Bundesbankpräsident Jens Weidmann möchte, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe etwas für verfassungswidrig erklärt, das nie passiert ist – und die deutschen Steuerzahler bisher keinen Cent gekostet hat. Allein auf Grund der Tatsache, dass er das Gefühl hat, dass irgendwann, irgendwie der Ankauf von Staatsanleihen (das sogenannte OMT-Programm) den Steuerzahler einen Haufen Geld kosten könnte – wobei Weidmann nicht das geringste Anzeichen einer Möglichkeit eines solchen Falles aufzeigen kann.
Mr. und Mrs. Germany, wenn jemand hier Steuergeld verschwendet, dann könnte das Herr Weidmann sein, weil er sich mit der schwachen Klage gemein gemacht hat, die vergangene Woche in Karlsruhe verhandelt wurde.
Der Hauptgrund, warum das OMT-Programm die Märkte beruhigen konnte (und damit die existentielle Bedrohung für den Euro lindern) ist der, dass es eine glaubwürdige Drohung gegenüber Spekulanten ist. Im Prinzip sagt die EZB: "Wenn ihr weiter Staatsanleihen der Peripherie verkauft, werden wir Euch fertig machen." Sobald diese Drohung ihre Glaubwürdigkeit verliert – und das würde geschehen, wenn man der Ankündigung Grenzen auferlegt – wäre das Programm zerstört.
Was aber würde passieren, wenn der Druck der Märkte erbarmungslos ist und die EZB kaufen und kaufen müsste? Würde nicht genau das – also etwa der Ankauf großer Summen von italienischen Anleihen – den Deutschen genau einem Risiko aussetzen?
Die Antwort lautet: nein. Denn Italien müsste in dem Fall einem harten Reformprogramm zustimmen, damit die EZB das Land stützt. Und sobald ein Land reformiert, lässt auch der Druck der Märkte nach. Herr Weidmann argumentiert so, als ob der einzige Weg zu Reformen in den Peripherieländern über Strafzinsen laufe.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die EZB hohe Verluste mit den Staatsanleihen erleidet, weil die Märkte die Reformen in den Ländern eingepreist haben. Es ist nicht ausgeschlossen – aber sehr, sehr unwahrscheinlich.
Kann Karlsruhe das "grenzenlose" OMT-Programm für verfassungswidrig erklären, auf Grund der geringen Wahrscheinlichkeit, dass es scheitert – obwohl es bisher ein Erfolg ist und die Märkte beruhigt hat? Wenn das Bundesverfassungsgericht so entscheidet, wird die Gefahr zunehmen, dass die deutschen Steuerzahler tatsächlich Geld verlieren. Denn die Zinsen an der Peripherie würden dramatisch steigen. Irgendwann müsste Deutschland dann einspringen und zahlen, um einen Kollaps des Euro zu verhindern. Außerdem würden die Deutschen hohe Verluste erleiden mit den Anleihen, die sie bereits jetzt halten.
Die Wahrheit ist doch die: OMT hat die deutschen Steuerzahler gerettet – die Ersparnisse der Deutschen würden pulverisiert, wenn Karlsruhe das Programm für verfassungswidrig erklärt. Im Gegensatz zu Angela Merkel, die OMT billigt, scheint Jens Weidmann das wahre Interesse der Deutschen nicht zu verstehen.
Melvyn Krauss ist emeretierter Professor für Volkswirtschaft an der New York University
Fotos: © Reuters; New York University