Ein Testament ist eine sinnvolle Entscheidung, um für das eigene Ableben vorzusorgen und den Nachlass zu regeln. Es stellt sicher, dass das Vermögen im Todesfall genau an die Personen verteilt wird, für die man es vorgesehen hat. Den Hinterbliebenen erspart das bestenfalls Zank um eine hinterlassene Immobilie, den Familienschmuck oder die Büchersammlung.
Damit das Testament nach dem Tod gefunden und eröffnet wird, sollte es gut aufbewahrt sein. Wer sichergehen will, hinterlegt das Dokument beim Nachlassgericht. Das Online-Portal „Hinterlegungsstelle.de“ bietet eine neue Option: Treuhänderisch verwahrt die Rechtsanwaltsgesellschaft hinter der Webseite das Schriftstück. Aber ist das wirklich die Zukunft? Capital hat mit den Plattform-Gründern Kai Sauerwein und Markus Ross gesprochen.
Capital: Herr Sauerwein, ich will meinen letzten Willen verfassen. Was muss ich beachten?
KAI SAUERWEIN: Im Testament bestimmen Sie, wer Sie im Falle Ihres Todes beerben soll und wer nur den Pflichtteil bekommt. Sie können auch jemandem einen besonderen Gegenstand vermachen. Wichtig ist, das Testament mit der Hand zu schreiben, von vorne bis hinten. Ort und Datum vermerken und Unterschrift nicht vergessen. Und dann kommt es am besten in einen Umschlag, den Sie verschließen. Bevor es so weit ist, braucht niemand erfahren, ob er oder sie als Erbe drinsteht. Allerdings sollten Sie Ihr handschriftliches Testament auch nicht überfrachten. Details, zum Beispiel wer Ihr Haustier bekommt, welche Versicherungen existieren und welche Social Media Accounts verwaltet werden müssen, regeln Sie besser in einem Nachlassverzeichnis.
Und anschließend lege ich mein Testament unters Kopfkissen?
Sauerwein: Lieber nicht, zu Hause ist das Testament nicht sicher. Angehörige könnten es vernichten oder es könnte zum Beispiel bei einem Umzug oder Wohnungsbrand verloren gehen. Oder es wird nach dem Tod schlicht nicht gefunden. In all diesen Fällen erfährt niemand vom eigentlichen letzten Willen. Der Gesetzgeber sieht deshalb vor, ein Testament sicher beim Nachlassgericht hinterlegen zu lassen. Aber dieses System stammt aus dem 19. Jahrhundert, es ist kompliziert und wenig zeitgemäß.
Wie funktioniert die Hinterlegung beim Nachlassgericht denn?
Sauerwein: Zunächst müssen Sie herausfinden, welches Amtsgericht für Ihren Wohnort zuständig ist. Dort ist auch das Nachlassgericht angebunden, bei dem Sie die Hinterlegung Ihres Testaments beantragen. Um das Testament dann bei Gericht abzugeben, müssen Sie meist einen Termin vereinbaren, an dem Tag persönlich erscheinen und den Antrag, Ihren Personalausweis und Ihre Geburtsurkunde dabeihaben. Das Aufbewahren kostet dann 75 Euro. Ein paar Euro kommen noch obendrauf, weil das Gericht das Schriftstück im Zentralen Testamentsregister erfassen lässt. Den kompletten Prozess kann natürlich auch ein Notar oder Rechtsanwalt übernehmen. Das wird aber nochmal teurer, weil der zusätzlich seine Stunden abrechnet.
Seit ein paar Wochen ist Ihre Plattform „Hinterlegungsstelle.de“ online. Was machen Sie anders als die Nachlassgerichte?
MARKUS ROSS: In Deutschland gibt es insgesamt 533 Nachlassgerichte. Uns nur einmal. Wir bieten eine zentrale Stelle, bei der Kundinnen und Kunden nicht nur das Testament, sondern alle wichtigen Vorsorgedokumente kostengünstig und flexibel hinterlegen können, etwa auch ein Nachlassverzeichnis oder eine Patientenverfügung. Und wenn sie etwas ändern wollen, können sie das ohne Weiteres tun.
Warum ist es wichtig, unkompliziert an Vorsorgedokumente heranzukommen?
Sauerwein: Das Leben ist heute dynamisch. Früher musste man meist nur einmal ein Testament aufsetzen, um den Nachlass zu regeln. Heute zieht man im Laufe der Jahre mehrfach um, hat vielleicht Nachwuchs, kauft eine Immobilie, ist verheiratet, geschieden oder lebt in einer Patchworkfamilie. Daran sollten das Testament und alle anderen Dokumente regelmäßig angepasst werden.
Aber beim Nachlassgericht kann ich mein Testament doch auch zurückholen und ändern?
Sauerwein: Ja, aber der große Nachteil beim Nachlassgericht ist, dass Sie Ihr Testament nur gegen die persönliche Vorlage eines sogenannten Hinterlegungsscheins zurückbekommen. Der kann leicht abhandenkommen. Wollen Sie Ihr Testament aktualisieren, müssen Sie den gesamten Hinterlegungsprozess von Neuem beginnen. Eine einfache Änderung ist somit quasi ausgeschlossen. Und andere Dokumente nimmt das Gericht gar nicht erst an.
Wie läuft eine Hinterlegung bei Ihrer Plattform ab?
Ross: Bei Hinterlegungsstelle.de füllen Sie das Auftragsformular aus und schicken es zusammen mit Ihrem handgeschriebenen Testament an uns. Im Anschluss erhalten Sie von Hinterlegungsstelle.de eine Rechnung. Sobald die bezahlt ist, bekommen Sie Ihre persönliche Verwahrkarte mit der Post. Das Verwahren kostet bei uns 85 Euro, jede Änderung von Dokumenten 49 Euro. Sie kriegen Ihr Testament, Ihre Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung auch umgehend wieder zurück, wenn Sie das wollen. Einfach nur mit Ihrem Passwort.
„Aktuell sind digitale Testamente noch nicht rechtsgültig“
Das ist aber ganz schön teuer und man hat dann auch Papierkram zu erledigen.
Ross: Papierkram lässt sich nicht komplett vermeiden. Testamente müssen in Deutschland handschriftlich verfasst oder notariell protokolliert werden, damit sie gültig sind. Das können wir leider auch nicht ändern. Zusätzlicher Papierkram fällt jedoch bei uns keiner an. Preislich sind wir insgesamt günstiger als die Nachlassgerichte. Bei Gericht kostet die Hinterlegung eines Testaments 75 Euro plus 12 bis 15 Euro für den Eintrag im Testamentsregister. Jede Änderung kostet darüber hinaus wieder die vollen Gebühren, während sie bei uns nur 49 Euro kostet. Das ist fast um die Hälfte günstiger. Und unsere Abwicklung ist unbürokratisch und effizienter.
Hinterlegungsstelle.de bietet auch das Testament als NFT an. Wie funktioniert das?
Sauerwein: Mit dem Angebot wollen wir etwas Neues ausprobieren. Aktuell sind digitale Testamente noch nicht rechtsgültig.
Dann ist das zur jetzigen Zeit noch nicht die Zukunft.
Sauerwein: Aber wer weiß, wie das in zehn Jahren aussieht? Das NFT-Testament ist ein Schritt in diese Richtung. Wer schon mal einen Vorgeschmack auf die Zukunft bekommen will, kann sein Testament mit uns auf die Blockchain legen. Wir generieren das zusammen mit einem Start-up aus Österreich und die Kunden erhalten eine Karte mit einem Link, über den sie jederzeit auf ihr NFT-Testament zugreifen können.
Wo bewahren Sie die Papier-Dokumente Ihrer Kunden auf?
Ross: Wir haben Banktresore angemietet, damit die Dokumente unserer Kunden sicher verwahrt sind. Die Gerichte verfügen nicht über sowas, da kommen die Schriftstücke in den Aktenschrank.
Prüfen Sie, ob ein Testament rechtsgültig ist?
Sauerwein: Nein, bei uns kommt es ja in einem Umschlag verschlossen an. Wir bieten allerdings auf unserer Webseite für einfache Fälle einen kostenlosen Testamentsgenerator an, der Ihnen bei der fehlerfreien Formulierung hilft.
Ross: Wer darüber hinaus noch Fragen hat oder anwaltliche Beratung wünscht, kann auch dafür einen Termin über die Webseite vereinbaren. Dann besprechen wir oder ein Kollege das entworfene Testament mit der Kundin oder dem Kunden.
Wie stellen Sie sicher, dass ein Testament im Todesfall bei Ihnen angefordert wird?
Ross: Wir geben unseren Kundinnen und Kunden eine Mitgliedskarte, die sie etwa in ihren Geldbeutel tun können. Außerdem raten wir ihnen, zu Hause eine Kopie des Testaments aufzubewahren, mit dem Verweis, dass das Original bei Hinterlegungsstelle.de liegt. Im Todesfall werden diese Hinweise hoffentlich gefunden und die Angehörigen und Erben können sich an uns wenden. Ansonsten informiert aber auch das Sterberegister über Todesfälle und das können wir mit unseren Kundendaten abgleichen.
Gibt es auch ein Verzeichnis für andere Vorsorgedokumente?
Sauerwein: Ja, es gibt ein Zentrales Vorsorgeregister, bei dem wir die anderen Vorsorgedokumente unserer Kunden vermerken. In dem Register können zum Beispiel behandelnde Ärzte rund um die Uhr abfragen, ob ein nicht mehr ansprechbarer Patient eine Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, oder ähnliches registriert hat. So kann die eingetragene Vertrauensperson schnell kontaktiert werden.