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Kolumne Verzicht auf Frieden im Nahen Osten

Rat- und hilflos sieht die Welt der Eskalation im Nahen Osten zu. Den besten Vorschlag hat ein israelischer Autor gemacht. Von Ines Zöttl
Ines Zöttl
Ines Zöttl schreibt an dieser Stelle über internationale Wirtschafts- und Politikthemen
© Trevor Good

Der „New-York-Times“-Autor Thomas Friedman hat eine Kolumne zum Friedensprozess im Nahen Osten einmal mit einer Anekdote begonnen, die ihm ein Freund aus Jordanien erzählt hatte: Zwei Freunde gucken zusammen einen Western. Sie wetten um zehn Dollar, ob der Indianer aus dem Hinterhalt das Bleichgesicht tötet. Er tut es, und der Verlierer zahlt. Dann aber gibt der Wettsieger zu, dass er die Szene schon kannte. Nun ja, sagt der Freund, auch er habe den Film schon gesehen. „Ich dachte nur, diesmal würde es anders ausgehen.“

Friedman hat das 2009 geschrieben, als der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern mal wieder nicht vorankam. Sein Fazit damals: Der Film werde nicht anders enden, nur weil man die gleiche Rolle wieder und wieder abspiele. Der Kolumnist empfahl den USA deshalb, sich einfach rauszuhalten. Es sei nicht Amerikas Sache, Frieden zu machen, sondern die der Konfliktparteien. Sollten die politischen Führer in Nahost es irgendwann ernst mit dem Bemühen um Frieden meinen, dann könnten sie sich wieder beim Präsidenten in Washington melden: „Wählt 202-456-1414. Fragt nach Barack. Andernfalls haltet Euch aus unserem Leben heraus. Wir müssen unser eigenes Land reparieren.“

Hardliner in der Oberhand

Fünf Jahre später ist der Frieden zwischen Israel und den Palästinensern so fern wie eh und je - obwohl sich US-Außenminister entgegen des Rats von Friedman seit seinem Amtsantritt unermüdlich reingehängt hatte. Stattdessen dreht sich wieder einmal die Spirale der Gewalt. Die internationale Diplomatie ringt darum, eine Eskalation zu verhindern. Die USA haben sich als Vermittler für eine Waffenruhe angeboten, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist in die Region gereist. Doch all diese Bemühungen wirken hilflos. Die Hardliner sind in der Oberhand. Es wäre viel erreicht, wenn eine Eskalation verhindert wird und das Töten aufhört. Doch dann?

Die Politiker beider Seiten wollen keinen Frieden. Sie wollten ihn nie in den vergangenen Jahren, trotz aller Gesprächsrunden, Neu- und Wiederbeginne. Jedenfalls nicht genug. Heute wie damals gilt, was Friedman schrieb: „Sie haben andere Prioritäten.“

Beim Publikum lösen die rituellen Friedensbeschwörungen währenddessen nur noch Frustration aus. Man wird müde, den Film mit dem immer gleichen Ende anzuschauen, nur noch halb hoffend, dass die Szene diesmal anders verläuft. Die Versuchung wächst, einfach umzuschalten. Sollen die Cowboys und Indianer das doch lösen, wie sie wollen. Wir haben genug andere Probleme.

Chance für einen Neubeginn

Deswegen kommt der beste Vorschlag nun von einem Schriftsteller. Vergeßt den Frieden, empfiehlt der bekannte israelische Autor Etgar Keret. Er meint das wörtlich: Man soll dieses „lähmende Wort“, das „auf der politischen Linken wie Rechten eine transzendente und messianische Bedeutung angenommen hat“, nicht mehr benutzen, schrieb er in der „FAZ“. Er will Frieden durch „Kompromiss“ ersetzen. Denn das Wort mache klar, „dass die so ersehnte Lösung nicht in unseren Gebeten zu Gott zu finden ist, sondern in unserem beharrlichen Festhalten an einem aufreibenden und keineswegs immer vollkommenen Dialog mit der anderen Seite.“ Frieden, so der 46-Jährige, sei kein Geschenk, das man kostenlos bekommen. Sondern „per definitionem ein Kompromiss“, für den jede Seite einen hohen Preis zahlen müsse. Beide Seiten müssen bereit sein, Zugeständnisse zu machen und sie müssen akzeptieren, dass es vielleicht noch eine andere Wahrheit als die eigenen gibt.

Kerets Vorschlag ist viel mehr als eine linguistische Spielerei. Er ist die Chance, nochmal zu beginnen. Wo über einen „Kompromiss“ gesprochen wird, ist es viel schwieriger, sich hinter wolkigen Bekundungen und Prinzipien zu verstecken. Und solche Gespräche wären nicht von Erwartungen überfrachtet.

Keret weiß schließlich, wovon er redet: Er ist nicht nur Buch, sondern auch Drehbuchautor. Der Nahostfilm braucht einen Remake. Mit einer Änderung im Plot.

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