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US-Wahl Trump kann sehr wohl noch scheitern – an seinem Vize Vance

Republikar Donald Trump auf der Bühne (links) mit seinem Vize-Kandidat J. D. Vance
Republikar Donald Trump (links) beim Parteitag auf der Bühne mit seinem Vize-Kandidat J. D. Vance
© ASSOCIATED PRESS / Paul Sancya / Picture Alliance
Ein paar Tausend Stimmen könnten am Ende den Unterschied machen, doch die könnten Trump wegen Vize J.D. Vance flöten gehen. Der hängt, wie Trumps Unterstützer-Gang superreicher Tech-Unternehmer, radikallibertären Positionen an

Die Krönungsmesse ist gesungen, Donald Trump als Herausforderer der Republikaner für die anstehende Präsidentschaftswahl nominiert. Und viele Beobachter sind sich am Ende dieser Woche einig, dass Trump die Wahl nicht mehr zu nehmen ist. 

Hier der virile, bebende Herausforderer, dessen glühende Anhänger ihn auch über jede denkbare Schwäche hinwegtragen, dort ein alter Amtsinhaber, der sich halsstarrig an den mächtigsten Posten der Welt klammert, dabei aber weder Namen noch Gedanken zuverlässig sortiert bekommt. Dieses Duell sah schon vor den Ereignissen vom Wochenende und dieser Woche entschieden aus, nun tut es das noch mehr. 

Der Anschlag auf Donald Trump hat die diffizile Ausgangslage für Joe Biden auf eine geradezu groteske Art verdreht: Aus einem mächtigen Gegner, der wenig Skrupel kennt und der sich offen mit seinen diktatorischen Phantasien brüstet, wurde ein Held, ein Opfer und in den Augen seiner Anhänger mehr noch ein Märtyrer – mit allem übertriebenen und heiligen Ernst, zu dem nur Amerikaner in der Lage sind. Die Schüsse in Butler haben aus Trump, zumindest in den Augen seiner Anhänger, endgültig einen Gesandten Gottes gemacht.

Ikonisches Foto vom Attentat auf Trump

Im Grunde ist fast alles gesagt, auch über die ikonografischen Bilder des blutverschmierten Kandidaten, der trotzig seine Faust in die Luft reckt und auf dessen Lippen wir die Anweisung „Fight, Fight!“ an seine Anhänger lesen konnten. Als gemäßigt-pragmatischer Europäer, der aus der Distanz von vielen Tausend Kilometern die aufgepeitschte Stimmung im reichsten und mächtigsten Land der Erde ohnehin nicht mehr so richtig nachvollziehen kann, möchte man am liebsten jetzt vier Monate vorspulen und einfach nur das Ergebnis dieser Abstimmung entgegennehmen: Wenn sich die Amerikaner schon diesem Mann ausliefern wollen – und damit auch gleich die ganze Welt – bitte schön, dann macht es eben.

Doch diese allgemeine Stimmung und Kommentarlage trifft die Realität nicht so ganz. Es stimmt zwar, dass das offizielle Lager der Republikaner, die Abgeordneten und Delegierten auf dem Parteitag, in diesen Tagen so fest und unverwüstlich hinter Trump stehen wie wohl noch nie seit seinem Einstieg in die Politik vor bald zehn Jahren. Selbst einst mächtige Gegner und Kritiker wie Nikki Haley haben sich unterworfen oder sind, wie die frühere Kongressabgeordnete Liz Cheney (die von ihren vehementen Warnungen vor Trump keinen Millimeter abweicht), marginalisiert.

Aber das ändert alles nichts daran, dass sich die beiden großen Lager des Landes weiter unversöhnlich gegenüberstehen. Die Schüsse mögen die Republikaner anstacheln, doch je aufgepeitschter die Stimmung auf dieser Seite, desto fester wird sich die Gegenseite sammeln. Das Land ist und bleibt fest in zwei große Lager aufgeteilt.

Trump führt in Umfragen vor Biden

Darauf deuten auch die Umfragen aus dieser Woche hin: Trump führt zwar landesweit sowie, und das ist ja wichtiger, in den entscheidenden Swingstates, also jener Handvoll notorisch umkämpfter Bundesstaaten, deren Wahlmänner und -frauen am Ende darüber entscheiden, wer ins Weiße Haus einziehen darf. Doch Trumps Vorsprung auf Biden ist nicht wesentlich gewachsen: Er ist oft nach wie vor knapp und liegt im Bereich der üblichen Fehlermarge.

Schon bei den vergangenen Wahlen entschieden am Ende ein paar Tausend Stimmen in einigen wenigen Bundestaaten darüber, welches Lager das Präsidentenamt übernimmt. Es gewinnt, wer seine Leute in diesen Staaten am besten mobilisiert. Im Moment sieht dies klar nach den Republikanern aus – aber die waren auch schon vor dem Attentat und dem Parteitag auf der Zinne. Die Demokraten hingegen haben so richtig noch gar nicht angefangen – vielmehr reiben sie sich auf in Sorgen und berechtigten Zweifeln an ihrem Spitzenkandidaten.

In den kommenden Wochen könnte sich jedoch erweisen, dass Trump, auf dem Höhepunkt seiner parteiinternen Macht und in völliger Überzeugung seines nahenden Triumphs – „Wir werden sowieso gewinnen“, sagte er in seiner Nominierungsrede vergangene Nacht – einen entscheidenden Fehler begangen hat: Sein Vize-Kandidat J.D. Vance ist kein Mann, der unentschiedene oder skeptische Wechselwähler durch einen moderateren Ton oder die eine oder andere Nuance in der scharfen Rhetorik Trumps überzeugen könnte, im Gegenteil. Er ist selbst eine schillernde, in manchen Augen auch zwielichtige Figur, die sich die Wahrheit gerne so hinbiegt, wie es gerade am besten passt. Und der zumindest jetzt als knallharter Abtreibungsgegner und konservativer Scharfmacher die entscheidenden unentschiedenen Wählerinnen und Wähler wieder verschrecken kann.

US-Präsidentschaftswahl: Ist Donald Trump eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft?

Ist Donald Trump eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft?

01:22 min

Trump und Vance – das ist in den Augen all jener, die nicht schon zuvor zu einhundert Prozent überzeugt waren, eher eine umso größere Gefahr. Aber sicher keine Verheißung. Daran ändert auch nichts, dass Trump in dieser Nacht etwas versöhnlicher auftrat, diese Rolle wird er nicht lange durchhalten: Denn die ganze Energie seiner Bewegung speist sich aus Abgrenzung und Diffamierung. Dass Elon Musk angekündigt hat, ab jetzt den Wahlkampf des Duos jeden Monat mit 45 Mio. Dollar unterstützen zu wollen, wird es in den Augen der Zweifler und Skeptiker nur noch schlimmer machen: Da versucht eine Gang superreicher und radikallibertärer Tech-Unternehmer, sich gerade das Präsidentenamt zu kaufen, so sieht das aus. 

Chance für die Demokraten von Joe Biden

Für die Demokraten könnte diese Woche somit eine Chance sein. Allerdings müssten sie dafür ihrem Präsidenten schonend aber deutlich beibiegen, dass er nicht noch mal in die Auseinandersetzung ziehen kann. Sondern dass es Zeit ist, einem oder einer Jüngeren Platz zu machen. Als wollte der in den USA so oft bemühte Allmächtige nach der Kugel noch ein Zeichen setzen, hat Biden jetzt das Corona-Virus erwischt, er musste sich zurückziehen und alle Termine absagen. Ein neuerlicher Ausfall in diesen wichtigen Wochen wird die Debatte um ihn nicht beruhigen, sondern verstärken. Bidens Tage als Spitzenkandidat der Demokraten scheinen gezählt, es ist nur noch die Frage, wie und durch wen er ersetzt werden wird.

Für die Wahlen im November bedeutet dies: So schaurig es klingt, aber der Wahlkampf hat im Grunde noch gar nicht richtig angefangen. All jene, die noch auf einen Sieg der Vernunft hoffen, sollten dies als Chance begreifen.

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