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China Wie das Coronavirus China und die Weltwirtschaft trifft

Mit Mundschutz und Plastikflaschen über dem Kopf wollen sich chinesische Kinder vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen
Mit Mundschutz und Plastikflaschen über dem Kopf wollen sich chinesische Kinder vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen
© Getty Images
Das Coronavirus betrifft zwar in erster Linie China, doch schon jetzt sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft spürbar. Die Frage ist, wie schlimm es wird?

Würde man auf dem Reißbrett einen guten Standort für einen Verkehrsknotenpunkt innerhalb Chinas suchen, fiele die Wahl wahrscheinlich auf Wuhan. Die Stadt liegt nicht nur am Ufer des größten Flusses Chinas, dem Yangtse, sondern auch in der geographischen Mitte des Landes (klammert man die dünn besiedelten Außenprovinzen einmal aus). Trotzdem gilt Wuhan noch als Second-Tier-City, als Stadt der zweiten Reihe. Denn während die Städte an der Ostküste - Peking, Schanghai und Shenzhen - schon früh boomten, war Wuhan lange Zeit ein Zentrum der veralteten Schwerindustrie. Erst in den vergangenen zehn Jahren begann man, Wuhan fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Heute hat Wuhan eine der größten Universitäten Chinas. Deren Betrieb allerdings ruht nun vorerst - genau wie alles andere in Wuhan.

Schon jetzt hinterlässt das Coronavirus erste Spuren im Wirtschaftsgeschehen. Eine ganze Provinz mit rund 40 Millionen Einwohnern ist von der Außenwelt abgeschnitten. Der Schulbeginn wurde in vielen Teilen des Landes um zwei Wochen verschoben, die Börseneröffnung vorerst ausgesetzt. Peking hat die Ferienwoche quasi um zwei weitere Wochen verlängert. Die Stadt Schanghai hat angekündigt, Fabriken um eine weitere Woche geschlossen zu halten. Die amerikanische Café-Kette Starbucks hat die Hälfte ihrer Filialen geschlossen, der japanische Autohersteller Toyota die Produktion gestoppt. Der Verkauf von Kino-Karten ist völlig zusammengebrochen. Der Hangseng, der Index der Hongkonger Börse , eröffnete nach drei Tagen Handelspause am Mittwoch mit 2,5 Prozent im Minus, und gab seitdem weiter nach. Lufthansa und ihre Töchter haben bis auf weiteres alle Flüge nach China gestrichen .

Infografik: Neues Virus greift um sich | Statista

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Das sind derzeit alles nur Momentaufnahmen. Zu quantifizieren ist der wirtschaftliche Schaden nur schwer. Einziger Anhaltspunkt ist bisher die Sars-Pandemie aus dem Jahr 2003. Damals erkrankten weltweit knapp 8100 Menschen, 774 starben – der überwiegende Teil in China und Hongkong. Der Tourismus brach ein. Die Umsätze im Einzelhandel gingen um die Hälfte zurück. Der Flugverkehr innerhalb Asiens schrumpfte um die Hälfte. Zwischen einem und drei Prozent Wachstum kostete das die Volksrepublik während dieser Zeit.

Der Schaden wird spürbar sein

Doch Chinas Wirtschaftsleistung betrug damals kaum mehr als ein Fünftel des heutigen Werts. Trug das Land damals vier Prozent zur globalen Wirtschaftsleistung bei, sind es heute 16 Prozent. Die globalen Lieferketten sind 17 Jahre nach Sars um ein Vielfaches verflochtener. China war damals die Werkbank der Welt, heute ist es der größte Markt. Internationale Automobilhersteller zum Beispiel setzen dort mehr Produkte ab als in jedem anderen Land. 2003 reisten gerade einmal 20 Millionen Chinesen ins Ausland, heute sind es fast achtmal so viele. Und schon heute haben sich mehr Menschen mit dem Coronavirus infiziert als damals. Die Frage ist jetzt: Wie rasant breitet es sich weiter aus?

Doch selbst, wenn die Quarantäne-Maßnahmen auf Wuhan beschränkt bleiben und das Virus in den kommenden Tagen abebbt - der Schaden wird spürbar sein. Wuhan ist eben längst mehr als ein Standort veralteter chinesische Stahlindustrie: Laut Bloomberg steht die 11-Millionenstadt in der Rangfolge chinesischer Städte für globale Lieferketten auf Platz 13. Internationale Autohersteller wie PSA und General Motors haben hier Werke. Aus diesem Grund hat sich hier auch der deutsche Mittelständler Webasto angesiedelt. Mitarbeiter des Herstellers von Autodächern haben das Virus in den vergangenen Tagen nach Deutschland gebracht.

Natürlich wird Peking alles versuchen, um gegenzusteuern. Am Dienstag gab die Zentralbank bekannt, zusätzlich Liquidität in Form günstiger Kredite für Unternehmen bereitzustellen. Möglich, dass Peking zu anderen Maßnahmen greift. Doch als sicher gilt schon jetzt: Das erste Quartal 2019 ist ein verlorenes.

Eine nicht steuerbare Krise

Chinas Wachstum hatte sich zuletzt ohnehin schon deutlich verlangsamt. Sechs Prozent wuchs das Bruttosozialprodukt im vergangenen Jahr. Das ist weit entfernt von den zweistelligen Boom-Raten des vergangenen Jahrzehnts. Aber es geschieht nach Plan. Anstatt Billig-Wachstum getrieben durch gewaltige Infrastrukturprojekte setzt man mittlerweile mehr auf den Konsum im eigenen Land. So wollen die kontroll-fixierten Kader in Peking ein „Soft Landing“ der Wirtschaft steuern. Selbst der Handelskonflikt mit den USA ließ sich bisher managen. Ein Virus aber ist ein „Schwarzer Schwan“, ein unvorhersehbares Ereignis.

Chinas Wachstum (Jahresraten, vierteljährlich)

source: tradingeconomics.com

Mancher internationale Konzern dürfte der Coronavirus Anlass zum Nachdenken liefern, ihre Lieferketten zu diversifizieren und ihre Abhängigkeit von China zu verringern - etwas, was US-Präsident Donald Trump und China-Falken in Washington seit langem wollen.

Philipp Mattheis berichtet für Capital aus China. Von 2012 bis 2015 war er China-Korrespondent für die Wirtschaftswoche

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