Ende März will die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen Critical Raw Materials Act vorstellen. Das Ziel: europäische Wertschöpfungsketten für strategisch wichtige Rohstoffe aufbauen und stärken. Eine wichtige Säule des Gesetzespakets soll der Aufbau einer Rohstoff-Kreislaufwirtschaft sein.
Während der Raw Materials Week, einer von der Kommission und Industriepartnern ausgerichteten Konferenz in Brüssel, betonte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der Gesetzesvorschlag solle auch konkrete Ziele für das Recycling kritischer Rohstoffe enthalten. In einem LinkedIn-Beitrag hatte er bereits im September als Beispiel das Ziel genannt, „dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der in den Abfallströmen enthaltenen Seltenen Erden zurückgewonnen werden.“
Auch eine auf der Veranstaltung vorgestellte Studie der KU Leuven im Auftrag des Verbands der europäischen Nichteisenmetallindustrie Eurometaux kommt zu dem Ergebnis: „Recycling ist Europas wichtigste Chance, seine langfristige Autarkie zu stärken“. Bis 2050 könnte es 45 bis 65 Prozent des europäischen Bedarfs an Basismetallen decken, für Batteriemetalle sogar bis zu 77 Prozent, und sogar einen Überschuss an Seltenen Erden liefern. „Europas sauberes Energiesystem wird sich auf dauerhafte Metalle stützen, die in einer Kreislaufwirtschaft unbegrenzt erhalten bleiben können“, heißt es in dem Bericht.
Strategische Subventionen für die Recyclingindustrie notwendig
Doch wie sieht es in der näheren Zukunft aus? Recycling müsse zwar eine wichtige Rolle in der Sicherung der Rohstoffversorgung spielen, sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der DG Grow. „Kurz- und mittelfristig werden wir aber weiterhin Primärrohstoffe benötigen.“ Die Studie der KU Leuven nennt einen Zeitraum von 20 Jahren, in denen neue Primärstoffe entscheidend für die europäische Energiewende sein werden. Dies liegt vor allem an dem explodierenden Bedarf an Lithium, Aluminium, Seltenen Erden und weiteren Rohstoffen. Es gibt jedoch einen weiteren Grund: Die Recyclingindustrie in Europa für die betroffenen Mineralien und Metalle befindet sich noch am Anfang.
„Bei den allermeisten sogenannten kritischen Rohstoffe sind die Recyclingquoten extrem niedrig. Man könnte sagen: nahezu null“, sagt Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie. Dabei steht mindestens die Hälfte dieser Mineralien und Metalle schon seit über zehn Jahren auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. „Wir haben es nicht geschafft, für irgendeinen dieser kritischen Rohstoffe eine Recyclingwertschöpfungskette aufzubauen, die jetzt einen signifikanten Impakt hätte, um die Primärrohstoffbasis zu entlasten.“
Laut dem Rohstoffforscher liegt dies jedoch nicht an einem Mangel an Ideen, Geldern und Laborexperimenten. Vielmehr hake es im letzten Schritt: im Hochskalieren der Experimente in den Industriebetrieb. Dies habe bislang weder in Deutschland noch anderswo in Europa funktioniert; das Risiko, welches den notwendigen Investitionen anhaftet, ist für den privaten Sektor einfach zu groß, erklärt Gutzmer.
Langer Produktzyklus zögert auch Recycling hinaus
„Das Einrichten einer Kreislaufwirtschaft für viele der Technologierohstoffe würde zunächst einmal eine Investition benötigen, ähnlich wie es die Erneuerbaren Energien gesehen haben.“ Auch der Aufbau einer Industrie für Solar- und Windenergie sei zunächst nicht wirtschaftlich gewesen. Der Staat habe hier durch Eingriffe in den Markt dafür gesorgt, dass sie sich entwickeln konnte.
In China seien solche strategischen Subventionen längst üblich. „Das müssten wir in Europa auch akzeptieren, müssen die Industrie erstmal in Gang bringen, um diese Hürde zu überwinden“, sagt Gutzmer. Dadurch könne man bei Hochtechnologiemetallen einen viel höheren Beitrag zum Recycling leisten.
Selbst wenn die Recyclingverfahren dann auf den Industriemaßstab hochgefahren sind, ist das verfügbare Material ein weiteres Problem: Die betroffenen Produkte haben meist lange Lebensdauern; die Batterie eines Elektrofahrzeuges etwa kann erst nach etwa 15 Jahren recycelt werden.
In Ländern wie China, wo es schon viel früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren.
Sekundärrohstoffe in Europa behalten
Deshalb sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass Sekundärrohstoffe nicht exportiert werden, sondern Teil der heimischen Rohstoffbasis bleiben, sagt Paolo Cerruti, COO von Batteriehersteller Northvolt. Er fordert ein Verbot für Exporte von recycelbaren Wertstoffen. „Wir müssen unsere eigenen Materialien innerhalb unserer Grenzen behalten“, sagte er diese Woche in Brüssel.
Anstatt sich zu sehr auf das Recycling zu konzentrieren, müssen Politik und Industrie außerdem andere Strategien der Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab vorantreiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Nachhaltigkeitsberatung Systemiq mit Unterstützung der European Climate Foundation. Dazu gehöre zum Beispiel, Carsharing-Angebote zu fördern, den Einsatz bestimmter Rohstoffe zu reduzieren sowie Produkte und Materialien länger in Verwendung zu halten.
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern längst verbindliche Ziele für eine Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs. Was für die Begrenzung von CO₂-Emissionen möglich war, muss auch für den Konsum von Rohstoffen und Gütern erreicht werden, erklärte ein Aktivist Europe.Table. Die Kommission habe sich offen für diese Idee gezeigt – wolle solche Ziele jedoch nicht mehr im laufenden Mandat formulieren.