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CEO Andrea Orcel Warum die Unicredit nicht von der Commerzbank ablassen wird

Unicredit-Chef Andrea Orcel
Unicredit-Chef Andrea Orcel: Schon einmal spielte er eine Schlüsselrolle bei einer Bankenfusion
© Carlotta Cardana/Bloomberg / Getty Images
Unicredit-Chef Andrea Orcel hat bei der letzten großen Bankentransaktion in Europa die Fäden gezogen. Das ging schief. Jetzt will er es bei der Commerzbank besser machen

Es ist nur passend, dass 17 Jahre nach der letzten multinationalen Bankentransaktion in Europa, die gleichen Akteure in den Schlagzeilen stehen. Damals, im Jahr 2007, war Andrea Orcel Banker bei Merrill Lynch, und dort für Finanzinstitute zuständig: Er war derjenige, der die komplexe Übernahme und Aufspaltung der niederländischen Bank ABN Amro durch die ehrgeizige Royal Bank of Scotland einfädelte. Heute, inzwischen ist er vom CEO-Berater zum Bank-CEO aufgestiegen, scheint sich Orcel für ein ähnlich kühnes Geschäft zu positionieren – die Übernahme des deutschen Konkurrenten Commerzbank durch die italienische Bank Unicredit, deren Chef er ist.

Vorige Woche wurde bekannt, dass Unicredit einen Anteil von neun Prozent an der zweitgrößten börsennotierten Bank Deutschlands erworben hat. Dies geschah in zwei Schritten: einem geheimen Aufbau der Beteiligung, auch unter Einsatz von Derivaten und einem transparenteren Erwerb eines Anteils, der von der deutschen Regierung verkauft wurde. (Der Staat hält immer noch zwölf Prozent an der Commerzbank, ein Überbleibsel der Rettungsaktion von 2008.) Am Montag gab die Unicredit nun bekannt, dass sie ihren Anteil auf 21 Prozent erhöht habe.

Auf den ersten Blick ist der Plan nach hinten losgegangen. Politiker aller Couleur beeilten sich, die Ehre der Commerzbank zu verteidigen, und hochrangige Persönlichkeiten in der scheinbar verblüfften deutschen Regierung sprachen von einem „unfreundlichen“ Akt der Unicredit. Eine vollständige Übernahme, die Orcel ausdrücklich anstrebt, scheint nicht infrage zu kommen.

Aber das hieße, einen Banker zu unterschätzen, der für seinen gewitzten Charme ebenso bekannt ist wie für seine technokratischen Fähigkeiten und seine energische Entschlossenheit. Er hat sich selbst als „sehr geduldig“ bezeichnet und verfügt über eine klare „Optionalität“, wie Banker zu sagen pflegen.

Verkauf der HVB als Mittelweg

Zumindest verfügt die italienische Bank über eine beträchtliche Beteiligung an einem Konkurrenten, die das Potenzial für eine Wertsteigerung hat. Die Position von Unicredit hat sich dank eines 65-prozentigen Anstiegs des Aktienkurses im vergangenen Jahr aufgrund höherer Gewinne erheblich verbessert. Orcel könnte Druck ausüben, um eine ähnliche Effizienzsteigerung bei der Commerzbank zu erreichen.

Ein Mittelweg zwischen dem Status quo und einer vollständigen Fusion zwischen Unicredit und Commerzbank wäre der Verkauf des deutschen Ablegers der Unicredit, der HVB, an die Commerzbank. Dies könnte politisch angenehmer sein, da die Commerzbank als börsennotiertes Unternehmen mit Unicredit als dominierendem Investor erhalten bliebe.

Am ehrgeizigsten wäre es, wenn Orcel nicht nur eine vollständige Fusion erreicht, sondern in einem zweiten Schritt eine Transaktion mit einem anderen europäischen Institut abschließt, vielleicht mit einer größeren Investmentbank wie Barclays.

Wenn man die Commerzbank als Zwischenstation begreift, erklärt sich, warum sich überhaupt jemand, und noch dazu ein vermeintlich scharfsinniger Banker, an einem Institut beteiligen will, das seit langem dazu verdammt zu sein scheint, eine schlechte Performance abzuliefern.

Spitzname: „Comedybank“

Als ich vor mehr als 20 Jahren als Korrespondent der Financial Times in Frankfurt anfing, hatte die Commerzbank ganz klar den Anspruch, zu den Großen zu gehören. Am deutlichsten wurde dies in dem 259 Meter hohen, von Norman Foster entworfenen Turm, den sie als Hauptsitz in Auftrag gegeben hatte - damals das höchste Gebäude Europas - und in der Investmentbanking-Sparte, die wie ein Hedgefonds gemanagt wurde und merkwürdig schwankende Erträge erzielte. Milliardengewinne in einem Quartal, Milliardenverluste im nächsten. Schon vor den katastrophalen Übernahmen des Lokalrivalen Dresdner Bank und des Immobilienfinanzierers Eurohypo trug sie den Spitznamen Comedybank.

Nach Zeiten des Beinahe-Zusammenbruchs und der Angriffe von Geierfonds erscheint sie jetzt endlich wieder attraktiv, mit einer Eigenkapitalrendite von fast 9 Prozent, die sich dem europäischen Durchschnitt annähert. 

Die Unicredit, die derzeit doppelt so profitabel ist, hat sich ein mögliches Übernahme-Angebot verdient. Die Aktie der Unicredit wird zu rund 100 Prozent des Buchwerts ihres Nettovermögens gehandelt und liegt damit weit über den rund 60 Prozent, die die Commerzbank selbst nach der Aufregung um ein mögliches Angebot erzielt.

Für Unicredit ist der Deal auch deshalb interessant, weil die Bank damit ihren Marktanteil in der größten europäischen Volkswirtschaft ausbauen und eine Diversifizierung außerhalb ihres italienischen Heimatmarkts erreichen kann – wodurch sich der Aufschlag auf die Refinanzierungskosten der Bank aufgrund der niedrigeren Bonität Italiens verringern würde.

Rückendeckung aus Europa

Trotz der wahrscheinlichen Hürden für die Interessengruppen in Deutschland — insbesondere von Seiten der Politiker und Gewerkschaften – könnte Orcel einige Unterstützung gewinnen, indem er darauf verweist, dass die Konsolidierung des notorisch fragmentierten und ineffizienten deutschen Bankenmarktes der Wirtschaft des Landes helfen würde. Auch bei den europäischen Entscheidungsträgern dürften Orcels Ambitionen auf Unterstützung stoßen. Die Europäische Zentralbank, die einem Deal zustimmen müsste, fordert seit Jahren grenzüberschreitende Fusionen, die den Finanzbinnenmarkt stärken und dazu beitragen würden, die Lücke zu den Wall-Street-Giganten zu schließen, die derzeit den europäischen Investmentbanking-Markt dominieren.

Sollte es tatsächlich zu einem Deal kommen, wird Orcel wohl nicht gerne an die Parallelen zu 2007 und RBS-ABN erinnert werden: Damals entstand die größte Bank der Welt, die dann fast zusammenbrach und durch die britische Regierung vor dem Untergang gerettet werden musste. „Es war für alle ein Moment des Wahnsinns“, sagt einer von Orcels ehemaligen Kollegen. Vielleicht könnte die Unicredit-Commerzbank die Wiedergutmachung sein.

© 2024 The Financial Times Ltd.

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