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Zölle Erst E-Autos, jetzt Käse: Eskaliert die Streitspirale zwischen EU und China?

Frau in China im Supermarkt
China erwägt, Zölle auf Milchprodukte aus der EU zu erheben
© Xinhua / IMAGO
Der Handelszwist zwischen China und der EU droht in die befürchtete Streitspirale zu rutschen. China baut eine Drohkulisse mit Lebensmittelzöllen auf – wobei die Folgen begrenzt sein dürften

Hier erhebt die EU Zölle auf Elektroautos aus China, dort prüft China nun Zölle auf Milch und Käse aus der EU und offenbar auch auf Autos europäischer Hersteller: Der Handelsstreit zwischen der zweitgrößten Volkswirtschaft China und der Europäischen Union scheint sich hochzuschaukeln. Eine Streitspirale wurde schon vor Monaten befürchtet, nun könnte es tatsächlich dazu kommen.

Bundesregierung und EU-Kommission hoffen noch auf eine Lösung. Gleichzeitig ist die Meldung im Umlauf, dass die EU ihre Sonderzölle auf chinesische E-Autos für die Sommermonate ausgesetzt hat. Ein Friedensangebot? Die Hintergründe sind nicht ganz klar, ebenso wie der Stand der Gespräche. Erstmal scheint Peking mit der Prüfung von Lebensmittelzöllen aber eine neue Drohkulisse aufzubauen.

China baut mit Prüfung weiterer Zölle Drohkulisse auf

Am Mittwoch teilte das Handelsministerium in Peking mit, weitere Zölle auf Importe aus der EU zu prüfen. Dieses Mal soll es um Milchprodukte gehen wie verschiedene Käsesorten, Milch und Sahne. Die Untersuchung soll innerhalb von zwölf Monaten abgeschlossen sein. Anlass dafür sei eine Beschwerde chinesischer Branchenverbände der Milchindustrie von Ende Juli, heißt es. Tatsächlich dürfte es sich aber um eine Retourkutsche handeln für die Sonderzölle der EU auf chinesische E-Autos.

Bereits im Juni hatte China eine Antidumping-Untersuchung gegen Schweinefleischimporte aus der EU eingeleitet. Betroffen wären davon vor allem Spanien, die Niederlande und Dänemark. Der Gesamtwert der Exporte von EU-Schweinefleisch und -Milchprodukten nach China ist jedoch geringer als der Wert der chinesischen Exporte von Elektrofahrzeugen in die EU, lautet die Einschätzung des China-Experten Chim Lee vom Analysehaus Economist Intelligence Unit. 

Demnach exportierte die EU 2023 Milchprodukte im Wert von 1,7 Mrd. Euro nach China, nach 2 Mrd. Euro im Jahr 2022 und war damit nach Neuseeland Chinas zweitgrößter Lieferant für Milchprodukte. Besonders hart von Zöllen auf Milchprodukte getroffen, würde in diesem Bereich Frankreich. Der Importwert von Schweinefleisch und dessen Nebenprodukten aus EU-Ländern belief sich chinesischen Angaben zufolge 2023 auf mehr als 3 Mrd. Euro. Zusammen ist das aber immer noch deutlich weniger als der Wert chinesischer E-Auto-Exporte in die EU. Dieser lag 2023 bei 13,5 Mrd. Dollar. Chinesische Zölle auf Milchprodukte würden die EU daher weniger hart treffen als China die EU-Zölle auf E-Autos.

Offenbar hat China aber ebenfalls ausländische Autobauer mit Blick auf mögliche Importzölle im Visier. Wie das Handelsministerium mitteilte, habe man mit Experten, Industrieverbänden und Branchenvertretern über Vorschläge beraten zu einer Erhöhung von Zöllen auf importierte Verbrenner-Autos mit großen Motoren. Neu ist dieses Szenario nicht. Im Mai hatten „Insider“ gewarnt, dass die betroffenen Fahrzeuge in China mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegt werden könnten. Das würde auch deutsche Autobauer hart treffen.

Insgesamt wollen die Chinesen sogar 20 Subventionsprogramme aus EU-Ländern prüfen: Es geht vor allem um die gemeinsame Agrarpolitik der EU-Staaten sowie nationale Programme insbesondere aus Österreich, Belgien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Finnland, Italien, Irland und Rumänien. Möglicherweise dient das für China nur der Gesichtswahrung und hat für die EU keine ernsthaften Folgen – schließlich hat die chinesische Industrie Überkapazitäten, muss exportieren und ist dabei auf die EU angewiesen. Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern die Drohkulisse aus China nun eine mögliche Lösung des Streits beeinflusst.

Unklar, ob Zölle auf chinesische E-Autos tatsächlich kommen

Auslöser für den Streit waren die Sonderzölle der EU auf E-Autos chinesischer Hersteller. Der EU-Kommission zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der Union hergestellte Modelle. Die EU wirft China vor, dort produzierte Elektroautos übermäßig zu subventionieren. Dies sorge für unfaire Wettbewerbsvorteile und bremse das Umstellen der europäischen Autobauer auf mehr Elektromobilität. 

Eigentlich wollte die EU also die heimische Industrie schützen, könnte aber die Reaktion der Chinesen unterschätzt haben. Denn die Regierung in Peking kritisiert die Importzölle der EU scharf und hat Anfang August sogar die Welthandelsorganisation (WTO) angerufen. Die Antisubventionsuntersuchung der EU stehe im Widerspruch zu den Regeln der WTO und sei ein Akt des unlauteren Wettbewerbs unter dem Deckmantel des fairen Wettbewerbs, teilte das Handelsministerium in Peking mit. Brüssel beharre auf seinem falschen Vorgehen und sollte lieber konkrete Maßnahmen ergreifen, um einer Eskalation in dem Handelsstreit vorzubeugen. 

Von Mitarbeitern der EU-Kommission heißt es, dass immer noch Verhandlungen mit Peking möglich seien, um die Zölle abzuwenden. Bisher haben Gespräche aber kein Ergebnis gebracht. Am Dienstag hatte die EU-Kommission zunächst die Zollsätze verkündet, die auf die einzelnen Herstellermarken erhoben werden sollen. Für den chinesischen Hersteller BYD sieht die EU beispielsweise einen endgültigen Zollsatz von 17 Prozent vor, für SAIC den Höchstsatz von 36,3 Prozent.

Eigentlich sollten diese bereits rückwirkend ab dem 1. Juli gelten. Laut der Kommission werden nun aber die rechtlichen Voraussetzungen für eine rückwirkende Erhebung von Zöllen nicht erfüllt. Die Entscheidung, ob die Strafzölle tatsächlich kommen, soll bis Ende Oktober bekanntgegeben werden. Ob es sich bei dieser Frage bloß um eine Formalität handelt oder die EU damit einen Schritt auf China zugehen will, ist unklar.

Bundesregierung hofft auf Einigung

Die Bundesregierung setzt unterdessen auf weitere Gespräche mit China und hält eine „einvernehmliche Lösung“ weiterhin für „wünschenswert“. Eine Eskalation des Handelsstreits würde beiden Seiten schaden, sagte Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Die Entscheidung der EU-Kommission habe die Bundesregierung zur Kenntnis genommen und werte diese aus. 

„Klar ist aber auch, dass wir von der chinesischen Seite ernsthaft Bewegung und Fortschritte benötigen“, sagte Büchner. Ziel sei es, einen fairen Handel zu haben und nicht neue Schranken aufzubauen. Es gelte der Appell an China, sowohl die Überkapazitäten der dortigen Industrie als auch die hohen Subventionen anzugehen.

Auch VW-Chef Oliver Blume hatte im Juli bei Gesprächen mit dem chinesischen Handels- und Industrieminister für ungehinderte Handelsbeziehungen geworben. Die deutschen und europäischen Autobauer stehen den Zöllen insgesamt kritisch gegenüber.

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