Im Editorial unserer Februar-Ausgabe kritisiert Chefredakteur Horst von Buttlar das seiner Meinung nach gestörte Verhältnis der Deutschen zur Wirtschaft. Weltmarktführer, Wirtschaftswunder – die Deutschen seien stolz auf ihre Erfolge. Trotzdem habe die Wirtschaft ein Imageproblem, was sich nicht zuletzt am Streit um Wirtschaft als Unterrichtsfach zeigt. Gegen Wirtschaft in der Schule gibt es großen Widerstand. Kritiker fürchten eine Vollökonomisierung der Kinder. Von Buttlar hält dagegen: „Wenn man schon in der Schule etwas über die Megathemen unserer Zeit, über Staatsschulden, Finanzkrisen und Leistungsbilanzen lernen würde, wäre das doch ausgesprochen nützlich.“ Den vollständigen Text finden Sie hier.
Zu dem Editorial haben uns viele Zuschriften erreicht – viel Lob, aber auch Kritik. Wir dokumentieren im Folgenden einige Meinungsäußerungen. Wenn Sie sich auch an der Debatte beteiligen wollen schreiben Sie uns per Mail an leserbriefe@capital.de oder nutzen Sie die Kommentarfunktion am Ende des Artikels. (Bitte beachten Sie, dass wir die einzelnen Beiträge freischalten müssen, wodurch sich zeitliche Verzögerungen ergeben).
"Wirtschaft für jedermann – Fragen und Antworten"
In Ihrem Editorial treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Meine Nichte kennt bald alle griechischen Philosophen, denkt allerdings bei dem Begriff „Wirtschaft“ eher, dass es bald wieder zum Essen geht.Marc Cavatoni, via E-Mail
Sie sprechen mir aus der Seele. Nur zu einer Formulierung melde ich Widerspruch an: Sie schreiben von „Sozialkunde-Schluffis“. Nun, ich bin selbst ein solcher Schluffi, habe in den 80er-Jahren das Fach „Sozialwissenschaften“ (NRW) für das höhere Lehramt studiert. Es bestand aus den drei Teildisziplinen Wirtschaft, Soziologie und Politik. Der Grundgedanke war, die Verflechtung der einzelnen Bereiche in der Lebenswirklichkeit zu betonen. Dies war keine Selbstverständlichkeit. Die Ökonomie wurde damals von der Mathematik dominiert. Jüngere Ökonomen haben sich heute längst von der Verherrlichung der Mathematik verabschiedet und fassen die vielen Facetten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens ins Auge. Dieser Trend hat auch Ihr Magazin erfasst: Nach dem Relaunch setzen Sie verstärkt auf Geschichten, in denen sich ökonomische, soziale und politische Aspekte vermischen. Ihr neuer Untertitel „Wirtschaft ist Gesellschaft“ bringt das Anliegen des Schulfaches Sozialwissenschaften auf den Punkt. Ernst Müller, via E-Mail
Recht haben Sie. Es gibt leider zu viele Menschen, die nicht wissen, was Zinsen sind, was ein Überziehungskredit ist und wie sie sich damit ruinieren können. Am besten schreiben Sie eine App: Wirtschaft für jedermann – Fragen und Antworten.Traudl Gaissert, via E-Mail
Wo bleibt der Aufschrei aus der Wirtschaft?
Ich bin Lehrerin im Freistaat Sachsen. Bei uns gibt es das Fach Wirtschaft seit Langem unter dem Begriff Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft am Gymnasium und an der Oberschule unter dem Begriff Wirtschaft-Technik-Haushalt/Soziales. Vor geraumer Zeit mussten wir das Fach Astronomie zugunsten der zweiten Wochenstunde von Ethik/Religion abschaffen. Aber es kam kein Aufschrei aus der Wirtschaft. Wo bleibt dabei eigentlich der Anspruch auf Deutschlands führende Rolle in der Luft- und Raumfahrt?Astrid Kahler, via E-Mail
Den angesprochenen Modellversuch zum Fach Wirtschaft in der Schule habe ich 2006/2007 selbst erlebt. Damals wurde das Fach das erste Mal als vierstündige Unterrichtseinheit an einem Gymnasium in Baden-Württemberg angeboten. Der Lehrer unterrichtete ansonsten Geschichte und Sozialkunde und hatte sich den Stoff über die Sommerferien in einem Lehrgang angeeignet. 15 von 90 Oberstufenschülern hatten den Kurs belegt und lernten in den kommenden vier Halbjahren die Grundlagen der VWL und BWL. Acht schrieben auch eine schriftliche Abiturprüfung. Es war ein interessantes Fach und veranlasste mich dazu, meine Studienwahl von Maschinenbau auf Wirtschaftsingenieurwesen zu ändern.
Robert Spermann, via E-Mail
"...mal wieder richtig deutsch"
Danke für dieses Vorwort. Es ist angenehm zu wissen, dass es auch Presse gibt, die unsere Wirtschaftsmacht nicht verteufelt und keine Angst sät. Selbst als Bewohner der „Wirtschaftsenklave Bayern“ fragt man sich fast täglich, warum ticken in Deutschland so oft die Uhren anders!? Das könnte man stundenlang diskutieren, daher bin ich sehr froh, dass Sie so mutig und provokant den Finger in die Wunde gelegt haben.
Jörg Kintzel, Nürnberg
Ihr Editorial war mal wieder richtig deutsch. Ich habe Deutschland vor 20 Jahren verlassen und schaue seitdem aus Afrika, Asien und Amerika zurück auf unser Heimatland. Deutschland hat viel erreicht. Wirtschaftlich und sozial führen wir eine leitende, aber angenehm bescheidene Rolle in der Welt. Das Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Sozialwesen trägt wesentlich zu unserem Erfolg bei. Statt zu diskutieren, ob wir nun Wirtschaft in der Schule lehren sollen, sollten wir mit Gelassenheit und Stolz auf das Erreichte schauen. Unser bewährtes System hat uns weit gebracht. Lassen wir es uns etwas undeutsch jetzt doch einfach mal genießen, statt es, typisch deutsch, infrage zu stellen.Torsten Kuenzlen, Denver, USA
"Wirtschaft ist geil"
Die Angst vor Wirtschaft/Finanzen, aber auch Lobbyarbeit verschiedener Wirtschaftszweige behindern eine Vermittlung von Basiswissen in breiten Schichten der Gesellschaft. Aus unterschiedlichen Beweggründen wird die Masse unwissend gehalten und mit Themen abgelenkt, die nicht wehtun – Religion zum Beispiel. Otto Normalverbraucher soll über seine Verhältnisse konsumieren, Massen von überteuerten, aber wertlosen Lebensmitteln in sich stopfen, sich mit teuren Medikamenten kurieren, Finanzprodukte nicht durchschauen, geschweige denn das Prinzip des Zinseszins verstehen.Mats Cederholm, Stockholm
Sie sprechen mir aus der Seele. Ich bin Unternehmer seit 40 Jahren. Warum können wir uns diesen üppigen Sozialstaat leisten? Weil wir Exportweltmeister sind und viele Menschen in Deutschland haben, die von Wirtschaft etwas verstehen.Werner Knoche, via E-Mail
Sie sprechen mir aus dem Herzen, als jemandem der seit 30 Jahren für unsere Wirtschaft arbeitet. Was ich vermisse, ist, dass ein Ausdruck wie „Wirtschaft ist geil“ nicht zu unseren alltäglichen Floskeln gehört. Wie aufregend kann ein gutes Geschäft sein, wie schön kann der Umgang mit Menschen sein, wie toll kann das Erreichen gesteckter Ziele sein. All dies sind kleine Grundbausteine, die im großen Wirtschaftsgefüge an der Tagesordnung sind und dazu beitragen, das große Ganze besser zu verstehen. Es bedarf jedoch eines Heranführens an das Thema Wirtschaft. In den Schulen fängt dies an und hört dann irgendwann bei einer Bankenkrise auf. Wichtig ist, dass erkannt wird, wie spannend das alles ist. Nur dann kann man mitreden. Die ganzen Thekengespräche über Banken, Finanzen, Heuschrecken haben mit den Tatsachen nichts zu tun. Mike Blumberg, via E-Mail