Das Jahr 2017 startet mit einer guten Nachricht: Zum ersten Mal seit 2011 gibt es berechtigten Grund zur Hoffnung, dass die Weltwirtschaft ohne größere konjunkturelle Krisenherde durchs Jahr kommt. Zwar ist der US-Zyklus extrem reif, er wird aber vermutlich durch die zu erwartende Schuldenpolitik der Trump-Administration noch ein wenig länger am Leben gehalten. Zudem hat Europa nach 2013 die Euro-Krise überwunden. Hier befindet sich der Konjunkturzyklus eher in einer mittleren, stabilen Phase, die in den meisten Fällen auch mit unvorhergesehenen Schocks relativ gut zurechtkommt. Und das Gros der Schwellenländer scheint sich langsam aber sicher aus der seit 2012 anhaltenden Wachstumsschwäche zu lösen.
Dagegen war – als Spiegelbild – die Phase von 2011 bis 2016 durch rollierende Krisen gekennzeichnet: zunächst eben der Euro-Krise bis 2013 und anschließend Schwellenländer-Schwäche, die im Fall von Rohstoffökonomien wie Brasilien ab Ende 2014 sogar in eine tiefe Rezession mündete.
Diese Asynchronität der jüngeren Vergangenheit muss man aus wirtschaftlicher Perspektive sicher erst einmal richtig einordnen. Oberflächlich betrachtet kommt man zu dem Schluss, dass die Weltwirtschaft zwischen 2011 und 2016 mit durchschnittlich 2,6 Prozent insgesamt wie auch jede größere Region für sich genommen langsamer gewachsen ist als in der Phase vor der Finanzkrise mit 3,3 Prozent. Das ist richtig, aber auch falsch zugleich. Hier ein einfaches arithmetisches Experiment: Nimmt man die niedrigere durchschnittliche Wachstumsrate aller Weltregionen über den von Krisen begleiteten Zeitraum 2011 bis 2016 und rechnet sie auf die Weltwirtschaft hoch, wäre das Wachstum um rund 0,2 Prozent und damit 125 Mrd. US-Dollar jedes Jahr höher ausgefallen als dies tatsächlich der Fall war.
Ansteckende Disinflation
Die Asynchronität alleine hat also schon Spuren hinterlassen. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass es zu potenzierenden Effekten, sogenannten Multiplikatoreffekten gekommen sein dürfte, wo die Schwäche des einen Teils der Welt negativ auf die anderen abgestrahlt hat.
Hinzu kommt, dass diese Asynchronität vermutlich gerade auch bei der Inflation deutliche Spuren hinterlassen haben dürfte. Eines der ökonomisch interessantesten Phänomene der jüngeren Vergangenheit ist die ausgesprochen verhaltene Reaktion des Preisauftriebs auf die jeweils nationale Konjunkturlage. Besonders deutlich zu beobachten ist das an den niedrigen Kerninflationsraten in Deutschland und in den USA. Beide scheinen trotz naher Vollbeschäftigung kaum in der Lage, steigende Kerninflationsraten zu produzieren.
Erklären lässt sich dies vor allem darüber, dass sich die Preissetzung der Unternehmen nur zum Teil an nationalen Gegebenheiten orientiert, dafür zunehmend aber am internationalen Umfeld. Es ist eines der gängigsten Phänomene überhaupt, dass Volkswirtschaften selbst nach Ende einer Wirtschaftsflaute erst einmal rund zwei weitere Jahre rückläufige Inflationsraten aufweisen und diese über entsprechend schwache Exportpreise auch ans Ausland weitergeben. Der jeweils Schwache steckt also über diesen Kanal den Starken mit seiner Disinflation und den damit einhergehenden niedrigen Zinsen an.
Ein – zumindest vorläufiges – Ende der weltweit rollierenden Krisen ist also aus mehreren Gründen positiv. Erstens, weil es über Multiplikatoreffekte zusätzliche Wachstumsperspektiven eröffnet. Zweitens, weil auch ein wesentlicher Treiber für Niedriginflation und Niedrigzinsen schwindet. Leider kann im Moment nicht zwingend damit gerechnet werden, dass die Resynchronisierung mehr ist als ein Zwischenhoch. Dazu ist der globale Konjunkturzyklus wie eingangs skizziert zu stark gespreizt. Aber es könnte ein Anfang sein.
David Milleker ist seit 2006 Chefvolkswirt bei Union Investment, einer der größten deutschen Fondsgesellschaften. Sie gehört zur genossenschaftlichen Finanzgruppe.
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