was zählt alles zu den Beiträgen und Zuflüssen? Dürfen bei den Berechnungen also noch Werbungskosten oder Sonderausgaben wie Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge einbezogen werden? Viele Gerichte berücksichtigen sie ebenfalls, die Kläger und Kritiker wie Siepe jedoch finden: Nein, die gehören in die Rechnung der steuerfreien Zuflüsse nicht hinein. Das hatte übrigens auch ein BFH-Richter bereits vor einer Weile so festgestellt. Es ist nun entscheidend, wie sich der Finanzhof im Urteil zu diesem Sachverhalt äußert.

Und selbst wenn die Richter befinden, es liege eine Doppelbesteuerung vor, dann bleibt die komplizierte Frage: Wie fordern die Steuerzahler sie nun ein? Rund 142.000 Einsprüche gegen Steuerbescheide liegen inzwischen vor. Doch wer sein Geld wirklich einfordern will, der muss tatsächlich sämtliche Steuerbescheide vorlegen können, die er je in seinem Arbeitsleben bekommen hat – sowohl als Einzahler, als auch als Rentner. Das dürften die wenigsten schaffen. Zudem darf er - zum jetzigen Stand – nicht damit rechnen, dass ihm das zuviel versteuerte Geld einfach rücküberwiesen wird. Bisher unternehmen die Finanzämter und Finanzgerichte noch alles, um die Bürger abzuwimmeln oder hinzuhalten. Deshalb ist es auch gar nicht so verwunderlich, dass der BFH auch jetzt wieder einmal vertröstet auf den Urteilsspruch, der nun Ende Mai kommen soll.

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