Bisher trotzte der deutsche Arbeitsmarkt der schwachen Konjunktur, doch nun hinterlässt der Wirtschaftsabschwung immer deutlichere Spuren: Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland, die in den vergangenen 15 Jahren auf immer neue Rekordwerte gestiegen ist, könnte bald erstmals wieder sinken.
Im ersten Halbjahr 2023 ging der Zuwachs der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland gegenüber den entsprechenden Monaten des Vorjahres bereits kontinuierlich zurück – von etwa einer halben Million Stellen auf nur noch 234.000 im Juni dieses Jahres (neuere Zahlen liegen noch nicht vor). „Wenn dieser Trend so weitergeht, werden wir in absehbarer Zeit einen Rückgang der Beschäftigung sehen – bei gleichzeitig steigenden Arbeitslosenzahlen. Das wird die Lage am Arbeitsmarkt deutlich verändern“, räumen auch hochrangige Regierungskreise in Berlin ein.
Bislang konnte die Bundesregierung trotz einer leichten Rezession und schwacher Wachstumsaussichten argumentieren, der Arbeitsmarkt sei stabil. Und tatsächlich ist die Arbeitslosenquote mit 5,8 Prozent im August zwar leicht gestiegen, aber immer noch weit entfernt von Werten in früheren Schwächephasen der Wirtschaft. Allerdings mehren sich die Warnsignale: So beruht der Anstieg der Beschäftigung in diesem Jahr allein auf dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte – die Zahl der deutschen Arbeitskräfte ging gegenüber dem Vorjahr bereits um fast 100.000 zurück. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, hatte bereits bei der Vorstellung der Augustzahlen gewarnt, „dass die Entwicklung in den kommenden Monaten eher mäßig verlaufen wird“.
Sorgen bereitet neben dem absehbaren Rückgang der Beschäftigung auch die Zunahme der Kurzarbeit: Die Zahl der Kurzarbeitenden stieg von April bis August um 15 Prozent auf 163.000. Die Konjunkturexperten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute schraubten zuletzt ihre Konjunkturerwartungen für dieses und das nächste Jahr deutlich herunter: Ifo, RWI und DIW rechnen allesamt damit, dass Deutschlands Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 0,3 bis 0,5 Prozent schrumpfen wird. Für 2024 wird inzwischen nur noch mit einem kleinen Plus um etwa ein Prozent gerechnet.