Manchmal gibt es sogar Gemeinsamkeiten, selbst wenn man getrennte Wege geht. Das zeigen an diesem Donnerstag die Deutsche Bank und die Commerzbank. Mit nahezu wortgleichen Pressemitteilungen verkünden die Institute gegen kurz vor elf Uhr, dass sie ihre Fusionsgespräche abbrechen. So heißt es in beiden Statements : „Nach gründlicher Analyse sind wir zum Schluss gekommen, dass ein Zusammenschluss (...) keinen ausreichenden Mehrwert bieten würde“. Da lässt sich nur hinzufügen: Gut, dass die beiden Institute das jetzt auch erkannt haben.
Die vor sechs Wochen begonnenen Fusionsgespräche waren vermutlich die meistgehassten in der Wirtschaftsgeschichte der Republik. Nicht nur die Mitarbeiter der Institute und die Gewerkschaften lehnten die Fusion ab, in einer Art Einheitsfront stellten sich auch Wirtschaftswissenschaftler, Investoren, die Öffentlichkeit und viele Analysten dagegen .
Das ist kein Wunder, denn es war von Anfang an offensichtlich, dass ein Zusammenschluss wenig an der Dauer-Malaise der Geldhäuser geändert hätte. Zwar wäre eine Fusion insofern eine große Bereinigung gewesen, weil sich die letzten beiden deutschen Großbanken vereinigt hätten. Es hätte aber nichts daran geändert, dass es in Deutschland schlicht zu viele Banken gibt, damit die Geldhäuser ausreichend profitabel arbeiten.
Höchstens ein Möchtegern-Champion
So kommen die deutschen Privatbanken auf einen Marktanteil von gerade einmal 23 Prozent. Betrachtet man nur die Großbanken, liegt ihr Marktanteil sogar bei weniger als 20 Prozent. Zwei Drittel des Marktes hätten auch nach einer Fusion weiterhin Volksbanken und Sparkassen beherrscht.
Dass die fusionierte Bank so profitabel gearbeitet hätte wie große Geldhäuser in anderen Ländern, gilt deshalb als ausgeschlossen. Zum Vergleich: Die oft als Vorbild zitierten französischen Geldhäuser können sich auf einen ganz anderen Markt stützen. So haben die fünf größten Banken dort einen Marktanteil von fast 85 Prozent, die Credit Agricole – um ein Beispiel zu nennen – hat in manchen ländlichen Regionen gar Marktanteile von 40 oder 50 Prozent.
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Mit anderen Worten: Selbst innerhalb Deutschlands wäre das fusionierte Geldhaus kein nationaler Bankenchampion geworden, von dem SPD-Finanzminister Olaf Scholz und seine Getreuen geträumt haben, als sie im Hintergrund auf die Fusion gedrängt haben. Es wäre höchstens ein nationaler Möchtegern-Champion entstanden.
Auch international wäre die fusionierte Großbank nicht groß genug, um in die Top-Liga der weltweiten Banken aufzusteigen. Mit einer Bilanzsumme von knapp unter 2 Billionen Euro wäre sie nicht mal eine der zehn größten Banken der Welt gewesen.
Firmenkunden wären abgesprungen
Zudem wäre viel zu unsicher gewesen, ob sich die Synergien hätten heben lassen, die Investmentbanker bei solchen Fusion ausrechnen. Erstens wäre angesichts des massiven Widerstands unklar gewesen, wie schnell das neue Geldhaus eine große Entlassungswelle hätte durchsetzen können, um die Kosten stärker als bisher zu senken. So wurde zwischenzeitlich spekuliert, dass 30.000 bis 50.000 Jobs beim fusionierten Haus hätten wegfallen müssen.
Zweitens wären wohl auch Firmenkunden nach einem Zusammenschluss abgesprungen. Viele unterhalten Geschäftsbeziehungen zur Commerzbank und zur Deutschen Bank, sie hätten sich im Fall einer Fusion wohl aber nicht nur auf ein Geldhaus verlassen wollen. Sie hätten dann einen Teil ihrer Geschäfte an andere Banken vergeben. Eins plus eins ergibt bei Bankenzusammenschlüssen nur selten zwei.
Außerdem wären die Geldhäuser nach der Verschmelzung auf Jahre mit sich selbst beschäftigt gewesen. So hätte die Deutsche Bank den Zusammenschluss stemmen müssen, während sie nicht mal die Integration der Postbank bewältigt hat, die seit 2009 zur Deutschen Bank gehört. Anderen Großbanken wäre die beschwerliche Fusion zwischen gelber und blauer Bank zugutegekommen: Sie hätten der neuen Großbank Kunden abjagen können. Einige ausländische Institute haben sogar schon durchgerechnet, wie viel Geschäftsvolumen man der neuen Großbank hätte abspenstig machen können.
Ein Berg von Problemen
Eine Fusion hätte die malade Lage der beiden Geldhäuser also mit aller Wahrscheinlichkeit noch verschlimmert. Im Gegenzug macht die Absage der Fusion die Lage der Geldhäuser aber auch nicht besser. Vielmehr ist die Frage, wie es jetzt weitergeht.
Die Commerzbank wurschtelt sich mit Mini-Gewinnen durch und kämpft damit, dass der ursprünglich erwartete Zinsanstieg in der Eurozone erst mal ausfällt. Das drückt Erträge und Gewinne des Geldhauses. Ihre für 2020 angepeilten Ziele für die Eigenkapitelrendite, die Erträge und die Cost-Income-Ratio, die ein Gradmesser für die Effizienz einer Bank sind? Hat die Gelb-Bank alle kassiert. Insofern stellt sich langsam die Frage, ob die Strategie von Commerzbank-Chef Martin Zielke gescheitert ist, im großen Stil Kunden zu gewinnen und so höhere Erträge zu erzielen. Schließlich führt Zielke die Commerzbank seit drei Jahren.
Zielke geht aus der gescheiterten Fusionsgesprächen sogar beschädigt hervor, weil er im Hintergrund darauf gedrungen haben soll – und seinen Investoren jetzt erklären muss, warum es doch besser ist, solo zu bleiben. Nicht ausgeschlossen ist, dass Zielke sein Heil in einer Fusion mit einer anderen ausländischen Bank sucht, so haben bereits die niederländische ING und die italienische Unicredit Interesse angemeldet .
Während sich aber die Commerzbank irgendwie durchschlagen kann, ist die Lage bei der Deutschen Bank existenzieller. Zwar hat sie heute überraschend gute vorläufige Zahlen für das erste Quartal vorgelegt: So beträgt ihr Gewinn 200 Mio. Euro, während Analysten nur mit 55 Millionen gerechnet hatten. Ihr Geschäftsmodell besteht aber im Wesentlichen darin, die Kosten schneller zu senken, als die Erträge wegbrechen. Ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell ist das nicht, sondern eine gefährliche Abwärtsspirale. Die Bank muss jetzt dringend überlegen, wie sie ihre Strategie anpasst.
Bankenfusionen: eine Chronologie
Bankenfusionen: Chroniken des Scheiterns

Im Sommer 1997 kommt es zur Fusion zweier Großbanken – allerdings nicht in Frankfurt, sondern in München. Die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank verschmelzen zur Hypovereinsbank. Der Zusammenschluss ist auch eine Reaktion darauf, dass die Deutsche Bank ein Jahr zuvor fünf Prozent der Anteile an der Bayerischen Vereinsbank gekauft hat. Die Münchner möchten aber nicht zu den Vasallen eines Frankfurter Hauses verkommen, deshalb wehrt man sich. Allerdings ist die Fusion kein Glücksbringer: Ende der 90er-Jahre werden massive Probleme im Immobiliengeschäft bekannt, 2003 wird dieser Geschäftszweig schließlich in eine eigene Bank ausgelagert: die Hypo Real Estate, die in der Finanzkrise untergeht. 2005 wiederum kauft die italienische Großbank Unicredit die Hypovereinsbank, die ihr in den vergangenen Jahren einen rigiden Sparkurs verordnet hat. Von der einstigen Bedeutung ist wenig geblieben. Kein Wunder, dass der Bankenplatz München heute ein Schatten seiner selbst ist.

Im Frühjahr 2000 bebt die Frankfurter Finanzszene: Die Deutsche Bank und die Dresdner Bank kündigen ihren Zusammenschluss an. Von 125.000 Arbeitsplätzen sollen 16.000 wegfallen. Doch bereits wenige Wochen nach Ankündigung wird die Fusion abgeblasen. Die damals schon wichtigen Investmentbanker der Deutschen Bank sind gegen die Verschmelzung – und der damalige Vorstandschef der Deutschen Bank Rolf-E. Breuer (l.) kann sich nicht gegen sie durchsetzen. Der Chef der Dresdner Bank Bernard Walter tritt wegen des geplatzten Zusammenschlusses sogar zurück.

Die Allianz braucht weitere Vertriebskanäle, um ihre Versicherungen zu verkaufen. Deshalb kauft sie 2001 die Dresdner Bank. Doch der Zusammenschluss entpuppt sich bald als Fehlentscheidung: Bereits 2002 kann die Dresdner Bank nur mit Ach und Krach einen Verlust vermeiden. Übrigens: Auf Seiten der Allianz war damals ein Finanzvorstand namens Paul Achleitner mitverantwortlich für die Fusion. Achleitner ist seit 2012 Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Seine Bilanz bei Deutschlands größtem Geldhaus fällt ähnlich aus wie bei der Übernahme der Dresdner Bank: äußerst bescheiden.

Noch 2007 übernimmt die Münchner Hypo Real Estate die Depfa, die Bank finanziert überwiegend die öffentliche Hand. Das wirkt damals wie ein biederes, aber gleichzeitig sehr rentables Geschäft – doch die Depfa steht am Abgrund. Sie hat ihre Bilanz mit enormen Risiken vollgeladen und macht die Hypo Real Estate in der Finanzkrise zu einem Fall für den Bankenrettungsfonds. Der Rest ist Geschichte.

Der Zeitpunkt ist denkbar schlecht, die Finanzkrise belastet die Kreditinstitute weltweit: Dennoch übernimmt die Commerzbank 2009 die Dresdner Bank von der Allianz, die damals das drittgrößte Geldhaus der Republik ist. Die Fusion ist eine Notoperation, die Dresdner Bank macht im Geschäftsjahr 2008 einen Verlust von 6,3 Mrd. Euro. Die Folge: Das Eigenkapital ist dadurch nahezu aufgezehrt, das reißt die Commerzbank mit in die Tiefe. Der Staat muss deshalb Geld bei der Commerzbank einschießen und wird Anteilseigner, heute hält der Bund 15 Prozent an dem Geldhaus mit dem gelben Logo. Die Commerzbank braucht Jahre, um die Dresdner Bank bei sich zu integrieren. Trotz Fusion ist der Name der Dresdner Bank nicht ganz verschwunden: In Dresden unterhält die Commerzbank eine Filiale, auf der der Schriftzug des früheren Konkurrenten prangt.

2009 kauft die Deutsche Bank die Postbank – und kommt so einem Angebot des spanischen Geldhauses Santander zuvor. Das Ziel der Deutschen Bank damals: Die Erträge im Heimatmarkt steigern und stabilisieren und von der größeren Kundenbasis profitieren. Argumente, die auch jetzt bei den Fusionsgesprächen zwischen Deutscher Bank und Commerzbank eine Rolle spielen. Das Problem ist bloß: Die Deutsche Bank hat es bis heute nicht geschafft, die Postbank zu integrieren. Grund sind IT-Probleme, aber auch das strategische Hickhack der Deutsch-Banker. Zwischenzeitlich soll die Postbank sogar wieder verkauft werden, aber niemand schlägt zu. Also versucht die Deutsche Bank weiter die Tochter irgendwie mit den anderen Unternehmensteilen zu verschmelzen.

Im Juni 2009 meldet der Warenhauskonzern Arcandor Insolvenz an – und stürzt damit die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim, gegründet 1789, in eine tiefe Krise. Das einst so stolze Geldhaus ist eng mit Arcandor und dessen Mehrheitsaktionärin Madeleine Schickedanz verbandelt. Eine Insolvenz des Instituts kann nur abgewendet werden, indem die Deutsche Bank Sal. Oppenheim übernimmt. Sie zahlt immerhin 1 Mrd. Euro für den deutlichen kleineren Konkurrenten. 2017 kündigt die Deutsche Bank an, Sal. Oppenheim zu schließen. Allzu viel Freude dürfte die Übernahme der Deutschen deshalb nicht gemacht haben. Die Deutsche hätte gerne wichtige Mitarbeiter von Oppenheim gerade aus dem Fondsmanagement behalten, doch viele wechseln zur Konkurrenz.

Auch die einst stolze nordrhein-westfälische Landesbank WestLB gerät in der Finanzkrise ins Taumeln. Nach vielen Jahren des Siechtums und gescheiterten Übernahmeversuchen durch andere Landesbanken, übernimmt schließlich die Landesbank Hessen-Thüringen Teile des Geschäfts, etwa den Zahlungsverkehr. Die übrigen Reste werden in einer Bad Bank abgebaut. 2012 verschwindet das Logo.

Nach vielen gescheiterten Anläufen gelingt es endlich: 2015 kündigt die damals größte Zentralbank der Genossenschaftsbanken an, die DZ Bank in Frankfurt, die zweite noch existierende genossenschaftliche Zentralbank zu übernehmen, die WGZ Bank aus Düsseldorf. Die Fusion wird 2016 vollzogen, bis 2022 dürften voraussichtlich 20 Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden, die das neue Zentralinstitut ursprünglich hatte. Der Zusammenschluss läuft vergleichsweise gut.