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Influencer-Marketing Wie Shell mit Games und Instagram sein Image verbessern will

Shell ist eines der weltweit größten Mineralöl- und Erdgasunternehmen
Shell ist eines der weltweit größten Mineralöl- und Erdgasunternehmen
© Achille Abboud / IMAGO
Kaum ein Ölunternehmen gibt so viel Geld für Influencer-Marketing aus wie Shell. Das Ziel: das eigene Image unter jungen Menschen aufzupolieren. Aktivisten kritisieren eine „zynische Taktik“

Shell verfolgt eine neue Marketing-Strategie für junge Menschen: Aktuell stellt der Konzern Mitarbeiter ein, die für Online-Spiele werben, sponsert Influencer, die mit Autos auf virtuellen Strecken Rennen fahren, und unterstützt Sportler, die auf Instagram „die nächste Generation“ inspirieren sollen. Damit will der Öl- und Gaskonzern sein Markenimage bei einer jüngeren Generation von Verbrauchern aufpolieren.

„Ich werde vom Ozean angetrieben“, sagt zum Beispiel Sage Erickson, zweifache US-Open-Surf-Siegerin, zu ihren 310.000 Instagram-Followern in einem von Shell gesponserten Video, das letzten Monat veröffentlicht wurde. Sie spricht darin über ihre Karriere und den Wunsch, der nächsten Generation Werte wie persönliche Entfaltung und Gemeinschaftssinn zu vermitteln.

Die Kampagne ist nur eine von mehreren aktuellen Initiativen von Anbietern fossiler Brennstoffe auf Plattformen , die bei jungen Menschen beliebt sind. Klimaschützer fordern daher, dass die Regulierungsbehörden gegen diese Art von Werbung vorgehen, so wie sie es bei Tabak- und Alkoholunternehmen getan haben.

Influencer als Werbeträger

Erickson, die auf ihren Social-Media-Kanälen auch für die Nachhaltigkeit der Ozeane wirbt, erwähnt Shell oder dessen Produkte in dem Video nicht. Weder sie noch andere Influencer der Shell-Kampagne „Performance Unbound“ reagierten Anfragen der „Financial Times“.

Vor kurzem schrieb Shell eine Stelle als „Head of Digital Amplification Platforms“ aus, um seine Social-Media-Aktivitäten zu leiten und in seine Strategien „Games sowie immersive Erfahrungen zu integrieren“. Mittel zum Zweck sind dabei Partnerschaften mit Meta, Youtube, X, Tiktok und Linkedin. Bereits im letzten Jahr stellte Shell einen Tiktok-Manager ein, eine Plattform, die vor allem von jungen Menschen genutzt wird.

In einer Kampagne mit dem Titel „Ultimate Road Trips“ arbeitete Shell in diesem Sommer mit Gamern zusammen, um in dem Videospiel „Fortnite“ maßgeschneiderte Online-Rennstrecken mit Shell-Tankstellen zu erstellen. Anschließend wurden Influencer gesponsert, die Videos von sich selbst beim Spielen des Spiels auf die Streaming-Plattform Twitch hochluden. Über Instagram-Anzeigen wurde auch ein Shell-Fahrspiel für Mobiltelefone beworben, das im App Store von Apple erhältlich ist.

Laut einer UN-Studie aus dem Jahr 2021 sind junge Menschen häufiger als jede andere Gruppe der Meinung, dass der Klimawandel ein Notfall ist. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Pew Research zeigen, dass 66 Prozent der nach 1996 geborenen Amerikaner neue Offshore-Öl- und Gasbohrungen ablehnen – mehr als jede andere Kohorte.

„Sie zielen auf junge Menschen ab, weil sie positive Assoziationen bei einer Gruppe von Menschen wecken wollen, die sonst nichts mit ihnen zu tun haben wollen“, sagt Duncan Meisel, Direktor von Clean Creatives. Die Initiative ruft Werbe- und PR-Firmen dazu auf, ihre Verbindungen zu Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, zu kappen.

Shell erklärte, dass seine globalen Werbe- und Marketingkampagnen „eine Reihe von Kanälen und Initiativen nutzen, um zu erklären, was Shell weltweit sowohl im Bereich der traditionellen Kraftstoffe als auch der erneuerbaren Technologien im Zuge der Energiewende tut“. Jegliche Werbung für Kraft- und Schmierstoffe ziele „natürlich auf Menschen im fahrbereiten Alter ab“.

Werbebudget so groß wie niemand sonst

Bei Shells Gaming-Initiativen geht es allerdings um Produkte auf Basis fossiler Brennstoffe wie Benzin und Motoröl, nicht um erneuerbare Energien. Und natürlich steht es dem Unternehmen frei, für seine Ölprodukte auch bei Personen unterhalb des Führerscheinalters zu werben, da fossile Brennstoffe nicht unter Altersbeschränkungen fallen, wie sie etwa im Vereinigten Königreich für Alkohol, Glücksspiele und E-Zigaretten gelten.

Die Unternehmen der Branche veröffentlichen keine Zahlen zu ihren Werbeausgaben, aber einige Datenanbieter schätzen, dass Shell unter den von ihnen beobachteten Unternehmen für fossile Brennstoffe die höchsten Ausgaben für digitale Werbung tätigt. Comvergence, eine Analysefirma für Mediabudgets, schätzt, dass Shell im Jahr 2023 weltweit 270 Mio. Dollar für Werbung ausgeben wird, wobei 58 Prozent davon auf digitale Medien entfallen. BP wird voraussichtlich 219 Mio. Dollar ausgeben, davon 58 Prozent für digitale Werbung, gefolgt von Exxonmobil mit 96 Mio. Dollar

Sensor Tower, das die digitale Werbung in den USA analysiert, schätzt, dass Shell in diesem Jahr insgesamt 3,8 Mio. Dollar allein für Tiktok und Twitch ausgegeben hat. Der Konzern hat dabei mehr als 348 Millionen Impressions erzielt, so eine Analyse der Forschungsgruppe Media Matters.

Tiktok reagierte nicht auf Anfragen der „Financial Times“. Das Unternehmen veröffentlicht auch keine demografischen Daten seiner Nutzer. Mehr als 70 Prozent der Zuschauer auf Twitch, für das Shell laut Sensor Tower in diesem Jahr knapp 700.000 Dollar ausgegeben hat, sind zwischen 18 und 35 Jahre alt. Zu den Bemühungen anderer Ölkonzerne gehört eine Tiktok-Challenge, die letztes Jahr von der asiatischen Chevron-Tochter Caltex ins Leben gerufen wurde und bei der die Nutzer aufgefordert wurden, einen Rap zu singen. Vorgegebener Text: „Sobald mein Tank zu drei Vierteln oder weniger voll ist, gehe ich zu Caltex.“

Die britische Aufsichtsbehörde für Werbung verbot kürzlich Werbespots von Shell, dem spanischen Energiekonzern Repsol und dem malaysischen Unternehmen Petronas, weil sie in ihren Behauptungen über Nachhaltigkeit nicht genügend Kontext über die Auswirkungen ihres Unternehmens als Ganzes geliefert hätten. 

„Zynische Taktik“

Der neue Shell-Chef Wael Sawan hat bereits Pläne zur Aufrechterhaltung der Ölproduktion, zur Ausweitung des Gasgeschäfts und zur Reduzierung von Teilen des kohlenstoffarmen Portfolios vorgestellt, während er gleichzeitig betont, dass das Unternehmen weiterhin bestrebt sei, ein „Multi-Energie“-Unternehmen zu werden und die Emissionen zu senken.

Nach dem britischen Verbraucherschutzgesetz, das dem Green Claims Code der Wettbewerbsbehörde zugrunde liegt, sollten Unternehmen darauf achten, dass sie Verbraucher, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Leichtgläubigkeit gefährdet sind, nicht ausnutzen. Einige fordern strengere Kontrollen. „Die Jugendkultur auszunutzen, um für fossile Brennstoffe zu werben, ist eine zynische Taktik, um junge Menschen in die Zerstörung ihrer eigenen Zukunft zu verwickeln“, sagte Veronica Wignall, Co-Direktorin der Kampagnengruppe Adfree Cities, die ein generelles Verbot von Werbung durch umweltverschmutzende Unternehmen fordert.

Geraint Lloyd-Taylor, Partner im Werbe- und Marketingteam der Londoner Anwaltskanzlei Lewis Silkin, sagte jedoch, dass die Werbung keine besonderen rechtlichen Risiken berge. „Der Punkt der Ausgewogenheit ist von großer Bedeutung, da jeder akzeptiert, dass man fossile Brennstoffe nicht einfach abschalten kann. Alle diese Unternehmen haben Klimaneutralitätspläne für 2050, also weiß ich nicht, welches Problem es lösen würde, ihnen zu verbieten, für sich selbst zu werben.“ Er räumte jedoch ein, dass sich etwas verschieben könnte. „Während es vor einigen Jahren noch in Ordnung war, dass Fast-Food-Ketten bei jungen Leuten für ihre Marken warben, hat sich die Haltung jetzt verhärtet. Es könnte sein, dass das Klima gegenüber Energieunternehmen in Zukunft genauso sein wird.“

© 2023 Financial Times Ltd.

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