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Aktien Anleger misstrauen Bayer‑Monsanto

Normalerweise beflügelt eine Fusion die Aktienkurse - nicht so bei Bayer und Monsanto. Die Anleger sind skeptisch
Der Zusammenschluss mit Monsanto belastet die Bayer-Aktie
Der Zusammenschluss mit Monsanto belastet die Bayer-Aktie
© dpa

Wenn zwei Firmen bekanntgeben, dass sie sich zusammenschließen, dann wirkt das üblicherweise wie ein Wachstumsbeschleuniger. Nicht nur für das Geschäft der beiden Firmen – die meistens Marktanteile gewinnen, Umsätze steigern und oft auch effizienter wirtschaften – sondern auch für deren Aktienkurse. Denn die Übernahmenachrichten wecken fast immer die Fantasien der Anleger und das schlägt sich in rapide steigenden Kursen nieder. Um 20, 30 oder sogar über 40 Prozent hat die Börse die Notierungen dann schon zulegen sehen. In diesem Fall aber ist alles anders. Im Fall des Pharmariesen Bayer und des Saatgutherstellers Monsanto nämlich.

Vor kurzem haben die beiden ihren Zusammenschluss bekanntgegeben, mehr oder weniger endgültig. Der Leverkusener Chemiekonzern Bayer will die Rekordsumme von 66 Mrd. Dollar auf den Tisch legen und sich dafür den US-Konkurrenten einverleiben. Über die Fusion haben die zwei Firmen seit dem Frühjahr verhandelt und lange hin und her gerechnet. Und was passierte, nachdem die Nachricht publik wurde? Die Aktien der beiden Konzerne stürzten ab.

Ziemlich genau zeitgleich sackte der Kurs von Bayer um 4,5 Prozent nach unten (von 97 Euro auf 92,60 Euro), während der Kurs von Monsanto um acht Prozent nachgab (von 101 Euro auf 93 Euro). Damit sind nun beide weit entfernt von ihren früheren Mehrjahreshöchstständen, die sie übrigens auch ungefähr zeitgleich verzeichneten, nämlich im April 2015. Vor gut einem Jahr notierte Bayer noch bei 146 Euro, also satte 50 Euro höher als jetzt. Bei Monsanto waren es immerhin 113 Euro, also 20 Euro mehr als in diesen Tagen. Damit liegt der Kurs des US-Saatgutriesen aktuell umgerechnet 26 Dollar unter dem Betrag, den Bayer bei der Übernahme je Monsanto-Aktie bezahlen wird. Als Kaufpreis stehen 128 Dollar je Aktie auf den Vertragspapieren. Wieso also wollen die Anleger dennoch ausgerechnet bei diesen beiden so wenig von einer Fusion wissen? Und wieso schwelgen sie nicht, wie sonst üblich, in Euphorie? Zumindest die Monsanto-Aktie hätte doch angesichts des festgelegten Kaufpreises stark zulegen müssen?

Was sagen die Kartellbehörden?

Es gibt vor allem zwei Gründe für die Zurückhaltung der Aktionäre: Erstens hat die Vereinigung der beiden Unternehmen nicht nur Vorteile für beide Seiten. Vor allem Bayer holt sich damit nämlich einen Namen ins Haus, der in den Augen vieler Anleger für Gentechnik steht und außerdem mit einer umstrittenen Geschäftspolitik und diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen verbunden ist. Manche Anleger würde dieses Unternehmen lieber nicht im Portfolio des Leverkusener Traditionskonzerns sehen. Zweitens ist noch längst nicht ausgemacht, dass es tatsächlich so weit kommen wird. Denn die Fusion muss von einigen nationalen Kartellbehörden abgesegnet werden, bevor sie umgesetzt werden kann. Und eine Reihe von Marktwächtern ist eher skeptisch, was die künftige Größe des damit entstehenden Konzerns angehen würde.

Zwar überschneiden sich die Geschäftsfelder und die Hauptabsatzmärkte von Bayer und Monsanto derzeit nur wenig. Bayer ist noch immer der Chemieriese, der in Europa und Asien stark ist, während Monsanto mit seinem Saatgut vor allem Amerika beackert. Dennoch: In einzelnen Sparten hätte der verschmolzene Konzern eine Marktmacht, die größer wäre als vielen lieb ist. Beim Baumwoll-Saatgut läge ihr gemeinsamer Marktanteil bei 70 Prozent. Beim Raps-Saatgut ebenfalls über 50 Prozent. Bei gentechnisch verändertem Saatgut für Baumwolle, Mais und Soja besitzt Monsanto in Amerika ein Monopol. Genau deswegen könnten die Kartellbehörden der Übernahme einen Riegel vorschieben.

Um das zu verhindern könnte Bayer seine Baumwollsparte verkaufen. Ob das den Wettbewerbshütern reicht, bleibt abzuwarten. Monsanto jedenfalls stünde ohne die Fusion unter Druck, denn diverse Übernahmen auf dem Saatgutmarkt haben das Geschäft schwieriger gemacht. Zudem fallen die Getreidepreise und die Absatzmärkte sind besonders in den Schwellenländern recht instabil. Bayer indes würde durch die Übernahme von Monsanto seinen Bereich Crop Science mehr als verdoppeln von 10 auf rund 23 Mrd. Euro Umsatz. Kommt der Zusammenschluss dagegen nicht zustande, müsste Bayer als Ausgleich 2 Mrd. Dollar an Monsanto zahlen.

Derzeit stehen die Chancen für den erfolgreichen Zusammenschluss bestenfalls bei gut 50 Prozent, wenn man sich die Kauf- und Verkaufsstatistiken der Investoren in der vergangenen Börsenwoche ansieht. Analysten beziffern die Chance auf eine Zustimmung der Kartellbehörden mit 50 zu 50. Mathematiker sagen, die Höhe der Aktienkurse beider Firmen lasse eher darauf schließen, dass die Börsen mit einer 25- bis 33-prozentigen Fusionschance rechnen. Viel ist das nicht.

Analysten halten beide Aktien für unterbewertet

Einen Zuwachs aber erhoffen sich die Leverkusener künftig auch unabhängig davon. Sie haben sich „mittelfristig“ ein paar „ambitionierte Ziele“ gesetzt, so kündigte es Vorstandschef Werner Baumann kurz nach Bekanntgabe der Fusion an. Vor allem die Pharma-Sparte soll mächtig wachsen. Das Geschäft mit den rezeptpflichtigen Arzneien soll von derzeit 7,5 Mrd. auf 10 Mrd. Euro Umsatz zulegen. Natürlich war das der Versuch der Konzernführung, den Anlegern den Kauf der Aktie auch in diesen turbulenten Tagen schmackhaft zu machen. Seit Beginn der Fusionsdiskussion im Mai hatte sie schließlich zwischenzeitlich 17 Euro verloren. Die Hoffnung ist nun, dass sie nicht nur diesen Rückgang aufholt, sondern auch bald wieder in Richtung ihres Höchststandes von 2015 strebt. Damit würde sie dann immerhin satte 57 Prozent zulegen.

Ganz unwahrscheinlich ist das nicht. In den vergangenen fünf Jahren schaffte es Bayer, seinen Aktionären einen Kursgewinn von 27 Prozent pro Jahr zu bescheren. In den vergangenen zehn Jahren waren es immerhin 13,7 Prozent jährlich, das ist eine stolze Bilanz. Monsanto kommt auf nicht ganz so hohe, aber ebenfalls beachtliche Werte von gut 16 Prozent jährlichen Wertzuwachs über fünf Jahre und ist derzeit gut 21 Prozent von seinem alten Höchststand entfernt. Analysten halten deshalb auch beide Aktien für unterbewertet. Die von Monsanto leicht, die von Bayer stark. Sie verweisen auch darauf, dass die Gewinnprognosen von beiden zuletzt höher ausgefallen sind. Beides wären Indizien, die für einen Kauf sprechen würden.

Ob die Anleger darauf anspringen, bleibt abzuwarten. Auf den hohen Übernahmepreis von 128 Dollar je Aktie könnten sie demnach hoffen und jetzt die Monsanto-Aktie für 102 Dollar – umgerechnet 93 Euro – kaufen. Das wäre aber sehr spekulativ. Als aussichtsreicher schätzen Analysten ein, jetzt Bayer-Aktien zu kaufen. Die guten Prognosen halten sie für nicht überzogen und die Dividendenrendite von 3,13 Prozent wäre ein weiteres Argument. Und wenn der Deal mit Monsanto wirklich scheitert, dann dürfte das auch nicht den Untergang bedeuten. Zumindest wären dann die Skeptiker wieder beruhigt. Könnte sein, dass allein das dem Kurs zum unerwarteten Aufschwung verhilft.

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