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Kolumne Tückische Aktienmutation

Bankaktien sind nicht billig: Zur schwachen Kursentwicklung kommt eine Vervielfachung der Zahl der Aktien. Von Christian Kirchner
Deutsche Bank: Die Aktie kommt nicht aus den Puschen
Deutsche Bank: Die Aktie kommt nicht aus den Puschen
© Getty Images

Wie es um das Image der Deutschen Bank bestellt ist, war eindrucksvoll am Montag kurz vor der Tagesschau in der Sendung „Börse vor Acht“ zu erfahren. Der Moderator informierte über das Thema des Tages – die große Kapitalerhöhung der Deutschen Bank. 8 Mrd. Euro sammelt das Institut über die Ausgabe neuer Aktien ein. Da durfte der Chart mit der Tagesentwicklung der Aktie nicht fehlen: „Die Aktie nach der Ankündigung deutlich im Minus mit 1,7 Prozent“, kommentierte der Sprecher.

Deutlich im Minus? Gibt ein Unternehmen eine Kapitalerhöhung in einem solchen Ausmaß bekannt – immerhin gibt die Bank für zehn bestehende Aktien knapp vier neue aus – bricht der Kurs üblicherweise tatsächlich ein. Aber wirklich deutlich, das heißt, zehn, 15 Prozent und mehr. Schließlich ist eine Kapitalerhöhung auch ein klares Signal an die bestehenden Aktionäre: Entweder Ihr schießt Geld nach – oder aber Euer Anteil am Unternehmen sinkt durch die Ausgabe der neuen Aktien.

Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital
Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital

Das wirklich überraschende an der jüngsten Kursentwicklung ist, dass der Kurs der Deutschen Bank eben genau nicht nachgegeben hat und auch heute auf dem gleichen Niveau wie vor der Bekanntgabe der Mammut-Kapitalmaßnahme notiert. Was wiederum bedeutet: Das ganze Manöver war, auch in der Höhe der Summe, längst erwartet worden.

Sie war eigentlich auch schon lange überfällig, allein: Der Aktienkurs der Deutschen Bank kommt seit einem Jahr nicht aus den Puschen, während die Kurse der europäischen Rivalen wieder deutlich anziehen. Auf Jahressicht haben sich die Kurse der übrigen Banken der Eurozone im Schnitt um 45 Prozentpunkte besser entwickelt als der Kurs der Deutschen Bank. Einem Minus von knapp 20 Prozent steht ein Plus von 25 Prozent im Index Euro Stoxx Banks gegenüber. Natürlich ist dies auch einer Erholungsrally bei den zuvor tief gefallenen Banken der Peripheriestaaten geschuldet.

Aktionäre müssen büßen

Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack: Die Konstante im Ringen um die Kapitalquoten ist die aufzubringende Summe, die Variable der Aktienkurs. Und hier gilt für das Führugsduo von Anshu Jain und Jürgen Fitschen, dass der Kurs der Aktie der Deutschen Bank seit ihrem Amtsantritt im Juni 2012 kaum vom Fleck kam trotz der laufenden Rally an den Weltbörsen und der Erholung der Wirtschaft. Dafür büßen müssen die Aktionäre, deren Anteil an der Bank sinkt, wenn sie kein Geld nachschießen.

Jene Verwässerung des Anteilsbesitzes ist es auch, die vielen Anlegern die Sinne vernebelt, wenn es um die Frage geht, ob denn die Bankaktien nicht womöglich ein Kauf sein könnten. Denn was im Kurs tief fällt – die Deutsche Bank rund 70 Prozent von ihrem Kurshoch, die Commerzbank gar 96 Prozent – müsste ja eigentlich irgendwann einmal wieder steigen. Erst recht mit dem nachgetankten Kapital, oder?

Was die Charts nicht immer zeigen, ist, dass sich die Zahl der Aktien im Zuge der vielen Kapitalmaßnahmen seit Beginn der Finanzkrise bei Banken vervielfacht hat, ja regelrecht mutieren. Wer etwa 2007, also vor der Finanzkrise, Aktien einer Großbank gekauft hat und sich an den Kapitalerhöhungen nicht beteiligt, sprich: Dem schlechten Geld Gutes hinterher geworfen hat, der kann nicht nur allenfalls davon träumen, dass er seine Einstandskurse einmal wiedersieht. Die Charts sind schon traurig genug. Ihm gehört prozentual auch nur noch ein Bruchteil des Anteilsbesitzes als noch vor der Krise, und die erwirtschafteten Gewinne und ausgeschütteten Dividenden verteilen sich über deutlich mehr Aktien.

Nicht nur die Deutsche Bank schwächelt

Das hat teils groteske Folgen – und legt eindrucksvoll dar, warum die Branche nach wie vor allenfalls für notorische Optimisten und Spekulanten Kaufgelegenheiten bietet:

Der Kurs der einst größten Bank der Welt, der Citigroup, ist seit Ende 2007 und somit dem Beginn der Finanzkrise um 85 Prozent eingebrochen. An der Börse ist die Citigroup aber inzwischen trotz des Kurseinbruchs wieder 141 Mrd. Dollar Wert – in etwa genau so viel als Ende 2007. Der Grund: Die Zahl der Aktien hat sich im Zuge von Kapital- und Rettungsmaßnahmen seit Ende 2007 mehr als verfünffacht. Anders formuliert: Wer vor der Krise ein Prozent an der Citigroup besaß und sich schlafen gelegt hat, dem gehören heute nicht einmal mehr 0,2 Prozent.

Bei der Commerzbank ist das Bild noch dramatischer: Bereinigt um die Zusammenlegung von zehn Aktien zu einer im vergangenen Jahr ist die Zahl der Aktien von einst rund 66 Millionen vor der Finanzkrise auf nunmehr über 1,1 Milliarden mutiert. Mit dem Ergebnis, dass die Marktkapitalisierung der Bank mit knapp 13 Mrd. Euro trotz der horrenden Kursverluste nur knapp unter den vor der Krise erreichten 17 Mrd. Euro liegt.

Auch Aktionäre der Deutschen Bank mussten eine deutliche Verwässerung hinnehmen, wenn sie sich nicht an den Kapitalmaßnahmen beteiligt haben: Die Zahl der Aktien wird nach der nun angekündigten Kapitalmaßnahme bei knapp 1,4 Mrd. Euro liegen nach noch knapp 500 Millionen vor der Finanzkrise.

Weil diese Effekte branchenweit zu beobachten sind, zeichnen die Charts ein trügerisches Bild: Die Kurse sind dramatisch gefallen – nicht aber die Marktkapitalisierungen. Und wer kein Geld nachgeschossen hat, dessen Anteilsbesitz sank, wenn man von den Erlösen für den Verkauf von Bezugsrechten absieht.

Die nächsten Kapitalerhöhungen kommen bestimmt

Das bedeutet unter dem Strich, dass es fatal wäre, allein aus den optisch stark gefallenen Kursen ein Comebackpotenzial abzuleiten. Branchenweit bestechen in Europa derzeit nach der kräftigen Kurserholung weder die durchschnittliche Bewertung (das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2014 liegt bei 13) noch Dividendenrenditen (2,8 Prozent).

Um sich die Lage und die Folge der Inflation der Aktienzahl zu verdeutlichen, hilft folgendes Bild: Die größten europäischen Banken sind derzeit immer noch an der Börse mit zusammen rund 1100 Mrd. Euro bewertet – mehr als jeder andere Branche. Für jene 1100 Mrd. Euro könnte ein Investor also alle börsennotierten europäischen Großbanken bekommen – oder aber die komplette europäische börsennotierte Autobranche (inklusive aller Aktien von BMW, Daimler und den Vorzügen von Volkswagen), die komplette börsennotierte Einzelhandelsbranche (inklusive Metro, H&M), die börsennotierte Technologiebranche (inklusive SAP), und die börsennotierte Rohstoffbranche (inklusive Rio Tinto, BHP Biliton, Glencore) und hätte immer noch einige Milliarden übrig.

Und: Eine neue Welle an Kapitalerhöhungen läuft gerade erst an. Die Deutsche Bank war in der jüngeren Vergangenheit zwar die erste Großbank, die nochmals kräftig Kapital tankt in Europa. Sie wird aber garantiert nicht die letzte gewesen sein: Der für den Herbst geplante Stresstest der Europäischen Zentralbank wird weitere Kapitalmaßnahmen zur Folge habe – die Aktienmutation geht also munter weiter.

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