Für Mitarbeiter der Ant Group waren die vergangenen zwei Jahre alles andere als einfach. Viele von ihnen hätten im Herbst 2020 durch ihre Aktien-Optionen eine gehörige Stange Geld verdient, wäre der Börsengang der Alibaba-Finanztochter Ant Group wie geplant über die Bühne gegangen. Laut Schätzungen lag der Wert des Unternehmens damals noch bei über 235 Milliarden US-Dollar, es hätte einer der größten Börsengänge aller Zeiten werden sollen. Doch bekanntlich schritten Chinas Regulatoren damals aus Ärger über eine regierungskritische Rede von Alibaba-Gründer Jack Ma ein und untersagten die Pläne in letzter Minute.
Nach schmerzhaften Monaten für alle Anteilseigner gibt es für sie nun neue Hoffnung. Wie unter anderem das Wall Street Journal unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Personen berichtet, plant Ma einen Großteil seine Stimmrechtsanteile bei Ant an Führungskräfte zu übertragen, unter anderem an CEO Eric Jing. Die Beteiligung Mas an Ant soll demnach von zuletzt knapp über 50 auf 8,8 Prozent sinken. Mit dem Schritt, so heißt es in Alibaba-Kreisen, könnten letzte Bedenken Pekings ausgeräumt werden. Einem Börsengang stünde dann mittelfristig nichts mehr im Weg.
Ma ist auf Tour durch Europa
Ma selbst befindet sich dieser Tage auf großer Europa-Tour. Die Yacht des Alibaba-Gründers wurde zuletzt vor Mallorca gesichtet. Auch machte der 57-Jährige einen Abstecher nach Österreich und besuchte eine Universität in den Niederlanden, um sich dort über nachhaltige Landwirtschaft zu informieren. So oft in so kurzer Abfolge wurde der einst reichste Mann Chinas nicht mehr gesehen, seitdem er vor gut zwei Jahren den Zorn der chinesischen Führung zu spüren bekam.
Dass Ma sich nun wieder häufiger unbeschwert in der Öffentlichkeit zeigt, ist ein Zeichen dafür, dass er wohl eine Übereinkunft mit Peking getroffen hat: Der Alibaba-Gründer hält sich aus allen Geschäftsbelangen raus, dafür dürfen Alibaba und Ant wieder prosperieren.
Zuletzt hatte sich die Lage in Chinas Tech-Branche insgesamt deutlich beruhigt. Peking ist zu der Einsicht gekommen, dass es besser ist, die Konzerne vor dem Hintergrund der derzeitigen Wirtschaftskrise zumindest ein Stück weit wieder von der kurzen Leine zu nehmen. So können sie helfen, der Konjunktur neuen Schwung zu verleihen. Der Tech-Crackdown der vergangenen zwei Jahre scheint vorerst beendet.
Für Ma ist die Abgabe der Kontrolle bei Ant vertretbar. Schließlich hatte er schon Jahre vor dem Streit mit Peking ein ganz ähnliches Szenario im Sinn. Bei Alibaba war er bereits 2013 als CEO und 2019 als Vorstandschef zurückgetreten. Und bereits 2014 hatte er öffentlich gesagt, dass er seine Beteiligung an Ant eines Tages auf höchstens 8,8 Prozent reduzieren und Aktien für wohltätige Zwecke spenden wolle. Nun erfolgt die Machtabgabe schneller als geplant.
Regeln erschweren Börsengang
Mas Eingeständnis an die Behörden ist für Ant eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Einerseits dürfte die Kontrollabgabe endlich den Weg für den lang ersehnten Börsengang frei machen. Jedoch wird es noch dauern. Denn nach chinesischem Recht ist ein Listing gleich nach einem Eigentümerwechsel nicht möglich. Bei einem Wechsel des Mehrheitseigentümers müsste Ant in Shanghai zunächst mindestens zwei Jahre warten. In Hongkong ist es nur ein Jahr. Der ursprüngliche Plan von Ant sah vor, zur gleichen Zeit in Shanghai und Hongkong an die Börse zugehen.
Klar ist zudem schon jetzt, dass Ant bei einem möglichen Börsengang nur noch ein Schatten seiner selbst sein wird. Der Konzern musste sich auf Druck Pekings in den vergangenen zwei Jahren auf zahlreiche neue Regeln einlassen, die zu einem Gewinneinbruch geführt und das Geschäftsmodell nachhaltig verändert haben. Zum laufenden Umbau gehört auch, dass sich Ant als eine Finanzholding registrieren muss, womit es noch strengeren Auflagen unterliegen würde und offiziell kein Tech-Unternehmen mehr wäre. Das alles hat sich negativ auf die Bewertung des Konzerns ausgewirkt.
Bewertung eingebrochen
Die einstige Bewertung von 235 Milliarden US-Dollar war schon vor einem Jahr laut Schätzungen auf nur noch 78 Milliarden Dollar zusammengeschmolzen. Erfolgt die von Peking verlangte Umwandlung in eine Finanzholding, könnte der Wert im schlimmsten Fall sogar auf nur noch 29 Milliarden Dollar abrutschen, wie Analysten von Bloomberg errechnet haben.
Hinzu kommt, dass Pekings Tech-Crackdown das Vertrauen von Anlegern nachhaltig erschüttert hat. Investoren mussten seit Ende 2020 deutliche Verluste hinnehmen. Allein die Alibaba-Aktie verlor in der Spitze über 70 Prozent. Dass sich Anleger also bald euphorisch auf Ant-Anteile stürzen werden, scheint mehr als fraglich.