Aktien haben nicht den besten Ruf in Deutschland, obwohl sicher jede und jeder von uns täglich Produkte und Dienstleistungen von börsennotierten Unternehmen nachfragt. Wie beim Frühstück der Brotaufstrich, beim Zur-Arbeit-Fahren das Auto oder der Bus, das Smartphone ohnehin oder Abends der Film zum Entspannen. Wir sind umgeben von Unternehmen, deren Anteilseigner‘innen wir über den Kauf von Aktien werden könnten. Wenn wir investieren würden!
Nur 12,5 Prozent der Frauen haben Aktien-Investments
Von den erwachsenen Männern investieren derzeit etwa 22,5 Prozent Geld in Aktien oder Aktien-ETFs. Unter den Frauen über 18 Jahren liegt der Anteil der Investorinnen nur bei rund 12,5 Prozent. Heißt im Umkehrschluss: 87,5 Prozent der Frauen setzen nicht auf die langfristig ertragreichste aller Anlageklassen – auf Aktien.
Ich will gar nicht darüber philosophieren, warum das so ist. Die Gründe sind vielschichtig. Ein Grund sticht in offenen Fragen-Interviews und Studien hervor: „Aktien sind zu kompliziert. Ich kann das nicht. Ich weiß das nicht.“ In verschiedenen Studien hat beispielsweise der Vermögensverwalter JP Morgan herausgefunden, dass etwa 40 Prozent der befragten Frauen und auch Männer meinten, sie würden ja gern anfangen zu investieren, wenn sie nur das Thema Geldanlage besser verstehen würden.
Die Komplexität von Aktien wird überschätzt
Die Berührungsängste mit Aktien sind also groß. Dabei erlebe ich in Kursen, Vorträgen und bei meinen Coachings, dass Frauen sehr wohl wissen, was Aktien sind, dass sie sich damit an Unternehmen beteiligen und Eignerinnen werden. Mit Rechten und Pflichten.
Hinzu kommt, dass Aktien zu den am besten erforschten der fünf Anlageklassen gehören. Die Literatur darüber füllt Bibliotheken.
Nur – und hier geht es los mit dem Fremdeln – allein die im Umgang mit Aktien und Börse benutzten Begriffe schrecken ab. Sie sind technisch, mit Anglizismen durchsetzt, haben keine allgemeingültigen Bedeutungen und was genau dahintersteht, ist oft schwammig formuliert. Es gehört jedenfalls nicht zum Allgemeinwissen.
Kein Schulwissen wie Chemie und Deutsch
Es sind nicht die Aktien, die kompliziert sind. Was kompliziert ist, ist die Sprache, die wir dafür benutzen und die mit dem Handel verbundenen Prozesse, die wir nicht in der Schule gelernt haben.
Chemische Verbindungen, physikalische Gesetze, Mathematik und Grammatik – so etwas lernen wir in der Schule. Keiner saugt dieses Wissen und die Zusammenhänge mit der Muttermilch auf. Genauso ist das auch mit Aktien, Börse & Co. Hier müssen wir aktiv eine neue Sprache und Zusammenhänge lernen.
Die Sprache des Geldes und des Aktienhandels
Beispiel Sprache: Clearstream, Broker, Spread, Market-Maker, Startkurs, Squeeze Out, Aktiensplit, Dividende, Marktkapitalisierung, Stop-Loss, Parketthandel, Xetra, Volatilität, Pennystocks, Dividendenabschlag, KGV, Over-the-counter, Asset-Allocation … alles Worte aus der Welt des Aktienhandels.
Beispiel Abläufe: Wie kommt eine Aktie überhaupt in die Welt und an die Börse? Ein hochspannender wie vielschichtiger Prozess. Oder: Wer erhält das Geld beim Aktienkauf und wie kommt der Anteilsschein ins Depot?
Selbstermächtigung und Mitgestaltung durch Wissen und Verstehen
Das zu erkunden, ist nicht nur fesselnd, sondern Selbstermächtigung. Weil wir dadurch besser verstehen, wie Wirtschaft funktioniert, wie Geld fließt und Eigentum die Besitzer wechselt. Dieses Wissen ist wichtig, um selbstbestimmt in unserer vom Kapital getriebenen Welt zu leben – sonst werden Sie abgehängt. Dieses Wissen ist auch wichtig, um unsere Welt mitzugestalten und sie zu verändern. Nur, wer Abläufe und Handelnde kennt, kann Dinge beeinflussen.
Beim Geld und der Geldanlage liegt vieles im Dunkeln, ganz bewusst. Aber nur so lange, bis wir uns eingraben in das Thema. Dann lichtet sich das Dunkel. Ich gebe zu, das dauert etwas. Aber! Die Buddelei lohnt sich: Wer es einmal verstanden hat, hat es dann auch. Selbst, wenn sich die Welt weiterentwickelt.
Bewusst Zeit nehmen zum Lernen der neuen Sprache
Nehmen Sie sich beispielsweise ein Jahr vor oder ein halbes, und widmen Sie dieses dem Lernen der Aktien- und Börsenbegriffe. Es gibt so viele Bücher dazu, Podcasts, Blogs. Und ich kann Ihnen garantieren: Wenn Sie einmal angefangen haben, die Zusammenhänge hinter dem Vokabular zu verstehen, werden sie nicht mehr aufhören können, weil es so faszinierend ist. Weil Wirtschaft faszinierend ist. Sie ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Und darin kommen Frauen noch viel zu wenig vor.
Ändern wir das und knacken die Codes der Sprache von Börse und Co. Dann steigt die Lust am Aktienkauf und das Verständnis um den eigenen Vermögensaufbau. Und Gedanken wie „Aktien sind zu kompliziert.“ und „Ich verstehe das nicht.“ haben keine Chance mehr.