Anzeige

Kommentar War's das mit der Globalisierung?

Globalisierungsmüdigkeit greift um sich. Doch von einem Rückzug auf heimische Märkte kann keine Rede sein. Von Holger Görg
Figure
Asiatische Länder gelten als Werkbänke der Globalisierung
© Getty Images

War’s das jetzt? In jüngster Zeit häufen sich Stimmen, die ein Ende der Globalisierung heraufbeschwören - auch aus sonst eher weltoffenen Zirkeln. Die Globalisierung stoße an ihre Grenzen, so wird argumentiert, da immer neue protektionistische Tendenzen aufkommen. Nicht nur im Zuge der Finanzkrise, sondern gerade auch jetzt, da das mögliche Freihandelsabkommen mit den USA verhandelt wird, würden sich viele auf die angeblichen Vorteile einer abgeschotteten Wirtschaft besinnen. Das zeige sich auch daran, dass viele deutsche Firmen, die in der Vergangenheit Produktionsstätten ins Ausland verlagert hatten, diese wieder nach Deutschland zurückholen.

Wird die Globalisierung also zurückgedreht oder kommt gar zum Stillstand? Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt deutlich, dass dem wohl nicht so ist. Wichtige Aspekte der Globalsierung sind Handel und Investitionen im Ausland. Und hier geht der Trend ganz klar nach oben. Die deutschen Exporte sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 2009 und 2013 von gut 800 Mrd. auf fast 1100 Mrd. Euro gestiegen – ein Wachstum um 38 Prozent. Im gleichen Zeitraum sind Importe nach Deutschland um rund 35 Prozent gestiegen, auf knapp 900 Mrd. Euro.

Holger Görg ist Professor für Außenwirtschaft an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und Koordinator des Forschungsprogramms "Internationale Wirtschaft und internationale Wirtschaftspolitik" am Institut für Weltwirtschaft in Kiel
Holger Görg ist Professor für Außenwirtschaft an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und Koordinator des Forschungsprogramms "Internationale Wirtschaft und internationale Wirtschaftspolitik" am Institut für Weltwirtschaft in Kiel

Deutsche Unternehmen investieren immer mehr im Ausland. Zahlen der Deutschen Bundesbank zeigen, dass sich Direktinvestionen deutscher Unternehmen im Ausland im Jahr 2012 auf fast 1200 Mrd. summierten. Im Vergleich: 2009 beliefen sie sich auf gut 900 Mrd. Euro. Es handelt sich hierbei um Investitionen von fast 35.000 deutschen Unternehmen, die mehr als 6,5 Millionen Beschäftigte im Ausland haben. Auch hier: Tendenz steigend. Im Gegenzug sind etwa 15.000 Tochterunternehmen von ausländischen Firmen in Deutschland tätig, die etwa 2,7 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen und knapp 800 Mrd. Euro im Jahr 2012 investierten. 2009 waren es nur 670 Mrd. Euro.

Deutschland ist in wirtschaftlicher Sicht so stark mit dem Ausland verflochten wie noch nie. Eine aktuelle Studie des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel zeigt, dass der Anteil der ausländischen Wertschöpfung an deutschen Exporten von 16 Prozent im Jahr 1995 auf 26 Prozent im Jahr 2011 gestiegen ist. Mit anderen Worten: Im Durchschnitt wird gut ein Viertel des Werts eines Exportproduktes im Ausland produziert. Waren in den 1990er Jahren die Zulieferketten noch stark durch Westeuropa geprägt, spielen heute die BRIC Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) sowie Mittel- und Osteuropa eine zunehmend wichtigere Rolle.

Keine Abkehr von der Globalisierung

Woher kommt also die trübe Stimmung bei manchen, die das Ende der Globalisierung kommen sehen? Zum einen gibt es natürlich Unternehmen, die es nach Jahren der Produktion im Ausland wieder nach Deutschland zieht. Einige aktuelle Beispiele sind Katjes, Stihl und Steiff. Bei diesen scheint es aus Kostengründen oder zur Qualitätssicherung sinnvoll, ihre Produktion wieder in Deutschland zu konzentrieren. Aber diese Firmen wenden sich nicht von der Globalisierung ab – eher ist es eine Strategie, um im internationalen Wettbewerb auch weiterhin bestehen zu können. Außerdem sind es angesichts der Masse der Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, nur wenige, wenngleich natürlich wichtige Fälle.

Zum zweiten ist bei der Bevölkerung gerade im Zuge der Verhandlungen des Abkommens mit den USA – auch beeinträchtigt durch die NSA-Affäre – eine Globalisierungsmüdigkeit aufgekommen. Das Schreckgespenst von niedrigeren Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsstandards entfaltet seine Wirkung.Hier sind die Politik und auch die Medien gefragt, um erstens Transparenz zu schaffen und zweitens die Bevölkerung über Vor- und Nachteile der Globalisierung besser aufzuklären.

„moralisch nachhaltige Globalisierung“

Drittens zeigen sich leider immer wieder sehr stark die Schattenseiten der Globalsierung, insbesondere in Ländern ganz unten in den globalen Produktionsketten. Man denke nur an das Rana Plaza Unglück in Bangladesh im Jahr 2013, als ungefähr 1100 Arbeiter einer Textilfabrik ums Leben kamen, die außergewöhnlich hohe Selbstmordrate beim chinesischen Apple-Zulieferer Foxconn, oder die vor kurzem aufgedeckten Arbeitsbedingungen, die der Sklaverei ähneln, bei einigen Krabbenfischern in Thailand. Hier wird es wichtig, eine „moralisch nachhaltige Globalisierung“ zu schaffen, in der die Vorteile und Gewinne, die durch globale Arbeitsteilung entstehen, gerecht verteilt werden.

Auch hierfür ist zur Umsetzung erst einmal Transparenz notwendig, die in globalen Produktionsketten häufig nicht besteht. Es sollte Konsumenten klar sein, welche Komponenten aus welchen Ländern in einem Produkt stecken – sei es ein T-Shirt, ein Smart-Phone, oder ein Fertiggericht. Hier können Klassifizierungen helfen. „Fair Trade“ ist ein Schritt in die richtige Richtung, ebenso das Labeling des „Marine Stewardship Council“ für Fischereiprodukte. Es muss sich aber noch viel verbessern. Das ist letztlich nicht nur eine Aufgabe für die Politik – auch Unternehmen und Konsumenten sind gefragt.

Sollte dies gelingen, wird sich erstens zeigen: Das war’s noch nicht. Und zweitens: Die Vorteile der Globalisierung für die Menschen überwiegen ihre Nachteile.

Neueste Artikel