Selten standen die Öl- und Gasreserven Europa so sehr im Fokus wie in den zurückliegenden Wochen. Die Energiepreise ziehen kräftig an und befeuern so die Inflation. Deutschland ist besonders betroffen, weil es zu 55 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig ist. Allerdings sind die Erdgasspeicher wie bereits im vergangenen Jahr nur zu rund 30 Prozent gefüllt, in der Europäischen Union liegen die Werte teilweise deutlicher unter den Vorjahresniveaus.
Russland ist aber auch bei den Industriemetallen ein wichtiger Player. Betroffen ist hier besonders die Automobilindustrie. Nachdem die Halbleiterknappheit allmählich überwunden ist, drohen neue Lieferengpässe, falls das Land wichtige Rohstoffe aufgrund von Sanktionen nicht mehr exportieren darf.
Sanktionen heizen Inflation an
Russland ist nach Südafrika einer der größten Palladium- und Platinproduzenten. Das Riesenland steht für rund 15 Prozent der weltweiten Platinproduktion 15 Prozent, so dass die Folgen für zahlreiche Branchen schwer wiegen, sollte es zu einem Lieferstopp kommen. „Fehlende Industriemetalle aus Russland dürften die Inflation weiter anheizen“, meint daher Funda Sertkaya, Rohstoffexpertin und Geschäftsführerin beim Edelmetallhändler Ophirum. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr fraglich, ob die angekündigten Sanktionen des Westens tatsächlich auf den Export wichtiger Rohstoffe abzielen werden.
Besonders die Automobilindustrie erholt sich derzeit noch von den Nachwirkungen der Chip-Knappheit und ist angeschlagen. Bisher erwarten Analysten für dieses Jahr einen Anstieg um acht Millionen Einheiten. Allerdings könnte der Marktanteil von Diesel-Pkw weiter sinken, was sich negativ auf die Platinnachfrage auswirken dürfte. Auf der anderen Seite müssen die Hersteller immer strengere Abgasnormen erfüllen, für die meist eine höhere Katalysatorbeladung und mehr Platin erforderlich ist. Betroffen davon ist nicht nur der Pkw-Markt, sondern auch das Segment der schweren Nutzfahrzeuge.
Nachfrage spricht langfristig für Platin
Für Platin spricht zudem der vergleichsweise günstige Preis von 1100 Dollar, während die Feinunze Palladium bei 2600 Dollar steht. Beide Metalle werden vielfach in Katalysatoren eingesetzt. Als Substitut könnten zunehmend mehr Katalysatorhersteller auf Platin zurückgreifen und so ihre Gewinnmargen verbessern. Unter dem Strich sehen die Analysten von Heraeus dieses Jahr einen Anstieg der weltweiten Nachfrage aus der Automobilindustrie von 14 Prozent auf knapp drei Millionen Unzen. Langfristig ist zudem mit einem kräftig steigenden Bedarf aus der Wasserstoffwirtschaft zu rechnen, da Platin anders als Palladium auch in der Brennstoffzellentechnologie sowie Elektrolyse eingesetzt wird.
Preis für die Feinunze Platin in Dollar
Trotz einer sich abzeichnenden Belebung der Nachfrage wird der Markt aber vorerst im Überschuss bleiben, sofern Russland als Lieferant im Spiel bleibt. Besonders in Südafrika ist mit einer im Jahresvergleich steigenden raffinierten Produktion zu rechnen. Auch das Recycling und somit das Angebot aus Sekundärquellen wird leicht höher erwartet. Bleibt die Lage in der Ukraine allerdings weiter angespannt, könnte die Feinunze zügig in Richtung des Vorjahreshochs um 1250 bis 1350 Dollar laufen.