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Betrugsfall Warum Investoren aus dem Fall Elizabeth Holmes nichts lernen werden

Elisabeth Holmes wurde wegen Betrugs verurteilt.
Elisabeth Holmes wurde wegen Betrugs verurteilt.
© IMAGO / ZUMA Wire
Der Betrugsfall rund um das Bluttest-Start-up Theranos hat die Risiken des Sektors offengelegt. Doch Risikokapitalgeber werden ihr Verhalten kaum ändern, für viele überwiegen noch immer die Chancen

Die Geschworenen brauchten sieben volle Tage, um nach einem dreimonatigen Prozess zu dem Schluss zu kommen, dass sich Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes in vier Fällen des Betrugs schuldig gemacht hat. Die Start-up-Welt hatte gespannt zugesehen, aber hauptsächlich wegen des Spektakels – nicht, weil irgendjemand wirklich geglaubt hat, dass das Urteil zu einer wesentlichen Änderung des Verhalten bei der Beschaffung von Risikokapital führen würde.

Holmes wurde für schuldig befunden, die Investoren des Bluttest-Start-ups um Hunderte von Millionen Dollar betrogen zu haben. Das sollte Investoren dazu anspornen, ihre Portfolio-Unternehmen genauer unter die Lupe, insbesondere in der ganz speziellen Welt des Gesundheitswesens. Der Schuldspruch legt nahe, dass sich Gründer davor hüten sollten, sich von ihrem Optimismus zu maßlosen Übertreibungen hinreißen zu lassen. Aber in dem aufgeheizten Markt für Start-up-Investitionen dürfte kaum jemand bereit sein, das Tempo zu drosseln.

„Ich glaube nicht, dass ein Urteil die Art und Weise ändern wird, wie Gründer und VCs im Ökosystem arbeiten“, sagte Angela Lee von der Columbia Business School. Sie leitet 37 Angels, ein Investitionsnetzwerk, das sich auf digitale Gesundheitsfirmen im Frühstadium konzentriert. „Es geht um Angebot und Nachfrage, und und es gibt ein enormes Angebot an Kapital mit der entsprechenden Auswahl an großartigen Unternehmen.“

Wenn Investoren um den Einstieg in eine Finanzierungsrunde konkurrieren, können sie einen Rivalen unter anderem durch Schnelligkeit ausstechen. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich höre: ,So-und-so ist bei diesem Deal dabei, das ist ein namhafter VC, Sie haben fünf Tage Zeit – sind Sie dabei oder nicht‘“, sagte sie. „Die Leute wollen nichts verpassen. Ich sehe nicht, dass die Sorgfaltspflicht größer ist. Wenn überhaupt, dann habe ich in den letzten Jahren eher festgestellt, dass die Zeit für die Prüfung kürzer geworden ist.“

Der Theranos-Prozess scheine die Investoren nicht dazu zu veranlassen, ihre Sorgfaltspflicht zu überdenken, sagt Lee. „Ich habe niemanden sagen hören: ‚Oh, das sollte mich dazu bringen, anders zu suchen‘ – niemanden“, sagt sie. „Das Ganze wird wie obszöner Klatsch oder eine unterhaltsame Geschichte behandelt.“

„Es ist nicht leicht zu erkennen, wo da die Grenze verläuft“

Für Gründer kann es auch verwirrend sein, Lehren aus Holmes' Fall zu ziehen, so Lee. Holmes wurde vorgeworfen, die Zahl der Partnerschaften ihres Unternehmens aufgebauscht zu haben. Sie gab während des Prozesses zu, dass sie Logos von zwei Pharmariesen in Berichte eingefügt hatte, die sie an potenzielle Investoren weiterreichte. Daraus konnte man schließen, dass Theranos von den betreffenden Pharmafirmen unterstützt wurde. Doch Holmes war nicht befugt, die Logos zu nutzen.

Lee zufolge stehen Gründer ständig unter Druck, ähnliche Fälschungen zu begehen, wie das Logo eines Kunden auf einem Pitch Deck zu platzieren und zu suggerieren, dass ein Geschäft in Arbeit ist, obwohl es sich noch nicht in diesem Stadium befindet. „Die Leute sagen ständig, dass etwas in der Mache ist, wenn man gerade ein nettes Gespräch mit ihnen geführt hat“, so Lee. „Ist das eine falsche Darstellung? Ich würde behaupten, dass 15 Prozent der Gründer das jeden Tag tun. Es ist nicht leicht zu erkennen, wo da die Grenze verläuft.“

Immer noch müssen sich Start-up-Gründer, wenn sie Frauen sind und mit Gesundheitstechnologie zu tun haben, Vergleiche mit Holmes gefallen lassen – sowohl implizit als auch explizit. Das Urteil wird daran wahrscheinlich nichts ändern. Andy Coravos, CEO und Mitbegründerin des Gesundheitstechnologie-Start-ups Human First, sagte, sie sei für eine strenge Sorgfaltspflicht der Investoren, vor allem wenn es um die Patientenversorgung geht, sie möchte aber, dass sich diese an alle Gründer richtet, nicht nur an Frauen. „Unternehmen sollten eine hohe Messlatte haben, und diese Messlatte sollte universell gelten“, sagte sie.

Wenn die Leute eine weibliche Gründerin sehen und an Holmes denken, spiegelt das wider, wie wenige Frauen Start-ups gründen, sagte Lux Capital-Partnerin Deena Shakir. Das Unternehmen investiert in Start-ups im Bereich Gesundheit und Wissenschaft. Sie plädiert dafür, Holmes nicht als Repräsentantin eines bestimmten Gründertyps anzusehen. „Sollen wir jetzt so tun, als ob alle Stanford-Gründer oder alle Stanford-Abbrecher dieses Verhalten an den Tag legen?“

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