„Balli Balli“ – das ist eine südkoreanische Redewendung und heißt übersetzt soviel wie „schnell, schnell“. Eine Lebenseinstellung, die auch das südkoreanische Business bestimmt. Allerdings lässt sich dieser Tatendrang nur schwer mit der deutschen Bürokratie vereinbaren. Südkoreanische Unternehmen bekommen das derzeit verstärkt zu spüren. Immer mehr Mittelständler aus dem ostasiatischen Land zeigen Interesse am Produktionsstandort Deutschland.
Den Südkoreanern kann es nicht schnell genug gehen. „Es soll nicht länger als eine Woche dauern, bis die Firma im Handelsregister steht. Alles, was darüber hinausgeht, sorgt für Nervosität auf südkoreanischer Seite“, berichtet Martin Bernhardt im ntv-Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“.
Der Südkorea-Experte ist als Repräsentant von „Germany's Saarland“, der saarländischen Wirtschaftsförderung, häufig in Korea unterwegs und unterstützt dort Unternehmen bei der Expansion nach Deutschland. Seit ein paar Monaten registriert der Anwalt ein stärkeres Interesse am Produktionsstandort Deutschland.
Koreanische Zweigstelle in Saarbrücken
Im Saarland ist das besonders gut zu beobachten. Vorstandsspitzen von 23 südkoreanischen Unternehmen sind aktuell vor Ort, um Gespräche über einen Ausbau bestehender Wirtschaftsbeziehungen zu führen. Darunter sind Hersteller von Chipproduktionsanlagen sowie Robotik- und Biotechnologieunternehmen. Die Bereiche Cloudservices und IT-Security sind ebenfalls vertreten. Eine wichtige Anlaufstelle für die Delegation ist der Uni-Campus in Saarbrücken. Denn dort gibt es die weltweit einzige Zweigstelle des „Korea Institute of Science and Technology“. Der europäische Ableger des renommierten Forschungsinstituts unterstützt koreanische Firmen und Forscher bei der Expansion nach Europa.
Bei der saarländischen Wirtschaftsförderung ist die Freude über den Besuch groß. Hier hat man große Hoffnungen, dass sich die High Potentials aus Südkorea mit deutschen Unternehmen vernetzen. „Am Campus der Universität des Saarlands haben wir mehrere Forschungsinstitute in Bereichen, die für Gründer sehr interessant sind: Künstliche Intelligenz, IT, Materialwissenschaften und Cybersecurity zum Beispiel“, erklärt Bernhardt im Podcast.
Die Delegation besucht unter anderem das Deutsche Forschungszentrum für künstliche Intelligenz und das Institut für neue Materialien, aber auch Unternehmen wie Innocise, das eine auf dem Geckofuß basierende neue Greiftechnologie für Roboter entwickelt hat. Kommt es zu neuen Kooperationen, will man gemeinsam neue Patente entwickeln und globale Märkte erschließen.
Warum ist Deutschland für Südkorea interessant?
Das wirtschaftlich starke Deutschland hat aus koreanischer Sicht viel zu bieten: Attraktiv sind der Zugang zum größten nationalen Binnenmarkt innerhalb der EU und die zentrale Lage Deutschlands. Da der südkoreanische Markt vergleichsweise klein und isoliert ist, erreichen Wirtschaftsanwalt Martin Bernhardt vermehrt Anfragen von Technologie-Unternehmen aus dem dortigen Mittelstand.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein Standbein mitten in Europa für exportorientierte Unternehmen sein kann. Südkoreanische Firmen hätten die Bedeutung von Repräsentanzen und Tochterunternehmen in Europa erkannt, sagt Bernhardt, „um vor Ort tätig zu sein und unabhängig zu werden von zusammenbrechenden Lieferketten.“ Ein weiterer Pluspunkt ist die bestehende südkoreanische Community in Deutschland mit sozialen und kulturellen Netzwerken. Ein Anwerbeabkommen für Bergarbeiter und Krankenschwestern in den 1960er- und 70er-Jahren lockte viele Menschen aus Südkorea nach Deutschland. Generell genießt die Bundesrepublik ein hohes Ansehen bei den Menschen in Südkorea.
Zweitwichtigster Exportpartner in Asien
Für deutsche Unternehmen ist Südkorea nach China der wichtigste Exportmarkt in Asien. Vor allem Autos, Maschinen und chemische Erzeugnisse werden exportiert, klassische Consumer-Elektronics wie Kühlschränke, aber auch diverse Arzneimittel finden umgekehrt in großer Zahl den Weg nach Deutschland.
Die Hightech-Nation Südkorea zählt mittlerweile zu den stärksten Handelsmächten weltweit. Der Aufstieg von einem armen Land zur Handelsmacht sei „eine wirklich tolle Erfolgsgeschichte“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages im Podcast. Zu verdanken sei dieser rasante Fortschritt vor allem dem Pragmatismus in Südkorea.
Deutsche Unternehmen könnten von den schnellen, smarten und digitalen Geschäftsbeziehungen lernen und so ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit weiter steigern, findet Treier. Das wäre letztlich eine Win-win-Situation für beide Seiten. Dazu kommt, dass beide Staaten Demokratien mit demselben Wertesystem sind. „Wir sind auf der Suche nach Freunden, und die Südkoreaner sind Freunde.“
Dieser Artikel ist zuerst auf n-tv.de erschienen.