Es sei eine „riskante Wette“ gewesen, sagte Instagram-Chef Adam Mosseri letzte Woche zum Start des Twitter-Konkurrenten Threads. Offenbar zahlt sie sich aus. In Rekordzeit hat die App die Marke von 100 Millionen Nutzern geknackt. Und hat noch viel Raum nach oben. Das Kuriose: Twitters wichtigste Themen will man dort eigentlich nicht haben.
Wann genau die 100 Millionen Nutzer geknackt wurden, ist nicht genau klar. Nach Angaben des Branchendienstes Quiver Quantitative soll die Marke am Montagmorgen übersprungen worden sein. Andere Webseiten, die sich an den Downloads der App orientierten, hatten die Marke sogar schon am Wochenende gemeldet. In jedem Fall ist es ein Rekord: Der Chatbot ChatGPT hatte zwei Monate für die 100 Millionen Nutzer gebraucht, bei Tiktok waren es gar neun Monate. Twitter selbst hatte über fünf Jahre für diese Nutzerzahl benötigt.
Vertrauensverlust
Für Elon Musk sind das schlechte Nachrichten. Seit er Twitter im Herbst übernahm, leidet die Wahrnehmung des Kurznachrichtendienstes unter seinen teils erratischen Entscheidungen. Mit Massenentlassungen, dem Zusammenstreichen der Content-Moderation und dem Entsperren teils extremistischer Nutzer hat er die Stimmung bei den Nutzern deutlich verändert. Auch die Überarbeitung des Verifikationsmodells zu einem Abo hat Vertrauen gekostet.
Davon profitiert nun Threads. Es sie als „eine geistig gesund geführte Alternative“ konzipiert, hieß es in vorab durchgesickerten Meta-Dokumenten. Im Klartext heißt das: Mehr Moderation, weniger übergriffige oder anderweitig problematische Posts.
Erfolg ohne Nachrichten und Politik
Aber interessanterweise auch weniger von dem, was Twitter einst groß machte. Man wolle die Plattform bewusst nicht auf Politik und Nachrichtenthemen ausrichten, erklärte Mosseri in einem Threads-Post. „Die kleinen Vorteile die in Bezug auf Engagement und Einnahmen daraus entstehen, sind den Ärger, die Negativität (seien wir ehrlich) und das Integritäts-Risiko aus meiner Sicht nicht wert.“ Man wolle sich lieber auf andere Themen wie Sport, Musik, Fashion und Entertainment konzentrieren.
Diese Entwicklung passt zur allgemeinen Ausrichtung Metas in den letzten Jahren. Nachdem Facebook jahrelang für viele Menschen die Nachrichtenquelle Nummer eins geworden war und von den erhitzten Debatten dort profitiert hatte, brachten Vorwürfe zu Fakenews und dem Beitrag zur zunehmenden Spaltung der Gesellschaft der Firma viel Ärger ein. Anfang 2021 zog man entsprechend die Notbremse: Politische Nachrichten werden im Feed der Nutzer seitdem bewusst geringer gewichtet. Es wäre also durchaus verwunderlich, wenn Threads es nun anders machen würde.
Eine Milliarde als Ziel
Das Potenzial für mehr Wachstum hat Threads allemal. Jeder Instagram-Nutzer hat automatisch einen Account bei dem Netzwerk, das bedeutet zwei Milliarden monatlich aktive Nutzer, die sich nur einloggen müssen. Und: In der EU ist Threads noch gar nicht erhältlich (hier erfahren Sie, wie sie es trotzdem ausprobieren können). Einer der für westliche Dienste wichtigsten Märkte fehlt also noch vollständig. Die Erwartungen sind entsprechend hoch: Laut Meta-Chef Mark Zuckerberg will der Dienst in naher Zukunft eine Milliarde Menschen erreichen.
Das ist deutlich mehr als Twitter je erreicht hat. Obwohl Musk immer wieder betont, dass die Nutzerzahlen bei Twitter Rekordhochs erreichen, meldete Cloudflare am Wochnende, dass die Zahlen konsequent sinken. Offizielle Zahlen gibt Twitter seit der Übernahme nicht mehr heraus, im November hatte Twitter knapp 260 Millionen aktive Nutzer.
Der Twitter-Besitzer reagiert am Wochenende, wie man es von ihm gewohnt ist. Immer wieder griff Musk in den letzten Tagen Instagrams Mutterkonzern Meta an, warf ihm etwa bezahlte Zensur vor. Gegen Firmenchef Mark Zuckerberg, mit dem er sich schon zum Käfigkampf verabredet hat, wurde es noch persönlicher. „Zuck ist ein Cuck“, twittere Musk in Bezug auf einen sexuellen Fetisch, bei dem sich Männer demütigen lassen, indem sie andere Männer vor ihren Augen Sex mit ihren Partnerinnen haben lassen. Dann legte Musk gleich nochmal selbst nach. Er postete ein Emoji einer Lineals und schrieb dazu: „Ich schlage einen wortwörtlichen Schwanzvergleich vor.“
Quellen: Quiver Quantitative, The Verge, Adam Mosseri, Elon Musk
Dieser Artikel ist eine Übernahme von stern.de