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Kolumne Wolfgang Schäuble: Was bleibt nach dem „isch over“?

Wolfgang Schäuble gibt sein Amt als Finanzminister auf
Wolfgang Schäuble gibt sein Amt als Finanzminister auf
© Getty Images
Schwarze Null im Staatshaushalt und erfolgreiche Krisenbewältigung in Europa: Holger Schmieding zieht eine Bilanz der Jahre von Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister.

Solch eine Erfolgsbilanz kann kaum ein Minister vorweisen. Als Vater der schwarzen Null im deutschen Staatshaushalt und als treibende Kraft wichtiger Reformen in Europa v erlässt Wolfgang Schäuble das deutsche Finanzministerium in ungewöhnlich gutem Zustand. Dass sogar eine vor Kurzem noch absonderlich anmutende „Jamaika“-Koalition in Berlin denkbar und wahrscheinlich geworden ist, liegt auch an ihm. Dank Schäubles Sparsamkeit kann Deutschland in den nächsten Jahren gleichzeitig die Steuern senken, die ökologische Wende vorantreiben und mehr für innere Sicherheit sowie die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern ausgeben. Selbst für eine digitale Modernisierung dürfte das Geld reichen, ohne den Bundeshaushalt wieder tief in die roten Zahlen zu führen. Geld ist und bleibt das beste Schmiermittel der Politik. Wenn jede Partei dank der guten Haushaltslage einige ihrer Kernforderungen durchsetzt, kann selbst Jamaika funktionieren.

Natürlich stand Schäuble auch das Glück des Tüchtigen zur Seite. Als er vor acht Jahren sein Amt übernahm, war die große Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 bereits weitgehend überwunden. Der Drang vieler Anleger, ihr Geld im Nachgang der Finanz- und Euro-Krisen in den als besonders sicher geltenden Bundesanleihen zu parken, hat die Zinskosten des Bundeshaushalts drastisch gesenkt. Zudem erfreut sich Deutschland als Folge der Reformen der Agenda 2010 aus dem Jahr 2003 heute eines Beschäftigungswunders, das sich auch in sprudelnden Steuereinnahmen zeigt.

Aber ein Finanzminister mit weniger Durchsetzungskraft und politischem Weitblick hätte wohl auch unter diesen günstigen Umständen keine schwarze Null erreicht. In den USA und Großbritannien haben Konjunktur und Arbeitsmarkt sich in den vergangenen acht Jahren mindestens so gut entwickelt wie in Deutschland. Dennoch schleppen diese Länder weiterhin hohe Defizite im Staatshaushalt von nahezu drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung mit sich herum, während Deutschland einen Überschuss von knapp einem Prozent erwirtschaftet.

Schäuble zeigte Varoufakis seine Grenzen auf

In der Europapolitik verkörpert Schäuble einen Ansatz, der sich letztlich bewährt hat: Europa hilft seinen Krisenländern. Aber es setzt dafür Bedingungen, damit die Länder künftig weniger anfällig für solche Krisen werden. Trotz mancherlei Problemen geben die Ergebnisse ihm recht: Mit Spanien, Portugal Irland und Zypern gehören vier der fünf Länder, die ihre europäischen Partner zwischenzeitlich um Hilfe bitten mussten, heute zu den Spitzenreitern beim Wachstum auf dem Kontinent. Statt eine Transferunion aufzubauen, die ähnlich wie der innerdeutsche Finanzausgleich oftmals falsche Anreize setzt, verfügt die Eurozone heute über ein System echter Hilfe zur Selbsthilfe, das Reformen belohnt.

Ausnahmen bestätigen die Regel. In Griechenland hat der Ansatz lange Zeit keine Früchte getragen. Aber dass Hellas erst jetzt statt bereits 2015 auf den Wachstumspfad zurückgefunden hat, hat nichts mit Schäuble und viel mit einem gewissen Yanis Varoufakis zu tun. In seinem halben Jahr als griechischer Finanzminister hat der linksradikale Blender Anfang 2015 durch eine völlig unnötige Konfrontation mit Athens Gläubigern so viel Kapital aus dem Lande getrieben, dass das arg gebeutelte Land zunächst in eine Rezession zurückfiel. Schäuble trug wesentlich dazu bei, diesen Scharlatan schließlich in seine Schranken zu weisen. Auch das kann Schäuble sich als eine seiner Leistungen anrechnen.

In der Europapolitik unterlief Schäuble allerdings auch sein größter Schnitzer. Ob er im Frühjahr 2011 mit seiner Diagnose Recht hatte, dass Griechenland einen Schuldenschnitt brauche, lässt sich kontrovers diskutieren. Aber die Folgen hatte er nicht hinreichend durchdacht. Als Europa auf Drängen Schäubles im Juli 2011 beschloss, den privaten Gläubigern Griechenlands einen „freiwilligen“ Schuldenverzicht von etwa 53 Prozent aufzuerlegen, löste dies eine Massenflucht der Anleger aus spanischen und italienischen Anleihen aus. Dieser Panik hatte die Eurozone zunächst wenig entgegenzusetzen. Während die griechische Krise bis dahin die Konjunktur andernorts kaum beeinträchtigt hatte, fiel die Eurozone im Herbst 2011 abrupt in eine neue Rezession. Selbst für die vergleichsweise starke deutsche Wirtschaft zeichnete sich im Sommer 2012 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung an. Schließlich war es der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi der im Juli 2012 mit einem Machtwort die Krise beendete und Deutschland vor einer drohenden Rezession bewahrte.

Die Lektion der Jahre 2011 und 2012 ist klar: Es geht nicht ohne einen Kreditgeber der letzten Instanz. Dass Schäuble und Angela Merkel im Jahr 2015 Griechenland vor die Wahl stellen konnten, entweder zu einer Reformpolitik zurückzukehren oder aus dem Euro auszuscheiden, lag auch daran, dass die Eurozone sich mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und dem OMT-Programm der EZB die notwendigen Instrumente geschaffen hatte, um die bei einem Athener Euro-Austritt drohenden Turbulenzen schnell beherrschen zu können. Zu seinem eigenen Glück hat Athen sich Mitte 2015 dafür entschieden, lieber auf Varoufakis als auf den Euro zu verzichten.

Eurozone steht heute viel besser da

Aus Fehlern zu lernen, gehört zu den Merkmalen erfolgreicher Politiker. Trotz mancher Detailkritik hat Schäuble die in Deutschland umstrittene Politik der Europäischen Zentralbank immer wieder in Schutz genommen. Dank der Reformen der europäischen Institutionen im Zuge der Eurokrise und dank der Fortschritte in vielen Mitgliedsländern steht die Eurozone heute wesentlich besser da als vor fünf Jahren. Daheim hat Schäuble gerade wegen seiner allgemeinen Sparsamkeit im Bedarfsfall immer die Mittel bereitstellen können, um unerwartete Krisen wie den Zustrom der Flüchtlinge im Herbst 2015 zumindest finanziell stemmen zu können.

Als Präsident des Deutschen Bundestages steht Schäuble jetzt vor neuen Herausforderungen. Die Chancen stehen gut, dass er diese besondere Aufgabe zum Abschluss seiner großen politischen Karriere hervorragend meistern wird. Wer Varoufakis abserviert und Europa alles in allem auf Kurs gehalten hat, wird es wohl auch mit der AfD im Bundestag aufnehmen zu können.

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Er schreibt hier regelmäßig über makroökonomische Themen.

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