Nach dem letzten Skiurlaub war Volker Emde klar: Das linke Knie ist hinüber. Mit Hyaluron-Spritzen ließ sich die fortschreitende Arthrose zwar noch ein bisschen aufhalten, doch der behandelnde Orthopäde legte dem 60-Jährigen nahe: „Da muss Ersatz her.“ Eigentlich ein Routineeingriff, 200 000-mal pro Jahr werden in Deutschland künstliche Kniegelenke eingesetzt. Doch Emde, Lehrer für Sport und Geschichte und seit vielen Jahren für die CDU im Thüringer Landtag, wollte sich nicht irgendwo operieren lassen. Er befragte Spezialisten und Bekannte, die sich der Prozedur unterzogen haben, erkundigte sich über Kliniken bis hin nach Garmisch-Partenkirchen – und entschied sich für das Deutsche Zentrum für Orthopädie (DZO) in Eisenberg bei Jena.
An einem Dienstag im Januar liegt Emde in einem Einzelzimmer in den Waldkliniken Eisenberg, an die das DZO angegliedert ist, und erholt sich von der OP. Gegenüber vom Bett steht eine messinggelbe Sitz-ecke vor einer salbeigrünen Wand mit Pflanzenaquarellen. Auf dem Tisch sind frische Blumen neben einem Obstkorb drapiert. Wenn Emde wollte, könnte er auf dem Flachbildschirm einen Film schauen oder über die Bang-&-Olufsen-Anlage Musik hören. Doch er möchte lieber seine Ruhe. Tags zuvor wurde das Kniegelenk durch ein Implantat ersetzt. Jetzt ist das Bein verbunden und der Patient erschöpft, aber guter Dinge. „Alles ist sehr gut organisiert“, lobt Emde. „Und das Zimmer finde ich auch schick.“ Als Privatpatient kommt er in den Genuss von „Level 5“ – so nennt sich die Komfortstation der Waldkliniken.
Vor knapp vier Jahren eröffnete der Allgemeinversorger ein spektakuläres Bettenhaus: In einem Waldstück erhebt sich ein kreisrunder Bau mit einer Fassade aus sibirischer Lärche. In den unteren Etagen liegen gesetzlich Versicherte in Zweibettzimmern mit modernen Badezimmern und Wintergärten. Level 5 im vierten Stock setzt eins drauf: Die 13 Einzel- und Doppelzimmer bieten den Komfort eines Fünfsternehotels – inklusive WC mit integrierter Dusch- und Föhnfunktion, einer Bar mit Ronnefeldt-Tees und einem Concierge-Service.
Premiumstationen wie die in Eisenberg erfreuen sich großer Beliebtheit. Viele der jährlich rund 17 Millionen stationär behandelten Patienten hierzulande sind bereit, für die Unterbringung im Einzelzimmer, ein angenehmes Ambiente und besseres Essen draufzuzahlen – oder schließen eine private Versicherung ab, die für die Mehrkosten aufkommt. Mehr als 630 Mio. Euro zahlten die privaten Krankenversicherer 2022 für die Unterbringung von Patienten in Zimmern mit Komfort-Wahlleistungen (siehe Grafik Seite 9). Die Delle der Coronajahre ist fast schon wieder ausgeglichen.
Welche Stationen und Privatkliniken herausragende medizinische Leistungen bieten und darüber hinaus besonderen Komfort, hat das Rechercheinstitut MINQ (Munich Inquire Media) für Capital ermittelt. 200 Häuser haben den mehrstufigen Auswahlprozess durchlaufen und können mit überdurchschnittlichen Ergebnissen aufwarten (siehe Tabelle).
Neubau als Marke
Zu den ausgezeichneten Hospitälern zählen auch die Waldkliniken Eisenberg. Das Krankenhaus, das vom Saale-Holzland-Kreis und dem Universitätsklinikum Jena getragen wird, schrieb rote Zahlen, als Geschäftsführer David-Ruben Thies hier 2008 seinen Job antrat. „Die Orthopädie genoss einen hervorragenden Ruf“, sagt der Manager, der zum dunklen Dreiteiler eine modisch-markante Brille trägt. „Aber es wurde nur sehr regional gedacht.“
Thies dachte größer, wollte das Haus über die Region hinaus bekannt machen. Dass das alte Bettenhaus, ein Plattenbau aus DDR-Zeiten, nach Einschätzung des Erfurter Gesundheitsministeriums nicht zu retten war, kam ihm zupass. Der Neubau sollte eine Marke setzen. Als Planer verpflichtete er den Stararchitekten Matteo Thun, der weltweit Luxushotels entworfen hat. 65 Mio. Euro kostete das Bauvorhaben am Ende – „dank kluger Planung nicht mehr als ein herkömmliches Krankenhaus“, so Thies. 54 Mio. Euro davon zahlte der Freistaat Thüringen.
Von Anfang an stand fest, ein Angebot zu schaffen, das neue Maßstäbe setzt. „Wir glauben an heilende Architektur“, sagt Thies. Gesunde Küche und frische Luft beschleunigten den Genesungsprozess zusätzlich. „Wer sich wohlfühlt, benötigt weniger Medikamente.“
11.30 Uhr, Essenszeit. Concierges mit weißen Handschuhen laufen über den Flur, auf den Tabletts Teller unter silbernen Cloches. Um das Wohl der Patienten, die in Eisenberg „Gäste“ heißen, kümmert sich auf Level 5 neben den Ärzten und dem Pflegepersonal ein Team von sieben Mitarbeitern in der Küche und fünf Servicekräften. Kniepatient Emde isst so kurz nach der OP auf seinem Zimmer. Wer mobil ist, kann im Restaurant Matteo Platz nehmen, wo hinter Glas ein Kaminfeuer brennt.
Die Gäste wählen das Menü à la carte, als Vorspeise etwa gedämpften Winter-Kabeljau mit Beluga-Linsen und Ingwer-Beurre-Blanc. Anschließend Rücken, Bries und Kopf vom Thüringer Kalb mit Schwarzwurzeln, Schalotten, Saubohnen, Polenta. Zum Abschluss Valrhona-Schokolade mit Gewürzorangen und Pinienkerneis. Dazu eine Weinbegleitung, mit oder ohne Alkohol.
Mehrmals pro Monat bietet das Matteo Menüabende für externe Gäste an, ab Spätsommer soll das Angebot ausgeweitet werden. Wie Geschäftsführer Thies hat auch Tim Foller große Pläne: „Wir wollen in Gourmetführern auftauchen“, sagt der Küchenchef, der früher im Hotel Elephant in Weimar arbeitete. Die gehobene Pflege auf Level 5 hat ihren Preis: 186 Euro pro Nacht im Einzelzimmer.
Wahlleistungen sind für Kliniken eine wichtige Einnahmequelle. „Sie sind notwendig, um Finanzierungslücken zumindest teilweise auszugleichen“, heißt es bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die gut 1100 öffentliche und freigemeinnützige Kliniken vertritt. Je nach Qualitätsunterschied gegenüber der Standardunterbringung können die Häuser für Komfortzimmer bis zu 220 Euro pro Nacht zusätzlich abrechnen. Den genauen Betrag legt der Verband der Privaten Krankenversicherung fest.
Auch für die Versicherungswirtschaft sind die Komfortextras attraktiv, sagt Nico Kasper, Vorstand der Consultingfirma ZEQ: „Die privaten Kassen wollen den Patienten etwas bieten, um sich von den gesetzlichen abzugrenzen.“
Boom Dank Boomern
Das Angebot bedient eine wachsende Nachfrage: „Die Boomer, die in den kommenden Jahren einen Großteil der Patienten stellen, sind vermögender als frühere Generationen und haben eine höhere Lebenserwartung“, sagt Kasper. Gesundheit nehme für sie viel Raum ein. „Patienten recherchieren heute vor einem planbaren Eingriff mehr, in welche Klinik sie gehen wollen“, beobachtet Anja Klinger vom Beratungsunternehmen Consus Health. „Sie erkundigen sich zum Beispiel nach Familienzimmern, setzen sich mit Ausstattung und Design auseinander.“ Den Wunsch nach Premiumbetreuung spiegelt die wachsende Zahl an Zusatzpolicen, die Mehrkosten für Chefarztbehandlung oder Unterbringung im Komfortzimmer übernehmen.
Auch Ausländer lassen sich gerne in deutschen Krankenhäusern behandeln. In Eisenberg möchten sie verstärkt Patienten aus den USA für Behandlungen gewinnen. „Eine Hüft-OP ist dort viermal so teuer wie hier“, sagt Klinikchef Thies. Auch jüdischen Patienten kommt er mit einem Angebot entgegen, das es in Deutschland so nicht gebe: Im Bettenhaus wurde eine Synagoge eingerichtet, das Matteo hat getrennte Küchen, um koscheres Essen servieren zu können.
Um zahlungskräftige Patienten aus dem Ausland buhlt auch der Klinikkonzern Helios. Mit gut 80 Kliniken und etwa 30.000 Betten ist er der größte Krankenhausbetreiber Deutschlands. Ein eigener Geschäftszweig, Helios International, kümmert sich darum, Behandlungsbedürftige in einen der insgesamt 176 Wahlleistungsbereiche oder in eine der 34 Privatkliniken des Unternehmens zu lotsen.
In der Privatklinik Krefeld, die an das örtliche Helios-Klinikum angegliedert ist, wurden schon Menschen aus Aserbaidschan und Australien behandelt – und jede Menge Niederländer. Die Grenze zum Nachbarland ist keine 30 Kilometer entfernt. „Wir können oft schneller einen Termin anbieten als die Krankenhäuser dort“, sagt Thomas Frieling, ärztlicher Leiter der Privatklinik. Deren Angebot ergänzt Komfortzimmer und -bereiche auf den Stationen des Maximalversorgers und ist nur für PKV-Vollversicherte und Selbstzahler zugänglich. Vor zwei Jahren wurde die Privatklinik, die zwei Flügel im fünften Stock belegt, neu gestaltet. Dabei kamen Erkenntnisse aus der Farbpsychologie zum Tragen. „Krefeld ist unser neuer Standard“, sagt Melanie Funccius, stellvertretende Leiterin des Privatklink- und Wahlleistungsbereichs bei Helios. In diesem Jahr werden nach diesem Vorbild gestaltete Privatkliniken in Bonn und Wiesbaden eröffnet.
Breite Flure mit Böden in Holzoptik führen von der Hauptachse des Krankenhauses zu den 38 Zimmern der Privatklinik. An den cremefarbenen Wänden hängen großformatige Kunstfotos mit Motiven aus der Region. Zwei Frauen haben sich in der Helios Lounge niedergelassen – einem Aufenthaltsbereich mit Kaffeeautomat, Obstkorb und kleinem Kuchenbuffet – und schauen einem Patienten hinterher, der gerade in einem Krankenbett Richtung OP-Trakt geschoben wird. Behandelt werden die Patienten der Privatklinik von Spezialisten der mehr als 30 Fachbereiche im Klinikum Krefeld.
Gabriele Lorengel wartet in Zimmer B1 5.402 auf ihr Abschlussgespräch. Die 67-Jährige hat Lungenkrebs und ist für Untersuchungen stationär aufgenommen worden. Als Einheimische erinnert sie sich gut an die Zeit vor 2007, als das Klinikum Krefeld noch als „Städtische Krankenhäuser“ firmierte. „Die Ausstattung ist jetzt viel heimeliger“, sagt sie. Wie in Eisenberg haben die Gestalter auch hier ein sanftes Grün als Wandfarbe gewählt, dazu helles Holz rund um die Bettnische, stilisierte Zweige und Blätter als Wanddekoration. Das Badezimmer ist mit Natursteinfliesen ausgestattet, einer ebenerdigen Dusche mit Glasabtrennung und einem Waschtisch mit edler schwarzer Armatur.
Vor allem die gute medizinische Betreuung sei ihr wichtig, sagt Lorengel. Doch sie weiß auch den Komfort zu schätzen: die flauschigen Bademäntel, die Extra-Speisekarte oder die Cola zwischendurch aus der Minibar. 200 Euro berechnet Helios dafür pro Nacht. Als pensionierte Beamtin hat Lorengel Anspruch auf Beihilfe – und Unterbringung in der Privatklinik. „Über dieses Privileg bin ich sehr froh“, sagt sie.
Auch in der Hamburger Martini-Klinik werden überwiegend privatversicherte Patienten aufgenommen. Einer liegt an diesem Tag mit sechs Zugangswegen in der Bauchdecke auf dem Operationstisch im Saal B 214. In der Ecke des Raums hat der Mitbegründer und ärztliche Leiter der Klinik, Markus Graefen, gerade an der Steuerkonsole des robotergestützten OP-Systems Platz genommen. Das Licht ist heruntergedimmt, Lüftung und Geräte summen leise. Auf dem Plan steht die Entfernung einer Prostata. 2023 haben Graefen und die übrigen neun Ärzte der Klinik 2509 Vorsteherdrüsen entfernt, mehr als jedes andere Krankenhaus weltweit. Er selbst hat kürzlich seine 5000. Prostatektomie gefeiert.
Maximale Spezialisierung
Graefen greift nach den Bedieneinheiten und richtet den Blick durchs Visier, das in zehnfacher Vergrößerung und dreidimensional die Bauchhöhle des 70-jährigen Patienten zeigt. Mit dem ferngesteuerten Operationsbesteck arbeitet sich der Chirurg durchs Bauchfell in Richtung Blase vor, die Kamera folgt. Auf dem Monitor ist zu erkennen, wie Graefen mit einer Zange in der Linken helles Gewebe greift und mit einer Schere in der Rechten präzise Schnitte setzt. Plötzlich taucht ein kastaniengroßes Objekt auf – die Prostata. „Ziemlich verwachsen“, kommentiert Graefen und trennt Harnröhre und Samenleiter durch. Nach der Entfernung der Drüse wird er alle Stränge wieder miteinander verbinden, sodass der Patient mit möglichst wenigen Einschränkungen weiterleben kann.
Als Privatklinik im Besitz des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist das Krankenhaus mit seinen 52 Betten ein Exot. Frei von den Zwängen eines Maximalversorgers in öffentlicher Hand, hat es sich einen hervorragenden Ruf auf dem Gebiet des Prostatakarzinoms erworben. Während deutschlandweit nur 32 Prozent der Operationen „nervschonend“ durchgeführt werden, was Kontinenz und Potenz positiv beeinflusst, sind es an der Martini-Klinik 97 Prozent.
2005 ersann der damalige Leiter der UKE-Urologie, Hartwig Huland, die Martini-Klinik nach dem Muster amerikanischer Krankenhäuser wie der Mayo-Klinik, die sich konsequent auf bestimmte Eingriffe spezialisieren, Behandlungsergebnisse langfristig kontrollieren und diese dokumentieren. Mit diesem Wissen, so Hulands Überzeugung, könnten sich die Operateure ständig verbessern. Um Standesdünkel im Keim zu ersticken, gibt es an der Martini-Klinik keinen Chefarzt. Alle zehn behandelnden Ärzte sind gleichberechtigte Mitglieder der sogenannten Faculty.
Alle sechs Monate findet ein Benchmarking statt, bei dem die Erfolge der Chirurgen miteinander verglichen werden. Wer zurückliegt, operiert zweimal unter Beobachtung eines Kollegen, um mögliche Fehler zu identifizieren und abzuschalten. Umgekehrt sehen die Ärzte genau hin, wenn Ergebnisse auffällig gut sind, um sich Fortschritte abzuschauen. „Es darf kein Herrschaftswissen geben“, sagt Klinik-Geschäftsführer Detlef Loppow.
Noch ist die Martini-Klinik auf dem UKE-Gelände in einem Backsteinbau aus den 60er-Jahren untergebracht.
Behandelt werden Privatpatienten und Versicherte einzelner gesetzlicher Kassen. Versicherte anderer Kassen werden im UKE aufgenommen und in der Martini-Klinik operiert. Die Einzelzimmer der Privatstation liegen auf der dritten Etage. Von ihren Betten blicken die Patienten auf einen Laubengang, der im Sommer von einem Blauregen überrankt ist. Wie in anderen Komfortstationen werden die Gäste auch hier mit Obst und Blumen begrüßt. Servicekräfte reichen Gerichte, die sich die Patienten von einer speziellen Karte wählen können.
Die Zimmer sind stilvoll, aber klein. „Mehr geht im Altbau nicht“, sagt Loppow. Mit dem Umzug der Klinik in diesem Sommer soll sich das ändern. Vis-à-vis des heutigen Domizils ist für 85 Mio. Euro ein sechsstöckiger Neubau hochgezogen worden. Auf 17 000 Quadratmetern bietet er acht statt bislang fünf Operationssäle, 100 Betten – und viel mehr Platz und Komfort für Mitarbeiter und Patienten.
Angstfreier Zutritt
Noch sind die Handwerker in dem Gebäude zugange, schließen Lampen an, befestigen Deckenpaneele. In der Radiologie müssen Geräte installiert, in der Chemo-Ambulanz Sessel aufgebaut werden. Die neue Privatstation im vierten und fünften Stock lässt jedoch erahnen, dass die Klinik in puncto Komfort einen Sprung macht. Die 46 Zimmer mit Echtholzparkett sind deutlich größer als im Altbau. Neben der Lounge gibt es eine Loggia – zwar ohne Blauregen, aber mit Blick auf alte Eichen.
Überall wurde viel helles Holz verwendet, an den Tresen, hinter denen das Pflegepersonal arbeitet, prangt ein freundliches „Hello“. Geschäftsführer Loppow hat sich auch um solche Details gekümmert. „Die Männer, die hierherkommen, haben ,Schiss inne Büx‘“, zitiert er Klinikgründer Huland, der die Planung des Neubaus intensiv begleitet hat. „Das Haus sollte so gestaltet sein, dass beim Betreten Ängste genommen werden.“
Im besten Fall sind die Patienten nicht nur ohne Furcht, sondern wollen gar nicht mehr abreisen. In den Waldkliniken Eisenberg haben sie es schon erlebt, dass ein Gast auf Level 5 nach dem Ende seiner Behandlung zwei zusätzliche Nächte aus eigener Tasche zahlte – so gut hatte es ihm dort gefallen.