Anzeige
Anzeige

Gastbeitrag Wie eine schlechte Verhandlung eine Regierungskrise auslösen kann

Kein Verhandlungsgeschick: Kanzlerin Merkel, Innenminister Seehofer und SPD-Chefin Nahles
Kein Verhandlungsgeschick: Kanzlerin Merkel, Innenminister Seehofer und SPD-Chefin Nahles
© dpa
Der erste Maaßen-Deal ist ein Musterbeispiel für eine schlechte Verhandlung. Bei der Bayern-Wahl könnte es die Quittung dafür geben. Jack Nasher erklärt, warum es bei Verhandlungen darauf ankommt, dass alle am Ende gut dastehen

Der Grad der verhandlungstaktischen Ungeschicktheit dieses „Deals“ ist kaum in Worte zu fassen. Er ist derart miserabel, dass er die Koalition stürzen könnte und zu einer Erstarkung der Rechten bei den anstehenden Landtagswahlen führt.

Zur Erinnerung noch einmal zum Hintergrund: Es kursierte ein Video im Netz, bei dem mutmaßliche Flüchtlinge von einem Mob in Chemnitz gejagt werden. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zweifelte an der Echtheit des Videos, woraufhin er für nicht mehr tragbar erklärt wird. Innenminister Horst Seehofer klammert sich an seinen Spitzenbeamten und die Verhandlungen der Koalition begannen, mit einem unerwarteten Ergebnis: Maaßen sollte zum Staatssekretär befördert werden. Es kommt zum Aufschrei in der Bevölkerung. SPD-Chefin Andrea Nahles fordert Nachverhandlungen. Nun wird in Seehofers Innenministerium ein neuer Posten für Maaßen geschaffen, nämlich „Sonderbeauftragter für europäische und internationale Fragen“ – bei unveränderter Besoldung.

Wege zum Deal

Warum klammert sich die CSU überhaupt derart an Maaßen? Nun, am 14. Oktober sind in Bayern Landtagswahlen. Die CSU möchte den Erfolg der AfD in Bayern verhindern, dazu gehört es auch, sich zum kritischen Maaßen zu bekennen. Doch das Fischen in rechten Gewässern ist schmutzig.

Und die SPD? Die Parteivorsitzende Nahles stimmt dem ersten Deal zu, auch wenn dafür Baustaatssekretär Gunther Adler, ein SPD-Mann, seinen Platz hätte räumen müssen. Öffentlich schimpfte sie über die Personalie, die sie selbst beschlossen hatte – reines Theater. Das hat auch die Bevölkerung erkannt, weshalb Nahles Nachverhandlung verlangte.

Das neue Verhandlungsergebnis ist inhaltlich richtig. Und wäre es von Anfang an bei einer Versetzung geblieben, hätte die SPD ihr Gesicht gewahrt, ebenso wie Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Schon nach dem ersten Deal sagte Seehofer der Bild: „Es ist nicht verlangt worden, Maaßen in den Ruhestand zu versetzen – sondern zu versetzen“. Warum nicht gleich so?

Die Fehler

Alle Beteiligten haben hier unklug verhandelt. Nahles hätte dem ersten Deal selbstverständlich niemals zustimmen dürfen. Aber auch Seehofer lag falsch. Natürlich hat er hier auf den ersten Blick gewonnen. Doch es nützt in den seltensten Fällen, seinen Verhandlungspartner zu vernichten. Nicht nur, dass er selbst in seiner Maaßen-Unterstützung zu weit ging – er schadete damit seinem vermeintlichen Partner SPD erheblich. Denn es war klar, dass diese Entscheidung für die SPD nicht vermittelbar sei. Damit hat Seehofer sich selbst und der Koalition einen Bärendienst erwiesen.

Und auch Kanzlerin Merkel hat unklug gehandelt, weil sie sich aus der Sache raushielt. Sie hätte Seehofer bremsen müssen. Oder gar darauf bestehen müssen, Maaßen in den Ruhestand zu versetzen. Damit hätte sie Profil gezeigt und Stärke ausgestrahlt. Schließlich war es Maaßens Aufgabe als Beamter, seine „Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen“ und nicht, Politik zu machen.

Warum das alles?

Politische Verhandlungen sind verworren, weil die Motivlage es ist. Die berechtigte Angst vor der AfD benebelt hier jede Vernunft. Die Koalitionspartner wollen Neuwahlen um jeden Preis verhindern.

Doch der Schuss ging nach hinten los und der faule Deal hat allen nur geschadet. Seitdem sind die Umfragewerte für die Parteien der Großen Koalition weiter gesunken, während die Werte für die AfD steigen. Und am Rande bezichtigen sich Seehofer und Nahles auch noch der Lüge darüber, wer den neuen Deal überhaupt vorgeschlagen hat.

Der 14. Oktober wird entscheidend: Das Ergebnis der Bayern-Wahl wird CSU und CDU zeigen, ob Seehofers Kalkül aufgegangen ist und Merkels Entgegenkommen gerechtfertigt war. Die Wählerinnen und Wähler werden die Angelegenheit bald vergessen haben, nicht aber die Parteifreunde. Sollte die CSU abstürzen und der Ausflug in rechtspopulistische Gewässer misslungen sein, wird sie sich neu erfinden müssen – es werden alte Köpfe rollen. Und auch Merkel wird anders verhandeln, falls sie dann überhaupt noch am Verhandlungstisch sitzen darf.

Jack Nasher

Jack Nasher leitet das Nasher Verhandlungsinstitut und berät Unternehmen weltweit in entscheidenden Verhandlungen. Er ist Professor an der Munich Business School und lehrte vorher an der Oxford University, an der er auch studierte. Nasher ist zurzeit Fakultätsmitglied der Stanford University

Mehr zum Thema

Neueste Artikel