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Gastkommentar Traut Euch, Gründer!

Nicht nur Geldmangel und Bürokratie hemmen deutsche Start-ups. Es mangelt manchmal auch an Mut und Visionen. Von Christian Illek
Christian Illek
Christian Illek
© Microsoft

Christian Illek ist Geschäftsführer der Deutschland-Tochter des Software-Konzerns Microsoft

„Weniger Bürokratie für Gründer“, „mehr Geld für Startups“, „Steueranreize für Risikokapital“, Entrepreneurship als Schulfach“, „eine neue Kultur des Scheiterns“… In Deutschland mangelt es an Gründergeist – aber nicht an Ideen, den Mangel zu beheben. Die meisten sind nicht neu, aber durchaus gut. Dass sie dennoch nicht den Kern der Sache treffen, zeigt der aktuelle Gründerboom in der deutschen Hauptstadt. Ganz ohne Steueranreize, staatliche Förderung und Bürokratieabbau, ohne neue Lehrpläne und ohne grundlegenden Kulturwandel ist in Berlin eine sehr lebendige Gründerszene entstanden. Täglich werden hier fünf neue IT-Firmen gegründet – manche haben es schon zu einer gesunden Größe gebracht, manche haben ausländische Investoren angelockt und manche schreiben sogar dauerhaft schwarze Zahlen. Enthusiasten nennen Berlin deshalb bereits in einem Atemzug mit London oder Tel Aviv und sprechen von einer neuen deutschen Gründerzeit.

Doch der Vergleich hinkt – leider! Die Berliner Sonderkonjunktur ändert nichts daran, dass die Zahl der Unternehmensgründungen im deutschen ITK-Sektor zuletzt kaum höher war als 1995. Sicherlich: Die Start-Bedingungen für Gründer sind in Deutschland schwierig. Laut aktuellem Doing-Business-Report der Weltbank ist es in kaum einem Land schwieriger ein Start-up zu gründen wie in Deutschland – die Bundesrepublik rangiert in dieser Kategorie auf Platz 114 – noch hinter Iran und der Mongolei.

Aber nicht nur die administrativen Rahmenbedingungen sind schwierig. Vielleicht mangelt es in einigen Teilen Deutschlands nach wie vor auch an einem besonderen Gründergeist. Und dieser Mangel steckt in den Köpfen der Menschen: Es mangelt manchmal an Mut und Visionen.

Glaubt an eure Ideen

Das ist schade. Denn nie zuvor gab es so viele Möglichkeiten, mit geringen Mitteln ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen. Nie zuvor hatten Menschen einen so guten Zugang zu Wissen, Informationen und Technologie wie heute. Im Umfeld von Cloud-Computing, Smartphone-Boom und App-Entwicklung haben heute schon Schüler die Möglichkeit, sich als Jungunternehmer zu beweisen: Man denke nur an den 14jährigen Programmierer Felix Guttbier, der im vergangenen Jahr auf der Cebit den „Innovate 4 Society“-Preis für seine App-Entwicklungen gewonnen hat. Nie standen die Chancen so gut, aus einer kleinen Idee etwas ganz Großes zu entwickeln. Nie zuvor konnten Gründer die Spielregeln ganzer Wirtschaftszweige neu definieren. Der gewaltige Umbruch im Handel, in der Musikwirtschaft, im Buchmarkt ist erst der Anfang. Die Digitalisierung macht vor keiner Branche halt und ebnet den Boden für eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle.

„Traut euch!“ möchte man den vielen begabten Menschen in Deutschland zurufen. Traut Euch, an Eure eigenen Ideen zu glauben und andere davon zu überzeugen! Traut Euch, Eure Talente, Eure Energie und Eure Zeit für ein Ziel einzusetzen, das ihr selbst bestimmen könnt! Traut Euch, das Risiko einzugehen, mit euren Plänen zu scheitern!

Das gilt ganz besonders für die vielen begabten Frauen in Deutschland. Der Anteil der Unternehmensgründerinnen in Deutschland ist noch immer verschwindend gering, im vielversprechenden ITK-Sektor tendiert er gegen Null. Unter den ersten 360 Bewerbern für das Microsoft Accelerator-Programm beispielswiese, das Microsoft Berlin im vergangenen November gestartet hat, waren gerade mal drei Frauen.

Deutsche Start-ups sind zu schnell zufrieden

Aber auch denen, die sich schon getraut haben, den Gründern in Berlin und anderswo, möchte man das „Traut Euch“ immer wieder zurufen. Traut Euch, einmal ganz groß zu denken. Traut Euch, über Deutschland hinaus zu denken. Traut Euch, Risiken einzugehen – denn es gibt viel zu gewinnen.

In Deutschland, so heißt es, fehle Risikokapital, vor allem im Bereich der Wachstumsfinanzierung. Das ist auf jeden Fall richtig, wenn wir uns den internationalen Vergleich anschauen. Wenn man aber mit ausländischen Wagniskapitalgebern spricht, die derzeit auch in Deutschland unterwegs sind, dann ist manchmal von einem Mangel an Mut und Visionen die Rede: Deutsche Gründer seien schon mit der ersten Umsatzmillion zufrieden, sie machten es sich gerne in ihrem Kiez gemütlich und dächten selten über Deutschland hinaus.

Das Bild vom zufriedenen Kleinunternehmer, der in seinem Hinterhof-Loft mit einer Handvoll Kumpels vor sich hin werkelt, ist natürlich sympathisch. Doch erstens handelt es sich wahrscheinlich um eine prekäre Idylle, weil heute jede Geschäftsidee in rasendem Tempo kopiert wird. Und zweitens bleibt der Standort Deutschland schnell auf der Strecke, wenn er sich nur auf diesen Gründertypus verlassen muss. Wir sehnen uns doch alle nach dem nächsten Google, Apple oder Microsoft mit deutschen Wurzeln. Auch Larry Page, Steve Jobs und Bill Gates haben sich einfach getraut.

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