Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Foto: DIW/Daniel Morsey
Die Wahl in den USA ist nicht eine zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen links und rechts, zwischen Mann und Frau – es geht um viel, um sehr viel mehr. Diese Wahl ist eine zwischen Vergangenheit und Zukunft. Nirgends wird das so deutlich wie in der Energie- und Klimapolitik.
Donald Trump steht für die Vergangenheit. Er kämpft für die Energiepolitik von gestern oder besser: Er kämpft für die Energiepolitik von vor 25 Jahren. Alles, was damals gut schien, will er möglichst lang konservieren: Kohle, Atom und Öl. Zukunft findet für ihn nicht statt. Kein Wunder, dass er jede seriöse wissenschaftliche Prognose verweigert und den Weltklimavertrag aufkündigen will.
Hillary Clinton dagegen steht für die Zukunft: Sie will die erneuerbaren Energien stärken, den Klimavertrag weiterentwickeln und Wirtschaft und Gesellschaft in punkto Energie fit machen für eine künftige Digitalisierung und Dezentralisierung.
Wettlauf um die Energieinnovationen
Je nachdem welche Technologie der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin in den kommenden Jahren unterstützen wird, würde die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt entweder die wichtigsten Jahre im Wettlauf der technologischen Neuerungen aktiv mitgestalten oder komplett verschlafen.
Das Rennen hat bereits begonnen. Kohle- und Atomtechnologie gehören gleichermaßen der Vergangenheit an. Genauso wenig wie wir privat noch Kohleöfen nutzen, um unsere Wohnungen zu heizen, wird man in einigen Jahrzehnten noch Strom in Kohlekraftwerken erzeugen. Was drinnen die Tapeten grau und rußig werden lässt, verdreckt draußen die Umwelt.
Schlimmer noch: Schon der Abbau des Rohstoffs Kohle - noch bevor sie verbrannt und ihre schädliche Folgen durch modernste Filter gemindert werden können -verursacht erhebliche Umwelt- und Gesundheitsschäden, auch und gerade in den USA. Und die Treibhausgase verschmutzen nicht nur die Umwelt, sondern belasten in erheblichem Umfang das globale Klima. Kohletechnologie produziert erhebliche Schäden für die Wirtschaft, für Innovationen und durch Altlasten.
Auch die Atomenergie verursacht Kosten - und zwar erhebliche. Nicht nur Bau und Rückbau der Anlagen sind marktwirtschaftlich nicht finanzierbar, sondern vor allem die Lagerung und Beseitigung des Atommülls. Sowieso steht nach wie vor auch in den USA die Frage unbeantwortet im Raum: Wohin mit dem radioaktiven Abfall? Auch in den USA gibt es kein Atom-Endlager.
Trump beschwört die Vergangenheit
Trumps trotzig-ignorante Antwort: Augen zu und vorwärts in die Vergangenheit! Das ist keine wirklich smarte Strategie. Die künftige Energiewelt, wie sie sich schon heute an allen Ecken und Zipfeln der Welt zeigt, ist kleinteilig und dezentral. Sie basiert auf einer klugen Vernetzung volatiler erneuerbarer Energien, flexibler Speicher und intelligenter Energiemanagement- und Einspar-Technologien. Die Methoden und Techniken der alten Energiewelt passen nicht dazu. Die Energiesysteme des 20. Jahrhunderts basierten auf zentralen und inflexiblen Strukturen. Wenn eins klar ist, dann das: Kohle- und Atomkraftwerke sind den Anforderungen an die Flexibilität des Stromsystems nicht gewachsen.
Selbst China, das viele fälschlicherweise immer noch für ein Schwellenland halten und das der technologischen Entwicklung der westlichen Industrieländer hinterherhinkt, ist inzwischen weiter. Das Reich der Mitte setzt – getrieben durch aufgrund akuter Luftverschmutzung – immer weniger auf Kohleenergie, sondern stattdessen auf erneuerbare Energien. Die Zeiten haben sich massiv geändert: Selbst China wirbt weltweit für Klimaschutz und hat kürzlich den Präsidentschaftskandidaten Trump gewarnt, nicht aus dem Klimavertrag auszusteigen. Das ist kein grüner Idealismus, sondern knallhartes ökonomisches Interesse: China will den Wettlauf um die besten Technologien gewinnen.
Die neue Energiewelt steckt voller Chancen
Das will auch Clinton, wenn sie amerikanische Präsidentin wird. Sie hat erkannt, dass die neue Energiewelt nicht nur durch mehr Dezentralität, Flexibilität und Intelligenz gekennzeichnet ist. Die Weichen für den Umbau müssen heute gestellt werden. Die Politikerin weiß auch, dass erneuerbare Energie eine Chance für die Demokratie ist. Bürgerinnen und Bürger können die neue Energiewelt selbst gestalten: Mit privaten Solaranlagen oder eigenen Kraft-Wärmeanlagen beteiligen sie sich aktiv an der Herstellung von Energie, die Batterie ihres Elektroauto unterstützt die dezentrale Bereitstellung von gespeicherter Energie und so entwickelt sich mittels „Blockchain“ ein dezentraler Energiemarkt. Das bedeutet weniger Abhängigkeit von Öl produzierenden Ländern und ihren radikalen Despoten. Und am besten keine Kriege mehr um Öl oder Uran. Für die künftige US-Präsidentschaft wären das rosige Aussichten.
Und auch wirtschaftlich steckt die neue Energiewelt voller Chancen. Kalifornien macht es vor: Es baut die weltweit besten Elektroautos, stellt Batteriespeicher vor und will künftig auch noch Solarziegel für das Hausdach anbieten. So geht Energiewende demokratisch, zukunftsorientiert und ökonomisch effizient.
Die US-Amerikaner haben die Wahl zwischen Totalitarismus, Einseitigkeit und Engstirnigkeit oder Zukunft, Intelligenz, Demokratie und Partizipation. Die Entscheidung zwischen Trump oder Clinton ist auch eine Entscheidung zwischen nostalgischer Fortschrittsverweigerung und zukunftsgewandtem Fortschrittswillen – kurz: Es ist eine Wahl zwischen gestern und morgen, auch und gerade in der Energie- und Klimapolitik.
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