Eigentlich war bei den Fluggesellschaften nach Ende der Coronapandemie alles auf Wachstum gestellt, besonders das Angebot nach China sollte ausgebaut werden. Schließlich wollten auch die Airlines aus Europa und den USA von der wachsenden Wirtschaft und Zahl an Touristen profitieren. Noch im Frühjahr kündigte die größte deutsche Airline Lufthansa an, ihre Flugkapazitäten von und nach China auf 70 Prozent des Vor-Corona-Niveaus zu steigern.
Einige Monate später ist die Lage völlig anders: Chinas Wirtschaft steckt weiter in der Krise, die geopolitischen Spannungen haben sich sogar noch verschärft und mehrere westliche Fluggesellschaften haben nun angekündigt, ihre Kapazitäten nach China auszudünnen. Die deutsche Lufthansa aber hält fest an ihren 40 wöchentlichen Slots von München und Frankfurt nach Peking, Schanghai und Hong Kong – trotz rückläufiger Erlöse im asiatischen Markt.
Größeres Flugangebot in Asien drückt die Preise
„Wir verzeichnen einen marktbedingten Rückgang der Durchschnittserlöse um 10 Prozent in Asien“, teilt ein Lufthansa-Sprecher auf Capital-Anfrage mit. Grund dafür sei, dass sowohl die Lufthansa als auch andere Airlines ihr Flugangebot in der Region im Vergleich zu 2022 um über 20 Prozent erhöht hätten und das die Preise gedrückt habe. Besonders zu fernöstlichen Zielen stünden die Durchschnittserlöse unter Druck. Inwiefern es beim China-Angebot zu Preiseinbrüchen gekommen ist, will Lufthansa nicht kommentieren.
Der „ARD“ teilte die Airline aber zuletzt mit, dass die Maschinen nach China derzeit zu mehr als 90 Prozent ausgelastet seien. Lufthansa-Chef Carsten Spohr äußerte sich noch im Juni verhalten zum China-Geschäft. Die Marge sei „nicht so doll“, sagte er. „China ist ganz schwierig zur Zeit, weil die chinesischen Carrier so viele Kapazitäten auf den Markt werfen.“ Trotzdem will Lufthansa nach „ARD“-Informationen bislang keine China-Verbindungen streichen – möglicherweise auch, um der chinesischen Konkurrenz nicht das Feld zu überlassen.
Die Lufthansa nimmt damit einen anderen Kurs als ihre westliche Konkurrenz. British Airways etwa, will ab Ende Oktober für ein Jahr nicht mehr von London nach Peking fliegen, im vergangenen Jahr für die Airline noch „eine der wichtigsten“ Routen. Virgin Atlantic streicht ab Herbst ebenfalls seine einzige China-Strecke nach Schanghai, die australische Airline Qantas hat ihren Flug Sydney-Schanghai aus dem Programm genommen.
Sperrung des russischen Luftraums lässt Kosten steigen
Anders als Qantas haben europäische Airlines vor allem ein Problem: Der russische Luftraum ist für sie gesperrt. Sie müssen einen Umweg fliegen, der von London nach Peking beispielsweise eine zweieinhalb Stunden längere Flugzeit bedeutet und kostspielig ist. Treibstoff macht allein 25 bis 30 Prozent der Betriebskosten für einen Flug aus, dazu ist das Personal länger im Einsatz.
Chinesische Airlines haben dieses Problem hingegen nicht, sie dürfen weiterhin über Russland fliegen. „Europäische Airlines befinden sich mit China, ebenso wie mit den Fluggesellschaften vom Persischen Golf und Bosporus, in einem extrem ungleichen Wettbewerb“, erklärt ein Lufthansa-Sprecher auf Capital-Anfrage. Neben niedrigeren Standortkosten, würden sie aktuell zusätzlich von Kostenvorteilen durch die kürzeren Routen profitieren.
Diese Vorteile nutzen die chinesischen Wettbewerber etwa, um ihren Anteil an internationalen Flügen zu erhöhen und haben mit ihrem Angebot schon fast wieder Vorpandemieniveau erreicht. Branchendaten zeigen, dass die großen chinesischen Airlines wie Air China und China Eastern, die auch in Frankfurt landen, bei 90 Prozent ihrer internationalen Flüge im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 liegen. Westliche Airlines sind erst bei 60 Prozent, Lufthansa immerhin bei den angestrebten 70 Prozent. Die einzigen Nonstop-Flüge zwischen Mexiko und China werden gerade aber beispielsweise von chinesischen Fluggesellschaften angeboten.
US-Airline berichten von „dramatisch“ gesunkener Nachfrage
Internationale Airlines haben aber nicht nur das Routen-Problem, sondern auch mit einer sinkenden Nachfrage nach Chinaflügen zu kämpfen. Qantas begründete ihre Streichung damit, dass die Flugzeuge teilweise halbleer geflogen seien. United Airlines berichtete von einer „dramatisch“ gesunkenen Nachfrage. Das belegen auch Daten vom Branchenverband Airlines for America, denen zufolge die Nachfrage für Nonstop-Flüge zwischen den USA und China 2024 um 76 Prozent geringer war als 2019. Das verlangsamte chinesische Wirtschaftswachstum dürfte dabei eine Rolle spielen ebenso wie die geopolitischen Spannungen.
Gewerkschaften und Luftfahrtunternehmen in den USA werfen der Regierung in Peking eine wettbewerbsfeindliche Politik vor. Bereits im April warnten sie in einem Schreiben an die Regierung davor, dass „das Wachstum des chinesischen Luftverkehrsmarktes unkontrolliert fortgesetzt“ werde, ohne Rücksicht auf einen gleichberechtigten Zugang zum Markt.
Auch die Konkurrenz aus Nahost nutzt die aktuelle Lage am Markt: Emirates aus Dubai hat die Kapazitäten in Richtung China vollständig wiederhergestellt, Gulf Air aus Bahrain hat im Frühjahr erstmals zwei chinesische Städte ins Programm genommen.