Nun auch Kalifornien: Nach New York und Illinois hat Kalifornien diese Woche als dritter US-Bundesstaat den Notstand wegen der sich ausbreitenden Affenpocken ausgerufen. Der Schritt soll der Regierung dabei helfen, ausreichend finanzielle Ressourcen für Impfungen, medizinisches Personal und weitere Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Bislang gab es in den USA insgesamt rund 5800 Affenpocken-Fälle. Weltweit waren es Ende Juli knapp 23.000 Fälle, die meisten davon in Europa mit mehr als 14.000. In Deutschland haben sich bisher rund 2700 Menschen mit Affenpocken infiziert.
Ein wichtiger Punkt für Kaliforniens Gouverneur Gavin Newson war bei dessen Verlautbarung, eine Aufklärungskampagne starten zu wollen. Dafür plädiert auch Henritte Neumeyer, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft: „Der Stigmatisierung von Erkrankten ist dringend entgegenzuwirken, da nur dann eine effektive Eindämmung möglich ist“, sagte sie in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Infektionen müssen schnell erkannt werden, und wir müssen die Impfangebote für die Risikogruppen dringend ausweiten.“
Ein entsprechendes Angebot kommt vom dänisch-deutschen Unternehmen Bavarian Nordic mit dessen Impfstoff Imvanex (in den USA: Jynneos). Die EU-Kommission hat Imvanex gegen Affenpocken Ende Juli zugelassen und mehr als 160.000 Dosen davon bestellt. Damit ist nun in den 27 EU-Staaten sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen ein Impfschutz gegen Affenpocken verfügbar. Deutschland hat im Rahmen einer nationalen Beschaffungsmaßnahme sogar 240.000 Impfdosen geordert. Die Deutsche Aidshilfe fordert allerdings noch mehr, nämlich eine Million Impfdosen.
All das beflügelt selbstverständlich die Kursfantasien von Börsianern – der Kurs der Bavarian-Nordic-Aktie geht durch die Decke: Die Papiere haben ihren Wert in den vergangenen sechs Monaten beinahe verdoppelt. Allein seit Anfang dieser Woche ging es um 8 Prozent nach oben. Ein Blick in die Auftragsbücher des Biotech-Unternehmens verrät: Bavarian Nordic erwirtschaftet 40 Prozent seines Umsatzes mit Pockenimpfstoffen, weitere große Geschäftsbereiche betreffen Impfstoffe gegen Tollwut und FSME. Da das Unternehmen aktuell noch rote Zahlen schreibt, ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) dementsprechend negativ.
„Im Moment verlässt sich die Welt auf einen Hersteller, Bavarian Nordic, für den Affenpockenimpfstoff“, zitiert das Nachrichtenportal Bloomberg den Fondsmanager Manish Bhargava. Es sei zu erwarten, so Bhargava weiter, dass andere Biotech-Firmen ihre Forschung und Produktion in diesem Bereich aufstocken werden, um mit der Nachfrage Schritt halten zu können.
Entsprechende Bestrebungen kommen beispielsweise von Siga Technologies. Der von der relativ kleinen US-Pharmafirma entwickelte antivirale Wirkstoff Tecovirimat ist in den USA seit 2018 gegen Pocken zugelassen. Sein Medikament vermarktet das Unternehmen unter dem Namen Tpoxx. Die EU hat eine Zulassung Anfang 2022 nicht nur gegen Pocken, sondern auch gegen Affen- und sogar Kuhpocken erteilt. Die Aktie verzeichnet seit Jahresbeginn einen Höhenflug von 143 Prozent. Das KGV aus Basis der für 2022 zu erwartenden Nettogewinne beträgt 26.

Weitere potenziell interessante Anbieter in dem Bereich sind Chimerix und Emergent. Das vom US-Biotech-Unternehmen Chimerix entwickelte Medikament Tembexa wurde im vergangenen Jahr in den USA zugelassen und gilt als mögliche Therapie gegen Affenpocken. Allerdings wurden die Rechte daran Mitte Mai an das Biopharma-Unternehmen Emergent BioSolutions verkauft. Chimerix erhielt dafür bis zu 337 Millionen Dollar sowie weitere Ansprüche in Zusammenhang mit Lieferverträgen. Emergent hat auch schon das von Sanofi vertriebene Pockenvakzin ACAM2000 entwickelt.
Expertinnen und Experten schätzen die gesundheitliche Gefährdung von Affenpocken für die Gesamtbevölkerung aktuell als gering ein. Die Mortalitätsrate ist extrem niedrig, flächendeckende Impfkampagnen gelten daher als unwahrscheinlich. Die Kurse einiger Hersteller steigen, weil Investoren dennoch auf vergleichbare Gewinne wie nach dem Covid-19-Ausbruch im Jahr 2020 hoffen. Eine interessante Spekulation, aber nichts für vorsichtige und langfristig denkende Anlegerinnen und Anleger.