Nichts gegen Daniel Kretinsky. Der gerade einmal 48 Jahre alte Multiunternehmer aus dem tschechischen Brünn hat in nur 20 Jahren ein Geschäftsimperium errichtet, das mittlerweile über 10 Mrd. Euro wert sein dürfte. Zu seinem Reich gehören Beteiligungen an französischen Medien, der britischen Royal Post, der deutschen Metro AG und der Energieholding EPH in seiner Heimat. Doch was bringt Kretinsky mit, um die Stahlsparte von Thyssenkrupp zu übernehmen? Wie das „Handelsblatt“ in der letzten Woche meldete, nähern sich die Kaufverhandlungen mit ihm bereits dem Finale. Irgendetwas muss also dran sein an dem Mann. Nur was?
Bringt Kretinsky Branchen-Know-how mit? Sicherlich nicht. Verfügt der Tscheche über üppige Kapitalreserven, um den teuren Umbau zum Lieferanten von „grünem Stahl“ zu finanzieren? Nein. Nach dem Beutezug quer durch Europa schleppt der Milliardär einiges an Schulden mit sich herum. Könnte Kretinsky die seit langem immer wieder diskutierte Fusion mehrerer europäischer Stahlkonzerne gelingen? So gut oder so schlecht wie jedem anderen Finanzjongleur. Ist der 48-Jährige ein guter Sanierer, der Thyssenkrupp Steel Europe rank und schlank aufstellen kann? Das schon. Aber wieso soll ein Outsider dabei erfolgreicher sein als der Konzern selbst, der angeblich seit Jahren nichts anderes macht? In Essen raunen einige, Kretinsky könne Synergien mit seiner Energie-Holding heben. Mag sein. Aber am Ende entscheidet die innere Wettbewerbskraft der Stahlproduktion selbst.
Kann Kretinsky zaubern?
Ein bisschen erinnern die Hoffnungen auf einen erfolgreichen Mann wie Kretinsky an den Kinderglauben an den wundertätigen Weihnachtsmann. Er soll aus dem Sack seiner unternehmerischen Erfahrungen irgendetwas hervorzaubern, auf das in Essen in den letzten Jahren niemand gekommen ist. Vor gut drei Jahren sah es schon einmal so aus, als ob man so einen Wundertäter gefunden hatte: den Briten Sanjeev Gupta. Nach seiner Papierform schien der indischstämmige Milliardär sogar viel besser als Kretinsky geeignet, die Wende in der Stahlsparte zu stemmen. Schließlich verfügte der Multiunternehmer über viele Erfahrungen aus der Stahl- und Rohstoffbranche. Erst später stellte sich heraus, dass Gupta keinen Euro an echtem Eigenkapital in die Übernahme stecken wollte. Und sein gesamtes Reich bereits wackelte, weil es nur noch mit windigen Finanzierungen einer windigen Bank überlebensfähig war.
Nun soll man Kretinsky nicht mit Gupta gleichsetzen. Im Vergleich mit dem Briten wirkt der Tscheche wie ein Muster an Solidität. Aber auch er kann den Stahl nur sanieren, wenn Thyssenkrupp selbst eine gewaltige Mitgift für die Tochter aufbringt. Daran sind alle seriösen Verhandlungen mit anderen Stahlkonzernen bisher immer wieder gescheitert: Die Mutter verfügt nicht über das Geld, um Kapital in gewünschter Höhe nachzuschießen.
Zu befürchten ist daher, dass Thyssenkrupp irgendwann auf eine reine Bilanzreinigungsaktion verfällt: Man verschenkt einen Teil des Stahls, nur um ihn später ganz loszuwerden. Die große Frage ist nur, ob die Arbeitnehmer von Thyssenkrupp dabei mitmachen.