Das Imperium des tödlich verunglückten Unister-Gründers Thomas Wagner ist bereits vor fünf Jahren ins Wanken geraten. Damals untersagte Google Unister eine Werbepraxis, die bis dahin etliche Millionen Euro in die Kassen des Leipziger Web-Pioniers gespült hatte. Seitdem kämpfte Unister bei seiner teuren Expansion mit einer angespannten Finanzlage. Capital hat hunderte Seiten Schriftverkehr zwischen Google und Unister ausgewertet. Ein Ex-Manager sagte gegenüber der Redaktion: „Das war der Anfang vom Ende Unisters.“
Die internen Dokumente belegen, dass Wagners Internet-Unternehmen bis zum Jahr 2011 weitreichende Geschäfte mittels der sogenannten Google-Arbitrage gemacht hat. Unister schaltete Anzeigen bei Google, um User auf seine unzähligen Seiten wie geld.de oder auto.de zu locken. Dort fand der Nutzer allerdings nicht das, was er suchte, beispielsweise eine günstige Waschmaschine oder ein rabattiertes Zugticket. Stattdessen wurden ihm weitere Werbebanner angezeigt, über die er sich zum eigentlichen Angebot durchklicken musste. Die unzähligen Unister-Domains leiteten die Kunden einfach weiter – und wurden damit zu lukrativen Ertragsquellen: Die Anzeigen-Erlöse von Unister bei Drittanbietern waren höher als das, was das Unternehmen selbst an Google zahlte. In Spitzenzeiten blieben „unterm Strich mehr als eine Million Euro im Monat hängen“, sagte ein ehemaliger Top-Manager von Unister.
Rechtlich umstrittene Praktiken für neue Erlösquellen
Nach Capital-Informationen hat Google sich diese Masche jahrelang gefallen lassen, obwohl sie eklatant gegen die eigene Policy verstoßen habe. Doch am 5. April 2011 schickte ein Manager aus der Europa-Zentrale unter der Betreffzeile „Unister AdWords Policy Violations Notice“ eine Mail an Wagner, in der Google detailliert die zahllosen Brüche der Geschäftsbedingungen durch Unister auflistet. Der Suchmaschinen-Konzern habe für Unister aufgrund „besonderer Umstände“ bereits eine „Ausnahme“ gemacht. Eigentlich hätte Unister längst „suspendiert“ werden müssen. Nach der Warnung lenkte Wagner ein und stoppte das Arbitrage-Geschäft. „Damit versiegte praktisch von heute auf morgen eine der wichtigsten Liquiditätsquellen“, sagte ein Ex-Manager.
In der Folge des Konflikts mit Google begann Unister, andere Erlösquellen anzuzapfen, um die weggebrochenen Einnahmen auszugleichen. Dazu zählten auch rechtlich umstrittene Praktiken wie der Vertrieb von Zusatzprodukten, die an Reiseversicherungen erinnern und irreführende Werbung durch fiktive „Streichpreise“ auf den Unister-Reiseportalen. Diese Praktiken führten letztlich zu den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und der Razzia in der Unister-Zentrale im Dezember 2012.
Google war nur "ein" Geschäftsmodell
Konstantin Korosides, ehemaliger Bereichsleiter Unternehmenskommunikation der Unister Holding von 2009 bis Sommer 2015 und Freund von Thomas Wagner legt Wert darauf, dass es sich bei der Google-Arbitrage nicht um "das" Geschäftsmodell von Unister, sondern nur um eines von mehreren gehandelt haben soll. Auch wenn die Google-Arbitrage eine "wichtige Säule" gewesen sei. "Das haben damals alle gemacht", sagt Korosides. "Man hat das mitgenommen." Es sei wie eine "Lizenz zum Geldrucken" gewesen.
Als diese Einkünfte ausblieben, sei das zwar ein großer Einschnitt gewesen, der einem Paradigmenwechsel gleichgekommen sei. Aber, so Korosides, das Geschäft mit Reisen und Versicherungen hätte deutlich mehr Gewinn abgeworfen als die Google-Arbitrage.Daher sei sie für den Unternehmenserfolg nicht ausschlaggebend gewesen.
Wagner sei ein "toller Unternehmer" gewesen, der Grenzen ausgetestet habe. Zum Geschäftsmodell von Unister hätte es gehört, sich ständig neu zu erfinden.
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