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Voice of America Wie ich auf den Hund kam

Hunde sind in den USA Big Business
Hunde sind in den USA Big Business
© Quinn Kampschroer / Pixabay
Haustiere sind Big Business in den USA: Letztes Jahr gaben die Amerikaner 75 Mrd. Dollar für ihre Lieblinge aus, Gassigehen ist mittlerweile ein Wirtschaftszweig

Ich glaube, meine Nachbarin hält mich für einen weirdo, jemanden, mit dem etwas nicht stimmt. Der Grund: Anders als gefühlt 99 Prozent der Nachbarschaft habe ich keinen Hund. Kürzlich wollte mir die nette Dame sogar einen der drei Welpen schenken, die durch ihren handtuchgroßen Vorgarten tobten. Mein Argument, ich sei zu viel unterwegs, ließ sie nicht gelten – es gebe doch mehrere Hunde-Kitas in der Nähe.

Haustiere sind Big Business in Amerika. Fast 70 Prozent aller Haushalte haben Hund, Katze oder ein sonstiges Kleintier, für die 2019 rund 75 Mrd. Dollar ausgegeben wurden. Morgens vor acht und abends nach sechs ziehen Kolonnen von Hundehaltern durch die Straße, in der einen Hand das Plastiktütchen, in der anderen die Leine, mit Anhang in Größe S bis XXL. Die Stadtverwaltung von Washington hat im Internet eine interaktive Karte geschaltet, auf der man den nächstgelegenen Hundepark ausfindig machen und auch gleich die Einrichtung eines weiteren beantragen kann.

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Natürlich schafft das Spannungen. Im Reichenvorort Chevy ­Chase Village entbrannte kürzlich ein Streit ums Hundegebell, der Schlagzeilen schrieb, weil die Frau des Federal-Reserve-Chefs Jerome Powell in ihn verwickelt war. Es war das „kontroverseste und emotional am stärksten aufgeladene Thema“ in der Geschichte der Gemeinde, berichtete ein Ratsmitglied.

Wer sich in New York für ein paar Millionen Dollar in eine Wohngenossenschaft einkaufen will, muss neben der Steuererklärung, Kontoauszügen und Empfehlungsschreiben heute oft auch seinen Hund zum Vorstellungsgespräch beim Beirat mitbringen. Das „Wall Street Journal“ widmete diesem Zeitgeistphänomen kürzlich eine ganze Seite mit Tipps. Die Basislösung ist, den Hund vor der Prüfung durch einen langen Spaziergang zu ermüden. Eine Besitzerin hypnotisierte ihren Begleiter mit einem Stück Truthahn in der Manteltasche. Auch Pharmaprodukte kommen zum Einsatz. Nicht immer erfolgreich – Ablehnungen wegen des Hunds seien nicht ungewöhnlich, berichtete ein Makleranwalt der Zeitung.

Weil viele Hundebesitzer mehr Geld als Zeit haben, blüht die Gassigeh-Wirtschaft. Über die Apps Rover oder Wag! lässt sich das halbstündige Ausführen für 20 Dollar outsourcen. Im Profil wird zum Beispiel hinterlegt, ob der Wauwau gerne kleine Tiere jagt. Rover verspricht den Hundesittern, dass sie monatlich 1000 Dollar dazuverdienen können, als Fulltime-Job mit zwei bis drei Hunden gleichzeitig sogar 3300 Dollar. Der Autor Francis Tapon behauptet auf seiner Seite, dass 60.000 Dollar im Jahr drin sein können.

Wenn es mit dem Journalismus mal nicht mehr läuft, kann ich vielleicht die Hunde meiner Nachbarin ausführen.

Unsere Kollegin Ines Zöttl lebt und arbeitet in Washington. Sie schreibt jeden Monat über Politik und Wirtschaft in den USA. Hier finden Sie weitere Kolumnen aus der Reihe Voice of America

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