Von den einen sehnsüchtig erwartet – als die neue Platinkarte zum freien Eintritt in lang verwehrte Vergnügungen. Von anderen schon wieder eingestellt. Der digitale Impfnachweis soll vollständig gegen Covid-19 geimpften Menschen erlauben, ihre Immunität per Handy nachzuweisen. Je höher der Bevölkerungsanteil immunisierter Bürger, desto schneller können Test- und Quarantänepflichten entfallen, beim Reisen, in der Gastronomie, in Sport- und Kulturereignissen.
Nun nähert sich auch Europa Schritt für Schritt dieser Realität. Rechtzeitig vor der sommerlichen Reisesaison soll ein einheitlicher elektronischer Pass Grenzübertritte erleichtern. Der EU-weit anerkannte „Grüne Pass“ geht in die Zielgerade. Das Europaparlament hat den Gesetzentwurf gebilligt. Es braucht noch die formelle Zustimmung der EU-Staaten, bevor die Regelung ab 1. Juli für zwölf Monate gelten kann.
Der dieser Tage in Deutschland vorgestellte digitale Immunitätsnachweis soll dafür ein „Grünes Zertifikat“ nach EU-Regeln darstellen. Die Anwendung namens „CovPass“ wird nach Angaben des Gesundheitsministeriums Schritt für Schritt ausgerollt und nach und nach für die unterschiedlichen Betriebssysteme von Smartphones verfügbar sein. Die Puzzleteile wachsen allmählich zu einem Ganzen zusammen.
Von gemeinsamen Anwendungen quer über den Globus kann aber nicht die Rede sein. Die WHO hat darauf verzichtet, Impfnachweise zur Bedingung für internationale Reisende zu machen. Zahlreiche Fluglinien testen die von dem Dachverband International Air Transport Association (IATA) angebotene App, den „Travel Pass“. Auch hierzulande haben Fluggesellschaften die Pflicht, erfolgte PCR-, oder Antigen-Tests, Impfungen oder ausgestandene Infektionen zu kontrollieren – und zwar schon im Ausland, bevor Passagiere das Flugzeug besteigen. Was wäre einfacher, als die Informationen beim Check-in am Smartphone abzufragen.
So nutzen unterschiedliche Länder digitale Impfnachweise für unterschiedliche Zwecke, mehr Freiheit und Mobiliät. Hier ein Überblick.
Hier wird der digitale Impfpass längst benutzt
Diese Länder nutzen digitale Impfpässe

Während in Deutschland Geimpfte bislang gar keinen digitalen Nachweis über erfolgte Impfungen erhalten, hat Israel – das weltweit erste „durchgeimpfte“ Land – seinen Corona-Pass schon wieder abgeschafft. Der „Grüne Pass“ gerät drei Monate nach seiner Einführung in Vergessenheit, weil Cafés, Bars, Restaurants, Fitnessstudios oder Theater ihn nicht mehr verlangen. Die App gab mittels QR-Code Aufschluss über die Immunisierung. Das Neun-Millionen-Einwohner-Land hat inzwischen alle Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Nur die Maskenpflicht in Innenräumen sowie Einreisebeschränkungen gelten vorerst fort.

Schon Anfang März empfing Israels Premierminister zwei Regierungschefs aus Europa, die sich über die elektronische Impfnachweise erkundigen wollten. Österreichs Sebastian Kurz und seine dänische Amtskollegin Mette Frederiksen besuchten mit Netanjahu ein Fitnesszentrum, das den Zugang auf Inhaber des „Grünen Passes“ beschränkte. Ein von Wien für den 4. Juni geplanter „Grüner Pass“ verspätet sich. Neun andere EU-Staaten haben bereits die technischen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um ihre Covid-Zertifikate elektronisch auszustellen.

Ende Mai stellten gleich mehrere Minister am Flughafen Kopenhagen ein Update des „Coronapas“ vor. Schon seit April können Dänen mit dem Smartphone nachweisen, dass sie entweder geimpft sind, eine Infektion überstanden oder innerhalb der letzten 72 Stunden einen negativen Corona-Test absolviert haben. Die „Eintrittskarte“ wurde kontrovers diskutiert. Friseure oder Gastwirte, Theater oder Sporthallen müssen den digitalen Nachweis für den Einlass prüfen. Mit Ausnahme von Bussen und Bahnen gilt in Dänemark keine allgemeine Maskenpflicht mehr.

In London musste die Polizei gegen einen Flashmob vorgehen, der gegen Coronapässe und Maskenpflichten demonstrierte. Der Staat hat den Inselbewohnern lange Monate das Reisen verboten und will nun Millionen über eine Smartphone-App das Ferienmachen erleichtern. Ihren Impfstatus können Urlauber aus England mit einer App des staatlichen Gesundheitssystems NHS vorzeigen. Mehrere Länder haben zugesagt, den Coronapass anzuerkennen, darunter Barbados, Kroatien, Griechenland, die Türkei, Gibraltar, Island, Moldau, Bulgarien und Estland. Die EU gewährt vollständig geimpften Briten grundsätzlich wieder Einlass.

Griechenland ist eines der EU-Länder, die bei der Entwicklung digitaler Impfzertifikate am meisten Druck gemacht haben. Die Regierung erhofft sich dadurch einen regen Zustrom von Touristen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis stellte die Anwendung Ende Mai persönlich der Presse vor. Schon vor dem für Anfang Juli vorgesehenen Start der EU-Variante will das Urlaubsland so mit verbesserter Reisefreiheit punkten. Mit am Start sind neben Deutschland Bulgarien, Tschechien, Dänemark, Kroatien und Polen.

China hat bei der Konferenz der Asean-Länder für eine einheitliche Variante bei den Impfnachweisen in der südostasiatischen Region geworben. Der eigene chinesische digitale Pass zielt weniger auf die heimische als auf die internationale Mobilität ab. Die Volksrepublik hat ein International „Travel Health Certificate“ für seine Bürger entwickelt, von dem sie hofft, dass es als Impfpass anerkannt wird, während Länder mit abklingendem Infektionsgeschehen die Grenzen wieder öffnen. Die Nachweise funktionieren auf der Nachrichten-App WeChat und enthalten Informationen über Impfstatus und/oder Testergebnisse.

Japan, der Ausrichter der diesjährigen olympischen Sommerspiele, hinkt sowohl in seiner Impfkampagne als auch in der Entwicklung von digitalen Nachweisen im Vergleich zu anderen Industrienationen hinterher. Allerdings gibt es Pläne, einen Corona-Pass mit Impfstatus und Antigen-Test-Ergebnissen für reisewillige Japaner zu entwickeln. Zuerst ist nach Medienberichten eine Papierversion und später im Jahr eine digitale Variante geplant, die sich an den europäischen Grünen Pass anlehnen soll. Bei der Impfkampagne setzt das Land aber bereits auf digitale Hilfsmittel, Ärzte, wie der Zahnart im obigen Foto, absolvieren beispielsweise Impftrainings mit einer Augmented Reality-Brille.

Das lateinamerikanische Land hat eine digitale Lösung entwickelt, um seinen Bürgern trotz fortgesetzter Kontaktbeschränkungen größtmögliche Mobiliät zu gewähren. Seit Ende Mai gibt eine App vollständig Geimpften den Zugang zu größerer Bewegungsfreiheit. Gegen Proteste aus dem Gesundheitssektor dürfen Immunisierte sich auch in Städten unter Lockdown frei fortbewegen und trotz der Beschränkungen Apotheken oder Supermärkte aufsuchen oder sich sportlich betätigen. Ohne App muss auch für wesentliche Gänge jedesmal ein Nachweis in Papierform erbracht werden. In dem 15 Millionen-Land, für das noch Ausgangssperren gelten, ist inzwischen jeder zweite vollständig geimpft.

Der Bundesstaat New York ist der Pionier auf dem nordamerikanischen Kontinent, was digitale Impfnachweise angeht. Während der Rest der Amerikaner Impfkarten ausgehändigt bekommt, hat Gouverneur Andrew Cuomo schon im März den „Excelsior Pass“ vorgestellt, der wie ein „Wallet“ im Smartphone funktioniert und Impf- wie Testergebnisse aufzeigt. Er begründete die freiwillige Nutzung damit, dass sie hilft, das Wirtschaftsleben in der Stadt anzukurbeln. US-Heimatlandminister Alejandro Mayorkas hat angekündigt, für alle Bürger hauptsächlich zu Reisezwecken einen digitalen Coronapass zu entwickeln.