Dass Elon Musk kein normaler Chef ist, hat er in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen. Doch so erratisch, wie Musk derzeit bei seiner neuesten Errungenschaft, dem Sozialen Netzwerk Twitter, agiert, ist selbst für den 51-Jährigen ungewöhnlich. Erst kündigte er der Hälfte seiner Mitarbeiter, die restlichen müssen nun Überstunden knüppeln – und der Resturlaub für dieses Jahr wurde auch noch gestrichen.
Vor Musk war Twitter einmal bekannt für seine gute Arbeitskultur – und das sogar über das „New Work“-Mekka, dem Silicon Valley, hinaus. Doch seit Musk da ist, hat sich das Bild umgekehrt. Über 3000 Mitarbeiter wurden gekündigt und selbst unter den Verbliebenen ist ein Fluchtreflex ausgebrochen. Allein zwischen Donnerstag und Freitag haben fünf Top-Manager – vom Chief Privacy Officer bis hin zum Head of Sales – gekündigt.
Für schlechte Stimmung sorgte offenbar auch die erste Ansprache von Musk an die Twitter-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Nach Bloomberg-Information erklärte Musk offenbar, dass Konkurs-Gefahr bestehe, wenn das Unternehmen nicht anfange, mehr Geld zu verdienen.
Investoren finden keine Abnehmer für Kreditderivate
Im Rahmen der Übernahme hat Musk Twitter Schulden über fast 13 Mrd. Dollar aufgebürdet. Sie befinden sich nun in den Händen von sieben Wall-Street-Banken, die nicht in der Lage waren, sie an Investoren weiterzugeben. Einer Schätzung zufolge könnten die jährlichen Zinskosten so auf 1,2 Mrd. Dollar klettern.
In seiner Rede an die Belegschaft sprach Musk mehrere düstere Warnungen aus. Die Mitarbeiter sollten sich auf eine 80-Stunden-Woche einstellen. Indessen werde es weniger Bürovergünstigungen wie kostenloses Essen geben. Musk beendete zudem die Flexibilität der Pandemie-Ära, die es den Mitarbeitern erlaubte, von zu Hause aus zu arbeiten. „Wenn ihr nicht kommen wollt, habt ihr die Kündigung akzeptiert”, sagte er laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person.
Zu den Finanzen und der Zukunft von Twitter sagte Musk, das Unternehmen müsse sich dringend darum bemühen, sein 8-Dollar-Abonnement-Produkt Twitter Blue zu etwas zu machen, für das die Nutzer bezahlen wollen – vor allem, da sich Werbekunden bereits aus Sorge vor schädlichen Inhalten zurückziehen.
Wie stichhaltig Musks Argumente sind, bleibt indes unklar: Der Tesla-Chef habe bereits in der Vergangenheit versucht, Mitarbeiter zu motivieren, indem er mit dem finanziellen Ruin des Unternehmens drohte, erklärte ein Insider gegenüber Bloomberg. Musk wolle die Vorstellung vermitteln, dass Twitter in eine sehr schwierige Lage gerät, wenn die Leute nicht hart arbeiten.
Musks Start bei Twitter war durch Verwerfungen geprägt. Binnen zwei Wochen entließ er die Hälfte der Twitter-Mitarbeiter und warf die meisten Spitzenmanager hinaus. Der von Musk ins neue Führungsteam geholte Firmenveteran Yoel Roth hat das Unternehmen informierten Kreisen inzwischen verlassen. Auch die Sales-Topmanagerin Robin Wheeler habe Twitter den Rücken kehren wollen, hieß es. Musk habe sie aber überzeugen können, zu bleiben.
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