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Autoindustrie Wie Volvo mit chinesischer Hilfe den Automarkt umkrempeln will

Volvo-Chef Samuelsson vor einem S60, der dem BMW 3er Paroli bieten soll. Die von US-Präsident Trump verhängten Zölle machen das schwierig
Volvo-Chef Samuelsson vor einem S60, der dem BMW 3er Paroli bieten soll. Die von US-Präsident Trump verhängten Zölle machen das schwierig
© Nora Lorek
Als 2010 ein chinesischer Investor bei Volvo einstieg, fürchteten viele: Das ist das Ende der schwedischen Ikone. Es kam anders - und nun schmieden Schweden und Chinesen einen bissigen Eroberungsplan

Aufs Volvo-Firmengelände in Göteborg haben sie vor ein paar Monaten ein weißes Würfelhaus gesetzt. Bei Wintersonne überstrahlt der Neubau das Verwaltungsgebäude und das alte Autowerk von 1964. In den oberen Etagen dürfen sich die Mitarbeiter mit Yoga- und Sambakursen stärken lassen, im Erdgeschoss aber steht ein Auto wie ein Giftpfeil.

Glaubt man seinen Erbauern, ist das Gefährt der Beweis dafür, dass Volvo fortan kein liebenswerter Autozwerg mehr ist, den ein China-Milliardär gegen alle Vorhersagen am Leben erhält. Sondern die rasende Zukunft. Schneller als BMW, luxuriöser als Mercedes, innovativer als Tesla. Das halb elektrische 600-PS-Coupé heißt nicht Volvo, sondern Pole-star. Ein Leitstern, der ab Sommer in China gebaut wird.

Oje, aber wie das Auto aussieht! In manche Fugen kann man eine halbe Hand schieben, der Heckdeckel wölbt sich, der Stoßfänger beult. Zehntausende Kilometer war der Prototyp unterwegs: Lappland, Wüste, Schotterpisten, Rennstrecken. Wer erobern will, holt sich Kampfmale. Und von Eroberung sprechen sie hier jetzt unverhohlen.

Etwa Firmenchef Håkan Samuelsson, der eigentlich überhaupt nichts Aggressives an sich hat: „Jetzt ist das Spiel wieder völlig offen“, frohlockt der Branchenveteran. Gemeint sind die Plagen der globalen Konkurrenz: die Dieselkrise, der Technologiewandel. Samuelsson spricht so leise und ruhig, dass man seine Kühn- und Gemeinheiten beinahe überhört. „Für uns“, sagt er, „ist es eine einmalige Gelegenheit, ein viel größerer Player zu werden.“

Schnell wollen sie inzwischen sein bei Volvo, ihre Autos aber sollen nicht mehr allzu schnell sein. Ab dem kommenden Jahr sollen sämtliche Volvo-Fahrzeuge bei Tempo 180 abregeln, hat Vorstandschef Samuelsson jetzt angekündigt. Begründung: Nur bis zu diesem Tempo können elektronische Sicherheitssystene die Autos vernünftig im Zaum halten. In Wahrheit aber ist Samuelssons Ankündigung Teil einer listigen Strategie, mit der er Aufmerksamkeit für seine kleine Marke erzeugt. Die Ankündigung setzt die Reihe früherer Volvo-Versprechen fort: Volvo entwickelt keine Diesel mehr. Volvo wird in zehn Jahren elektrisch. Mit einem Volvo wird kein Mensch mehr ernstlich verletzt werden. So positioniert der clevere Vorstandschef Volvo systematisch als besonders innovativ, umweltfreundlich und führend beim Thema Sicherheit, während die viel größeren Konkurrenten sich abmühen. Motto: Wer klein ist, darf auch mutig sein.

Der große Plan

Die bedächtigen Zeiten sind hier definitiv vorbei. Eben noch wurde die unwahrscheinliche Rettung und Wiederbelebung der schwedischen Automarke bestaunt, da führen Eigner Li Shufu aus China und die Leute um Samuelsson schon den nächsten großen Plan aus. Ihre Logik: Globale Autokonzerne laborieren herum, Volvo aber hat längst seine technischen Hausaufgaben gemacht und keinen Ballast mehr über Bord zu werfen. Zudem bringen die Chinesen Geld, Ambition, Märkte und Fabriken mit, um ganz groß zu denken.

Ob das aufgeht, weiß man erst am Ende. Fest steht: Überall hier in der Vorstadt Torslanda und drüben am Göteborger Hafen arbeiten Ingenieure und Manager an der Umsetzung des Plans, an elektrischen Volvos, Sportwagen so sexy wie Porsche, China-Autos, die es in den Westen schaffen, einem völlig neuen Geschäftsmodell, das sie „das Netflix des Autos“ nennen. Ein kleines, geschickt verknüpftes Imperium entsteht dabei, gesteuert aus Hangzhou, umgesetzt in Göteborg.

2010 übernahmen die Chinesen Volvo. Li Shufu (l.) und Hakan Samuelsson beim Handschlag
2010 übernahmen die Chinesen Volvo. Li Shufu (l.) und Hakan Samuelsson beim Handschlag - Foto: dpa
© dpa

Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie es 2010 begonnen hat. Nach der Finanzkrise schien der Niedergang des zweiten schwedischen Autobauers nach Saab besiegelt. Als dann Li auf den Plan trat, wussten die Schweden nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. Der Selfmade-Milliardär erzählte blumige Geschichten vom armen Reisbauernjungen, der eine Großstadtschönheit erobert. Die Autos seiner Firma Geely waren selbst für damalige chinesische Verhältnisse erbärmlich und seine ersten Ideen nach der Übernahme bestenfalls originell: Volvo sollte Luxuswagen à la Rolls-Royce bauen, auch von Motorrädern war die Rede.

Aber es ging gut. Li, der ebenso wenig Englisch spricht wie Geely-CEO An Conghui, erwies sich als unerwartet beratungsfähig, zumal nachdem er im Anschluss an ein eher unglückliches Intermezzo eines Ex-VW-Managers Samuelsson holte. Der kennt als langjähriger Chef der Münchner MAN die deutsche Konkurrenz, fiel aber nie der Arroganz, dem Technikfetisch und dem Größenwahn anheim, die in der Branche so verbreitet sind. Volvo entwickelte irritierend schnell neue Autos. Und die zogen an. Auf Branchenmessen, etwa in Genf, konnte man wiederholt sehen, wie sich Daimler-Boss Dieter Zetsche und sein Nachfolger in spe Ola Källenius zu den neuen Volvos schlichen und, wenn sie sich unbeobachtet glaubten, herniedersanken, um den Unterboden zu betasten.

Nach acht Jahren haben sich die Verkäufe 2018 auf 642 253 Autos fast verdoppelt. Immer noch wenig etwa im Vergleich zu den 1,8 Millionen Autos von Audi, aber immerhin nähert sich die Vorsteuerrendite von 6,7 Prozent im Jahr 2017 der des Konkurrenten an (7,8 Prozent). Samuelsson liefert damit eine Art industrielle Antithese zum VW-Konzern, der ihn einst unsanft von der MAN-Spitze vertrieb.

In der Branche sprachen alle von Größe. Samuelsson machte das Gegenteil, er reduzierte. „Das Problem in der Autoindustrie ist oft, dass die Komplexität aus dem Ruder läuft“, sagt er. Volvo begrenzte sie radikal: Wo VW den aktuellen Golf mit zeitweise rund 20 verschiedenen Antrieben bietet, strichen sie bei Volvo das Programm auf zwei Basisaggregate zusammen – für das ganze Unternehmen. Fünf-, Sechs-, Achtzylinder: Alle flogen raus. Später kündigte Samuelsson an, Volvo binnen zehn Jahren zum Elektroautohersteller umzubauen und keine neuen Verbrenner mehr zu entwickeln. Nachdem bei VW der Dieselbetrug aufflog, gab er die Parole aus, den Diesel schon früher zu verabschieden.

Ein China-Inc.-Deal?

Geely nutzte derweil den Wissenstransfer, mehr noch die Köpfe aus Schweden. Der Mutterkonzern wuchs nach der Akquisition von der belächelten Provinz-Privatfirma zum führenden einheimischen Hersteller – vor den Marken der gepäppelten Staatskonzerne und im chinesischen Gesamtmarkt auf Platz drei hinter VW und GM. Erst als Li vergangenes Jahr in spektakulären Wendungen zum jeweils größten Einzelaktionär bei Daimler und Lkw-Bauer Volvo AB wurde, sprachen sie im Westen von Bedrohung.

Klar, nur aus eigener Kraft wird ihm all das kaum gelungen sein. Die Analysten des Vermögensverwalters Bernstein etwa bezweifeln, dass Li seine Coups ohne Rückendeckung der Pekinger Regierung eingefädelt hat. Sie vermuten einen „China-Inc.-Deal“. Eine andere unbestätigte Meldung sorgte kurzzeitig für Irritationen zwischen China und Schweden: Im Vorfeld seines Daimler-Geschäfts soll Li demnach Dieter Zetsche kontaktiert haben, um ihm kurzerhand Volvo zu offerieren, wenn er im Gegenzug Daimler-Anteile erhalte. Kam ihm plötzlich doch die Taube auf dem Dach attraktiver vor als der aufgemuskelte Spatz in der Hand? Wie auch immer, der Deal kam nicht zustande, die Verstimmung war nicht von Dauer.

Natürlich ging nicht alles gut. Den geplanten Volvo-Börsengang etwa, der Geely zwischen 16 und 30 Mrd. Dollar hätte einbringen können, musste Samuelsson im Herbst auf Eis legen. Manch einer mutmaßt zudem, dass Li nach seinen jüngsten Abenteuern etwas klamm ist. Und der Zollkrieg zwischen den USA und China könnte die ehrgeizigen Pläne im US-Geschäft torpedieren.

Dennoch: Was als tollkühne Eingebung eines Underdogs begann, ist ein doppeltes Expansionsprojekt geworden. Erstens: mit Volvo den Technologiesprung und das Chinageschäft nutzen, um zu den deutschen Platzhirschen aufzuschließen – überholen, ohne einzuholen, so könnte man es nennen. Zweitens: als erster chinesischer Hersteller die Vorgabe der Pekinger Regierung erfüllen und in den Westen vorstoßen.

Die technischen Grundlagen dafür werden am Göteborger Hafen gelegt. In einem Bürobau nach dem anderen wird hier wie in China üblich die Ziffer 4 in den Aufzügen durch ein D überklebt, weil die Zahl im Klang dem chinesischen Wort für „Tod“ ähnelt. Auf Etage D trifft man auf Mats Fägerhag, einen sanften Ingenieur, der lange bei GM gearbeitet und sich später von Saab zu Volvo gerettet hat, als hier der Neustart losging. Nun ist er CEO von CEVT. Die Ingenieurfirma entwickelt einen Großteil der Technik für die Geely-Konzernmodelle. Auch der bisher kleinste Volvo, das Bestseller-SUV XC40, nutzt die Plattform.

Angeschraubtes Tuning-Kit

Mats Fägerhag war für deutsche und US-Autobauer aktiv, bevor er zu Volvo wechselte
Mats Fägerhag war für deutsche und US-Autobauer aktiv, bevor er zu Volvo wechselte - Foto: N. Lorek
© Nora Lorek

Nach der Volvo-Übernahme wollte Li die Entwicklungsarbeit zukaufen, er fand aber im Westen keinen Kooperationspartner. „Wir können es doch auch selbst machen“, schlug Fägerhag damals noch bei Volvo vor – und bekam den Job.

CEVT breitet sich hier am Hafen aus, überall in Europa wirbt das Unternehmen Ingenieure ab. „Geely ist die ehrgeizigste Firma, für die ich je gearbeitet habe“, erzählt Fägerhag. „Im Guten wie im Schlechten.“ Die Arbeit hat wenig mit dem zu tun, was er von etablierten Herstellern kannte. Dort wurden Entwicklungen bis ins Kleinste geplant und dann umgesetzt. Die Chinesen, sagt Fägerhag, „ändern ständig die Route“. Oft sei das eine Quelle von Frust. Das Budget dagegen sei kaum ein Problem. Selbst Mr. An, der Geely-Chef, der kein Englisch spricht, habe das Denken aus Kaliforniens Techbranche, nicht aus dem Pkw-Bau. „Das ist wie ein ganz neues Geschäftsmodell“, sagt Fägerhag.

Und es ist typisch für Geelys Vorgehen. Sie bedienen sich ohne eigene Eitelkeiten bei den Europäern, aber sie schrauben ein Tuning-Kit an, indem sie die Geschwindigkeit, den Druck, die Investitionsbereitschaft und das Unstete aus Chinas Turbowirtschaft applizieren.

„Wir waren immer noch sehr bescheiden, wenn es darum ging, wie weit wir gehen könnten“, berichtet Volvos Entwicklungschef Henrik Green. „Und plötzlich riss unser neuer Besitzer den Horizont weit auf.“ Nie hatten sie sich auch nur in die Nähe von BMW, Audi, Mercedes zu träumen gewagt. Plötzlich ging es darum, bis wann sie das Level der Deutschen erreichen.

„Geschwindigkeit war das erste Thema,“ sagt Green. „Offensichtlich hielten sie uns für viel zu langsam. Und wir hielten sie für komplett verrückt.“ Das Kostenbewusstsein beim Einkauf sei enorm. „Aber sie sind völlig angstfrei, wenn es um Investitionen geht.“ So haben die Chinesen mittlerweile ausgerechnet den betulichen Schweden Raubtiermentalität eingeimpft. Gemeinsam wollen sie jetzt zubeißen.

Eine Attacke wird ein Stück weiter am Hafen geplant. Man denkt erst, man habe sich in der Adresse vertan: Draußen verdeckt ein silberschwarzer Vorhang die Tür, wie bei einem Nachtclub. Drinnen arbeiten junge Menschen bei Loungemusik. Sie bereiten den Marktstart von Lynk & Co vor, der ersten China-Automarke, die es im Westen schaffen soll. Eine Revolution, sagt Alain Visser. Der Belgier ist Autoveteran und war lange Vertriebs- und Marketingchef von Opel. Aber heute, sagt er, öde ihn die Branche an.

„Die Welt braucht keine neue Automarke“, sagt Visser provozierend. „Und wer will schon ein Auto aus China?“ Viele glaubten, die Chinesen wollten die Automärkte per Verdrängungswettkampf erobern, so wie die Japaner in den 70ern oder die Koreaner in den 2000ern. Aber das dauere zu lange, sei zu teuer und werde unwirtschaftlich enden.

„Die Chinesen haben die Zeit nicht“, sagt Visser. „Bei uns muss es sofort funktionieren.“ Deshalb die Revolution. Autos von Lynk & Co fahren in China schon herum, sie haben die Technik von Mats Fägerhag, auch das Design kommt von Volvo-Leuten. Aber im Westen soll man sie „abonnieren“ können: ein Preis, monatlich kündbar, dafür ein Vollzeitauto mit allem inklusive außer Tanken. Visser, der vom „Netflix des Autos“ spricht, weiß, dass der Preis attraktiv sein muss. Vielleicht werden es zwischen 100 und 200 Euro im Monat. „Unsere Kunden sind Millennials, die haben nicht so viel Geld.“

Junge Leute wollen kein eigenes Auto mehr? Eine Gelegenheit! Chairman Li lässt regelmäßig fragen, wann es losgeht. Hangzhou macht mörderischen Druck auf Zeitplan und Kosten. Anfang 2020 müssen sie spätestens in den Markt, 150.000 Kunden im Jahr müssen sie in Europa gewinnen. Entweder, prophezeit Visser, werden die Autobauer schleunigst Dienstleister – oder sie enden als bloße Materiallieferanten der Servicefirmen.

Der Tesla-Angreifer Polestar ist noch ein Prototyp – bald läuft er in China vom Band
Der Tesla-Angreifer Polestar ist noch ein Prototyp – bald läuft er in China vom Band - Foto: N. Lorek
© Nora Lorek

Volvo ist die Keimzelle, Geely der Antreiber. Aber es soll bloß keine Konzernlogik entstehen. „Wir wollen unbedingt vermeiden, ein Konglomerat zu werden,“ erklärt Samuelsson. Beispiel Polestar: Der neue Superschnell-aber-elektro-Ableger soll die Technik für alle Konzernteile salonfähig machen und gleichzeitig Geld bei Investoren sammeln. „Das kann eines Tages sehr gut eine börsennotierte Firma sein,“ sagt Samuelsson. „Wir nehmen Geld von außen auf, um das zu finanzieren.“ Ein Konglomerat würde derlei niemals tun.

Samuelsson erinnert an seine alte Firma. Bevor vor hundert Jahren der Dieselmotor aufkam, sei MAN ein kleiner Dampfkesselbauer gewesen. Die neue Technik katapultierte die Maschinenfabrik an die Spitze der Branche. Das Gleiche, sagt der Schwede, habe er mit Volvo & Co. vor. „Technikwandel ist immer eine Chance für kleine Firmen, wirklich groß zu werden“, sagt er. „Für die Großen dagegen wird es schwieriger.“ Er sitzt kerzengerade und blickt aus hellen Augen ganz ruhig drein.

Samuelsson pflegt sein weiches, genaues Deutsch, er hat die Jahre in München trotz des unrühmlichen Endes in bester Erinnerung. Es folgte unverhofft die Karriere in Göteborg – obgleich er in der Heimat ursprünglich nur ein Aufsichtsratsmandat wollte. Kariertes Hemd, taillierte Strickjacke: Samuelsson kleidet sich gar nicht übertrieben jugendlich, er könnte auch als schwedischer Landhauspensionär durchgehen. Aber die Freiheit, die er sich gestattet, im Reden wie im Denken, lässt ihn dann doch bei Weitem jünger und beweglicher wirken, als man es bei einem 67 Jahre alten Erfolgsmanager vielleicht erwarten würde. Sein Vertrag läuft noch bis Ende 2021. Dann will er wirklich in den Aufsichtsrat, hat er gesagt. Wenn er selbst noch den Börsengang durchziehen will, wird es allerdings knapp.

Moderne Umgangsformen

Aber Finanzen seien sowieso nicht mehr die Sorge. Wenn überhaupt, fehle es an Entschlusskraft, sagt Samuelsson. „Oft ärgere ich mich, dass es nicht schneller geht. Aber sehr selten liegt das am Geld“, so der Chef. „Es liegt an fehlender Klarheit, fehlenden Entscheidungen, aber nicht an fehlendem Geld.“ Du kannst durchaus klein sein, du musst nur wissen, was du willst – das ist der Gedanke. Deswegen auch die lauten Ankündigungen zum Abschied des Verbrenners. Manche haben das als PR verstanden, schließlich ist Volvo beim E-Antrieb auch nicht viel weiter als die Konkurrenz. Nein, war es nicht, beteuert der CEO – nur Entschlossenheit.

ngenlath verantwortet alle neuen Modelle der Göteborger Produktion, darunter den V90
Thomas Ingenlath verantwortet alle neuen Modelle der Göteborger Produktion, darunter den V90 - Foto: S. Kvist
© Sannah Kvist

Thomas Ingenlath hat diesen unkonventionellen Führungsstil schätzen gelernt, seit er von VW auf die Position des Designchefs von Volvo wechselte. „Es ist ein großer Kontrast“, sagt er. „Eine wesentlich modernere Umgangsform und einfach auch: mehr Stil.“ Und über den CEO: „Håkan wird sehr, sehr selten laut.“ Nicht dass er nicht auch ungeduldig werde. „Aber das drückt sich dann anders aus.“ Man habe dann nicht mehr ganz das Ohr des Chefs. Der ist leise, aber klar. „Man muss schon auch sehr deutlich mit ihm argumentieren können. Er gibt einem dann auf subtilere Art zu verstehen, wann vielleicht das letzte Wort gesagt ist.“

Vom Designer ist Ingenlath längst zum Manager geworden, er verantwortet als CEO die neue Elektromarke Polestar. „Ein Filetstück“, sagt er. Aber auch ein gewisses Risiko. Und ein entschlossenes Abschiedssignal an den Verbrenner, dessen Knattern der geborene Krefelder und Sportwagenfan Ingenlath heute „den Sound der Vergangenheit“ nennt.

Im alten Stammwerk nebenan ist die große Volvo-Vergangenheit noch sichtbar. Eine Tafel erinnert an den millionsten Wagen der markenprägenden eckigen 240er-Reihe, der damals in die USA gegangen ist. Alle großen Volvo seit dem berühmten Amazon sind hier entstanden. Es ist eng, staubig, umständlich. Die drei neuen Fabriken in China und das erst im Sommer eröffnete US-Werk sind sicher effizienter.

Auf den alten Holzbohlen des Stammwerks steht Erika Vingren und lässt per Fernbedienung eine riesige Batterie in das Fahrgestell eines Hybridmodells sinken. Eine gute Arbeit sei das, sagt die Anfang-30-Jährige. Auch in Schweden hat der Hersteller die Beschäftigung nach dem Aderlass vor zehn Jahren wieder massiv ausgebaut, um der Nachfrage nachzukommen. „The New Volvo V60 – Made by you“ steht auf einem großen Transparent in der Halle. Der Erfolg hat der Belegschaft den Stolz zurückgegeben.

Erst mal machen

Der Volvo-Chef hat nicht einmal mehr einen festen Arbeitsplatz auf der Chefetage im dreistöckigen Verwaltungsflachbau, wo die Büros und Konferenzräume wie Wohnzimmer aussehen. Samuelsson tigert durch das Stockwerk, sammelt sich hier und da Leute zusammen. Am liebsten führt er im Stehen, da kommt er schnell weiter.

Manche sagen, es gebe für das E-Auto kein Geschäftsmodell. Kosten und Lebenszyklen seien nicht kalkulierbar, erst einmal müssten Business-Cases her. Keines der Argumente findet Samuelsson ganz falsch. Man müsse aber jetzt erst einmal machen. „Der Preis eines Elektroautos wird definitiv höher sein als der eines Verbrenners“, kalkuliert der CEO. „Gleichzeitig sinken die Batteriepreise. Meine Einschätzung ist, dass das Elektroauto profitabler wird.“ Soll heißen: profitabler als der Verbrenner.

Noch ist nicht klar, ob Volvo die Technik rechtzeitig liefern kann. Ob die Kunden mitziehen. Ob die Kooperationen sich auszahlen, die Volvo mit den Techgiganten Uber, Google und Baidu eingegangen ist, um das größere Wagnis des autonomen Fahrens zu meistern. Oder ob sie vielmehr dazu führen, dass die Digitalfirmen den kleinen Anbieter übervorteilen. Samuelsson hat sich für Optimismus entschieden.

Das Autoimperium von Li Shufu

Der Beitrag ist in Capital 02/2019 erschienen. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes und GooglePlay

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