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Billig-Importe aus China Verstopfen Temu und Shein mit ihrer Waren-Schwemme die Luftfracht?

Handybildschirm mit den Apps von Temu und Shein
Die chinesischen Online-Händler Temu und Shein sind auch bei deutschen Shoppingfans beliebt
© TT / IMAGO
Die Nachfrage nach Luftfracht aus China ist hoch. Online-Händler wie Temu und Shein fliegen bis zu 5000 Tonnen täglich aus. Das führt auch zu Zollproblemen

„Shoppe wie ein Milliardär“ – so warb der chinesische Online-Händler Temu in den vergangenen Wochen rund um die Spiele der Fußball-EM. Die Werbebotschaft scheint anzukommen: Zusammen mit der Ultra-Fast-Fashion-Marke Shein überschwemmt Temu den europäischen Markt mit Billigware. Beide Firmen liefern Sommerkleider, Schraubendreher-Sets und Spielzeug direkt aus China bis zur Wohnungstür der Kundinnen und Kunden – ohne Zwischenhändler oder Lagerhäuser, retournierte Ware wird vernichtet. Schätzungen zufolge sollen die beiden Anbieter allein nach Deutschland etwa 400.000 Pakete pro Tag versenden.

Die hohe Nachfrage aus China bekommt vor allem die Luftfrachtbranche zu spüren, schließlich sollen alle Waren schon wenige Tagen nach Bestellung bei den Kundinnen und Kunden ankommen. Laut Branchenkennern beanspruchen Chinas grenzüberschreitende E-Commerce-Sendungen etwa ein Drittel der weltweiten Langstrecken-Frachtflugzeugkapazität.

Chinesischer Online-Handel wächst um 23 Prozent

Dass das Wachstum der Online-Händler aus Fernost massive Mengen an Transportkapazität benötigt, bestätigt auch ein Unternehmenssprecher des Logistikers DB Schenker auf Nachfrage von Capital: „Wir stellen fest, dass die gestiegene Nachfrage nach Luftfracht vornehmlich aus China anhält, insbesondere wegen wachsender Transportvolumen aus dem Bereich E-Commerce.“

Laut Handelsministerium der Volksrepublik China stiegen die Umsätze aus grenzüberschreitendem Onlinehandel von 103 Mrd. Euro im Jahr 2019 auf 239 Mrd. Euro im Jahr 2023. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 23 Prozent. Besonders viele Pakete aus China verlassen das Land Richtung USA (35 Prozent) und Europa (25 Prozent), wovon etwa ein Viertel nach Deutschland versendet wird. Allein Shein und Temu sollen jeweils 4000 bis 5000 Tonnen Waren pro Tag ausfliegen. Dafür buchen sie mitunter ganze Flugzeuge.

Um die Luftfrachtraten, also die Preise, die die Online-Händler für die Beförderung per Flugzeug zahlen, entsprechend niedrig zu halten, parken sie ihre Ware alternativ an Flughäfen: Oft haben Passagierflugzeuge noch Platz und können sogenannte Beifracht kostengünstiger mitnehmen – ohne Abstriche bei der Lieferzeit. Die Branche beobachtet allerdings, dass die neuen Direct-E-Commerce-Händler inzwischen auch langfristiger planen und teils direkt mit Fluggesellschaften mehrjährige Charterverträge abschließen.

Weitere Branchen wollen per Luft befördern

Die Gefahr, dass chinesischen Online-Verkäufer wie Temu und Shein andere Luftfracht-Kunden verdrängt könnten, sei laut Branchenexperten allerdings unwahrscheinlich. E-Commerce sei weiterhin nur eine von vielen Branchen, die auf Luftfracht setzen. Bei DB Schenker etwa verwende man „den Großteil der Luftfrachtkapazität weiterhin für Bestands- und Neukunden aus anderen Branchen, zum Beispiel für die Automobil-, Halbleiter- und Elektronikindustrie“.

Die Luftfrachtkapazitäten verstopfen Temu und Shein bisher nicht. Auf eine plötzlich ansteigende Nachfrage sei die Branche mittlerweile eingestellt. Regelmäßig komme es zu Ereignissen, welche den Markt innerhalb weniger Monate erheblich beeinflussen. Während der Corona-Pandemie lösten etwa die Transporte von Masken und Impfstoff solche Buchungsausschläge nach oben aus. 

Derzeit führen die fortwährenden Attacken der Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer dazu, dass Firmen ihre Güter anteilig von der See auf Luftfracht verlagern. Bei Lufthansa Cargo blickt man auf Sheins und Temus Wachstum sogar positiv: Eine maximale Auslastung der Flotte erhöhe die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.

China-Pakete unterlaufen Zollgrenze

Die anhaltende Import-Schwemme aus China bereitet allerdings an anderer Stelle Schwierigkeiten: Spezielle Zollbestimmungen begünstigen das Wachstum der chinesischen Online-Händler. Für Päckchen unter einem Warenwert von 150 Euro entfallen derzeit Zollgebühren bei der Einfuhr. Der EU-Kommission zufolge könne die Ausnahmeregelung Händler dazu ermutigen, größere Sendungen in kleinere Pakete aufzuteilen, um unterhalb der Grenze zu bleiben.

Allein im vergangenen Jahr sollen rund 2 Milliarden Pakete mit einem erklärten Warenwert von je unter 150 Euro aus Drittstaaten nach Europa gelangt sein. Bei rund 65 Prozent dieser Lieferungen könne der Wert absichtlich zu gering deklariert worden sein, um von der Zollbefreiung zu profitieren. Das Nachsehen hätten kleinere und mittlere Unternehmen in der EU, die nur schwer mit den daraus resultierenden niedrigeren Verkaufspreisen konkurrieren können. Die EU will der Entwicklung nun mit einer Zollreform begegnen.

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