Es ist ein Markenname, der großes verspricht: „Build your dreams“ (BYD). Der chinesische Autobauer hat in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, denn die Marke fährt wirtschaftlich auf der Überholspur. Zwei Zahlen belegen das sehr deutlich. Zum einen: 300 Prozent. So stark wuchs im ersten Halbjahr 2022 der Fahrzeugabsatz. Trotz Lockdown, Chipmangel und Störungen der Lieferketten. Der chinesische Anbieter setzte über 641.000 Fahrzeuge ab, fast 80.000 mehr als der vermeintliche Klassenbeste Tesla.
Die zweite Zahl: neun Milliarden Dollar. So viel sind mittlerweile die Anteile an BYD wert, die Warren Buffett im Jahr 2008 für 235 Millionen Dollar gekauft hatte. Mittlerweile ist die Marke an der Börse mehr wert als Volkswagen und hat den deutschen Konzern in Sachen Elektromobilität in China abgehängt .
Derzeit feiert BYD diese Erfolge noch hauptsächlich im Heimatmarkt China. Doch das Unternehmen will auch auf westlichen Märkten heimisch werden. Es geht die Expansion zwar zunächst noch in bedächtigen Schritten an. Doch wenn es gelingt, sich in traditionellen Auto-Ländern wie Deutschland und den USA zu etablieren, dann hätte BYD es geschafft – und wäre zum globalen Autobauer aufgestiegen. Das ist unter den asiatischen Anbietern zuletzt der südkoreanischen Marke Hyundai gelungen.
BYD: Bislang nur ein Händler in Deutschland
BYD hat jüngst einen Vertriebspartner für Deutschland und Schweden gefunden: die Hedin Mobility Group. 235 Standorte hat das Unternehmen. In Deutschland liegt davon aber nur einer, und zwar in Bremerhaven. Im Jahr 2021 hat dort laut Geschäftsbericht ein einzelner Angestellter insgesamt elf Autos der Marke Dodge verkauft. Um den Europastart von BYD gab es in Fachkreisen zwar einen Hype. Dabei geht allerdings unter, dass das Unternehmen gerade erst dabei ist, Händler anzuwerben.
BYDs Erfolg in China geht auf die breite Aufstellung der Chinesen zurück. Es besteht bereits seit 1995. Damals stellte BYD noch Akkus für Handys und MP3-Player her. Erst im Jahr 2003 diversifizierte Unternehmensgründer Wang Chuanfu sein Unternehmen und begann Elektroautos zu entwickeln. Die Akku- und E-Auto-Sparten liefen so erfolgreich, dass BYD mittlerweile zu den weltgrößten Herstellern von Akkus gehört. Außerdem stammt jedes vierte elektrifizierte Auto in China – reine Elektroautos und Hybride – von BYD. Der einzige Grund, warum der Anteil nicht noch größer ist, ist die fehlende Produktionskapazität. Ein Flaschenhals, den die jüngst eröffnete fünfte Fabrik zumindest etwas entschärft. Dank ihr kann die Marke zukünftig 3,4 Millionen Autos pro Jahr produzieren.
Anders als viele Konkurrenten verfügt BYD über eine recht sichere Rohstoffversorgung. Denn das Unternehmen hat nicht nur seine eigenen Batteriefabriken, sondern besitzt seit Anfang des Jahres auch Förderrechte für Lithium in Chile. In Afrika will die Marke sechs weitere Minen übernehmen. Die Akkus von BYD kommen zudem ohne Kobalt aus. Abbau und Produktion sind derart reibungslos und das Endprodukt auf so hohem Niveau, dass sogar Tesla zukünftig bei dem Wettbewerber Batterien kaufen möchte.
Kostenvorteil für BYD
Dank des Tochterunternehmens BYD Semiconductor hat die Marke auch den Chipmangel im Griff. Die Firma produziert auch Halbleiter für Automobilsysteme. Aktuell verhandelt BYD mit der chinesischen Börsenaufsicht über einen Börsengang. So sollen Geldmittel für Forschung und Entwicklung eingesammelt werden.
Durch die Diversifikation entlang der Wertschöpfungskette hat BYD neben der Versorgungssicherheit enorme Kostenvorteile im Vergleich zur Konkurrenz. Zwar werden Batterien seit Jahren immer günstiger, sie machen aber immer noch etwa ein Drittel der Kosten eines Elektroautos aus. BYD kommt außerdem ein Gesetz entgegen. In China müssen Elektroauto-Bauer Batterien wieder einsammeln. Der Autobauer hat aber auch hier diversifiziert und als einziger Autohersteller auch gleich eine Recyclingfabrik eröffnet.
Auf diese Vorteile wird sich BYD auch beim Marktstart in Europa verlassen und einen langen Atem haben müssen. Neue Marken tun sich vor allem in Deutschland erfahrungsgemäß schwer. Lexus kam nie über eine Nischenrolle hinaus und Infiniti stellte seinen Betrieb ganz ein, obwohl mit Toyota und Nissan Europa-erfahrene Konzerne dahinterstecken. Doch BYD schreckt das nicht ab. Im Gegenteil. Im Jahr 2022 will die Marke 20.000 Autos in Europa verkaufen. Vor dem Hintergrund, dass es 2021 gerade einmal 1.000 Stück waren, ist das ein sehr ambitionierter Plan. Selbst von den ursprünglichen einmal ausgegebenen 200.000 Stück im Jahr 2023 – eine Expansions-Fantasie aus der Vor-Corona-Zeit – ist Wang nie abgerückt.