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Unstatistik Wie die Einordnung von Schnelltests für Missverständnisse sorgt

Schnelltests sollen Klarheit über eine Infektion mit dem Coronavirus schaffen
Schnelltests sollen Klarheit über eine Infektion mit dem Coronavirus schaffen
© Ralph Lueger / IMAGO
In der Corona-Pandemie gelten Statistiken, Analysen und Kennziffern als Symbole eindeutiger Fakten. Warum dieser Anspruch nicht immer der Wirklichkeit entspricht, erklären die Experten der Unstatistik für eine Rechnung zu den Corona-Schnelltests

Angesichts der Unsicherheit in der Eindämmung des Coronavirus gelten wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen als Anker, um die Lage rund um die Pandemie und mögliche Gegenmaßnahmen einzuschätzen. Gerade Rechnungen mit relativen Häufigkeiten und bedingten Wahrscheinlichkeiten bergen allerdings oft das Risiko, falsch interpretiert zu werden.

Jüngstes Beispiel ist die Infografik des Robert-Koch-Instituts (RKI), die dabei helfen soll, die Testergebnisse von Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV2 zu verstehen. Die Grafik stellt dabei zwei Szenarien gegenüber: Das gezielte Testen von Personen mit Corona-Symptomen und das Testen von Menschen mit und ohne Symptomen bei Massentests.

Massentests liefern deutlich mehr falsche Positiv-Ergebnisse

Für beide Fällen geht das RKI von einer Grundgesamtheit von 10.000 Menschen aus. Beim gezielten Testen sind darunter 1000 Menschen mit Corona infiziert, im Szenario für den Massentest sind es fünf Infizierte. Danach schlüsselt die Grafik auf, wie viele Testpersonen ein positives oder ein negatives Testergebnis erhalten.

Die Massentests zeigen dabei: Nur 0,01 Prozent der Testpersonen erhalten ein negatives Testergebnis, sind aber eigentlich mit Corona infiziert. Das Risiko fälschlicherweise als infiziert zu gelten, liegt dagegen bei 98 Prozent.

Beim gezielten Testen steigt das Risiko eine falschen negativen Testergebnisses auf 2,2 Prozent an. Viel deutlicher unterscheiden sich die Szenarien dagegen für falsche positive Testergebnisse. Hier sinkt das Risiko auf 18,4 Prozentpunkte – und ist damit fast um ein Fünftel geringer als bei den Massentests.

„Die unausgesprochene Botschaft dieses Szenario-Vergleichs ist kaum zu überlesen: Man sollte sich nur testen lassen, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt beziehungsweise typische Symptome auftreten. Aber ist die Situation wirklich so eindeutig?“, fragen die Experten der Unstatistik.

Die Einordnung von Schnelltests

So sei der Anteil von fünf Infizierten auf 10.000 Getestete im Massentest-Szenario angesichts der derzeitigen Inzidenzwerte kaum wahrscheinlich. Stattdessen wäre eine Dunkelziffer von 100 Infizierten unter 10.000 Massengetesten realistischer. Das Risiko in diesem Fall, fälschlicherweise ein negatives Testergebnis zu erhalten, liegt bei 0,2 Prozent, steigt also kaum merklich an.

„Umkehrt sind die Auswirkungen jedoch erheblich“, erklären die Experten der Unstatistik. Demnach liegt das Risiko fälschlicherweise als positiv zu gelten, bei 71,2 Prozent. Das Risiko sinkt aufgrund des höheren Anteils an Infizierten um mehr als ein Viertel – und lässt die Ergebnisse im Massentest gar nicht mehr so schlecht wie im RKI-Beispiel dastehen.

Für die Experten der Unstatistik ist der Fall ein Beispiel, warum gerade relative Häufigkeiten immer wieder missverstanden werden: „Das liegt daran, dass das Rechnen mit bedingten Wahrscheinlichkeiten sehr abstrakt ist“. Natürliche Häufigkeiten machten es dagegen leichter, die korrekte Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung aus den Testergebnissen abzuleiten.

Unabhängig von den Verhältnissen verringern die trotzdem die Unsicherheit über den eigenen Gesundheitszustand – insbesondere, wenn das Testergebnis negativ ausfällt. Doch auch in diesem Fall herrscht keine hundertprozentige Absicherung vor. Denn eine Infektion auch wenige Tage nach einem negativen Testergebnis auftreten.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.
Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de . Im Campus Verlag erschienen ist das Buch „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“ .

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