Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) wird so manchen Kapitalanleger freuen: Das oberste Gericht für Steuer- und Zollsachen hält die 20.000-Euro-Grenze für Verluste aus Termingeschäften für verfassungswidrig. Die Verrechnungsbeschränkung widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Erst 2021 hatte der Gesetzgeber die Verlustverrechnung für Termingeschäfte und ähnlich funktionierende Anlagen wie Optionen, Swaps, Devisentermingeschäfte, Forwards und Futures sowie Contracts for Difference (CFDs) auf 20.000 Euro pro Veranlagungszeitraum begrenzt. Verluste aus solchen Geschäften lassen sich seitdem nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgleichen. Übersteigen die Verluste die 20.000-Euro-Grenze, müssen Anleger das verbleibende Minus ins künftige Jahr mitnehmen. Verlust mit Gewinnen aus Vorjahren zu verrechnen, ist unzulässig.
Mehr als 200.000 Euro Verluste
Dagegen klagte ein Ehepaar, das über einen Broker Differenzkontrakte gehandelt und dabei Gewinne wie auch Verluste erzielt hatte. Auf der Plusseite hatten sie knapp über 250.000 Euro stehen, gleichzeitig hatten sie ein Minus von 227.289 Euro eingefahren. Das Finanzamt verrechnete die Verluste aus den Termingeschäften nur bis zum Höchstbetrag von 20.000 Euro mit gleichartigen Gewinnen. Die darüber hinausgehenden Verluste – weiterhin mehr als 200.000 Euro – vermerkte es für spätere Jahre.
Diese betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung sei nicht in Ordnung, bestätigte der Bundesfinanzhof (Az. VIII B 113/23 (AdV)). Sie ergebe gar eine doppelte Ungleichbehandlung: Erstens dürfen Steuerpflichtige mit Verlusten aus Termingeschäften dieses Minus aktuell nicht mit sämtlichen Gewinnen aus Kapitalanlagen verrechnen.
Zweitens werden Gewinne und Verluste aus Termingeschäften nach den geltenden Vorschriften „asymmetrisch“ besteuert, das heißt, in ein und demselben Jahr unterliegen Gewinne vollumfänglich der Steuer, während von den Verlusten nur ein Teil steuerlich relevant ist. Das verstoße nach Ansicht der Richterinnen und Richter des 8. Senats gegen das Nettoprinzip, wonach Gewinne und Verluste steuerlich gleich zu behandeln sind. Normalerweise können Steuerpflichtige Gewinne und Verluste innerhalb einer Einkunftsart unbegrenzt miteinander verrechnen lassen und müssen nur einen übersteigenden Gewinn versteuern.
Steuerpflichtige können Einspruch beim Finanzamt einlegen
Das bisherige Verfahren diente nur dem einstweiligen Rechtsschutz der Kläger – das zeigt das im Aktenzeichen enthaltene Kürzel „AdV“, das für „Aussetzung der Vollziehung“ steht. Das Urteil stoppt somit nur die Vollstreckung des Steuerbescheids der betroffenen Kläger, sie müssen die umstrittene Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte, die das Finanzamt angewendet hat, vorläufig nicht hinnehmen und können mit der Steuerzahlung warten, bis die Rechtsfrage endgültig geklärt ist.
Der in München ansässige BFH wird sich deshalb der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit noch mal in einem Hauptsacheverfahren genauer annehmen müssen. Bleibt das Gericht dann bei seiner Haltung, dürften Finanzämter die Verlustschranke für Termingeschäfte nicht mehr anwenden und Steuerpflichtige könnten entsprechende Einbußen unbeschränkt geltend machen – hier winkt eine erhebliche Steuerersparnis.
Möglicherweise legt das Gericht die Sache auch dem Bundesverfassungsgericht vor. Anlegerinnen und Anleger mit entsprechenden Verlusten können sich jetzt in einem Einspruch gegen ihren Einkommensteuerbescheid auf das BFH-Verfahren beziehen und den Ausgleich mit anderen Einkünften fordern. Von einem für Steuerpflichtige positiven Urteil profitieren sie so auch rückwirkend.