„Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz).“ §8 Abs. 1 AÜG
Zeit- oder auch Leiharbeit hat bis heute ein klägliches Image. Im Kopf haben die meisten dabei arme Fließbandarbeiter oder Pflegehelfer, die die gleiche Arbeit machen wie ihre fest angestellten Kollegen, aber weniger Geld erhalten – Beschäftigte zweiter Klasse. Dieses Elend hatte auch die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vor Augen, als sie 2017 das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nachbesserte: Schluss mit „Ausbeutung und Lohndrückerei“, versprach die SPD-Politikerin. Das Gesetz war zugleich ein Bruch mit dem Erbe von Gerhard Schröder. Der frühere Bundeskanzler hatte Vorschriften für die Leiharbeitsbranche gekippt, um den Arbeitsmarkt flexibler zu machen – und so einen Boom ausgelöst.
Zwei Änderungen sollten die Leiharbeit aufwerten. Leiharbeiter sollten ab dem ersten Tag so viel verdienen wie die Stammbelegschaft („Equal Pay“). Außerdem wurden die Verträge auf 18 Monate beschränkt. Viel gebracht hat das aber nicht laut einer aktuellen Evaluierung im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums. Das Urteil des Studienleiters Andreas Koch, Wissenschaftler am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen, fällt deutlich aus: „Ich sehe keine Wirkung.“
Leiharbeiter verdienten auch bei gleicher Qualifikation nach wie vor deutlich weniger (bis zu 20 Prozent). Grund: Die Vorschrift „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt faktisch für die meisten erst ab dem neunten Monat, da für sie bis dahin der Tarifvertrag der Zeitarbeit maßgeblich ist. Eine Falle, in der rund 90 Prozent der Leiharbeiter stecken. Zudem könne die Lohnerhöhung weiter herausgeschoben werden, sagt Koch. Eine Farce sei auch die Befristung: Die meisten Einsätze sind ohnehin kürzer – und für längere Laufzeiten gebe es viele Schlupflöcher. Das Fazit Kochs: Das Gesetz sei „gut gemeint, aber schlecht gemacht“.
Auch vom erhofften dauerhaften Einstieg des Leiharbeiters in die Stammmannschaft ist wenig zu sehen. So gab es im Jahr 2022 etwas über 800.000 Leiharbeiter (im Mittel bis Mitte des Jahres). Ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung liegt damit bei 2,2 Prozent, etwas weniger als vor fünf Jahren. In einzelnen Branchen kehren sich die Verhältnisse neuerdings sogar um. So ziehen es inzwischen immer mehr Pflegekräfte vor, in der Zeitarbeit zu bleiben. Wegen des Fachkräftemangels sind ihre Löhne deutlich höher als die des Stammpersonals. Viele können sich Jobs und Dienste auswählen – und wechseln, wenn ihnen die Arbeitsbedingungen nicht passen.
Testurteil mangelhaft