Einen Fehler gemacht zu haben, gesteht Alice Schwarzer ein. Die Frauenrechtlerin hat in den 80er-Jahren offenbar beträchtliche Summen in die Schweiz geschafft und dem deutschen Fiskus Steuern vorenthalten. Sie habe „rund 200.000 Euro Steuern nachgezahlt, plus Säumniszinsen“, schreibt Schwarzer.
Wäre die ganze Aktion vielleicht überflüssig gewesen, wenn das Steuersystem frauenfreundlicher wäre? In der "Financial Times Deutschland" plädierten schon 2007 zwei renommierte Ökonomen dafür, weibliche Steuerzahler geringer zu belasten. Ihnen ging es allerdings nicht um verringerte Anreize zur Steuerflucht, sondern um eine höhere Frauenerwerbsquote.
Wir dokumentieren noch einmal ihren Plan:
Steuerreform für die Hälfte
Frauen sollten niedrigere Einkommensteuern zahlen als Männer. Das würde die Frauenerwerbsquote erhöhen und hätte zudem sinnvolle gesellschaftspolitische Folgen Von Alberto Alesina und Andrea Ichino
Normalerweise vertreten Anhänger der freien Marktwirtschaft und diejenigen, die sich um die Effizienzverluste durch Besteuerung sorgen, eine ganz andere Meinung als Bürgerrechtler, die umfassende Eingriffe des Staates für nötig halten, um diverse gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Hier jedoch ist ein Vorschlag, den beide Lager unterstützen können sollten: Senkt die Einkommensteuer für Frauen und erhöht - in geringerem Ausmaß - die Steuer für Männer.
Das mag überraschend klingen, ist aber machbar, ohne die Steuereinnahmen oder die durchschnittlichen Sätze zu senken. Diese Maßnahme würde die Beteiligung der Frauen an der Erwerbsarbeit steigern. Sie würde ähnliche Ziele wie Gleichstellungsmaßnahmen, Quoten oder geförderte Kinderbetreuung erreichen und könnte diese allesamt ersetzen. Benachteiligung aufgrund des Geschlechts würde für Arbeitgeber kostspieliger. Es wäre gerecht, weil Frauen dafür entschädigt würden, die Hauptlast der Schwangerschaft zu tragen, und dafür, dass sich die Möglichkeit, Kinder bekommen zu können, negativ auf ihre Karriereaussichten auswirken kann.
Die Steuern der Männer sollen weniger stark angehoben als die der Frauen gesenkt werden, trotzdem bleiben die Einnahmen gleich? Wie lässt sich das scheinbar Unmögliche erreichen? Das weiß jeder Student der Finanzwissenschaft: Das Angebot von Frauenarbeit hängt stark vom Nettolohn ab, eine niedrigere Besteuerung erhöht die Frauenerwerbsquote deutlich. Das Angebot von Männerarbeit ist weniger flexibel, eine höhere Besteuerung reduziert es also, wenn überhaupt, nur geringfügig. Ergo wird ein Abbau der Schieflage bei gleichbleibenden Steuereinnahmen erreicht. Hier wird einfach das allgemeine Prinzip der Finanzwissenschaften angewendet, dass Waren mit flexiblerem Angebot geringer besteuert werden sollten.
Frauen wären für Arbeitgeber attraktiver
Unsere Berechnungen lassen den Schluss zu, dass der Steuerunterschied zwischen den Geschlechtern recht groß sein könnte, vor allem in den Ländern, in denen der Anteil der Frauen an der Erwerbsbevölkerung nicht so hoch ist.
Wir reden hier von Menschen, nicht von Gütern, deshalb muss man fragen, ob ein derartiger Schritt andere soziale Ziele untergraben würde. Das tut er nicht, deshalb sollten auch Bürgerrechtler für unsere Maßnahme eintreten. Das Ziel, die Erwerbsquote von Frauen zu erhöhen, wird explizit in der Lissabon-Agenda der EU genannt. Sie steckt ein sehr ehrgeiziges Ziel ab, insbesondere in Südeuropa, wo Frauen häufiger zu Hause bleiben. Die "Kosten des Arbeitens" (sprich die Steuern) für Frauen zu reduzieren ist der einfachste und direkteste Weg, dieses Ziel zu erreichen.
Viele Maßnahmen der "Frauenquoten" oder Gleichstellungsauflagen gehen davon aus, dass Frauen diskriminiert werden könnten. Eine niedrigere Besteuerung von Frauen würde ihren Vorsteuerlohn senken und ihren Nachsteuerlohn verbessern, wodurch es relativ gesehen günstiger für einen Arbeitgeber wäre, Frauen zu beschäftigen. Diskriminierung würde dadurch kostspieliger. Ähnlich wie bei Umweltverschmutzung ist es einfacher und wirksamer, die unerwünschte Aktivität zu besteuern (und dadurch kostspielig zu machen), als sie durch Vorschriften oder andere Eingriffe des Staats zu verhindern.
Gruppierungen, die sich für Frauenarbeit einsetzen, unterstreichen dies häufig dadurch, indem sie für öffentlich finanzierte Möglichkeiten der Kinderbetreuung eintreten. Können Frauen, wie durch unseren Vorschlag vorgesehen, mehr Lohn mit nach Hause nehmen, könnten sie mehr Kinderbetreuung zu Marktpreisen einkaufen und hätten auch einen Kostenvorteil, da Einrichtungen zur Kinderbetreuung vor allem Frauen beschäftigen. Zudem betreffen Subventionen der Kinderbetreuung ausschließlich Mütter, aber die Probleme der sexuellen Diskriminierung und der geringe Anteil von Frauen an der Erwerbsbevölkerung sind allgemeiner. Nicht alle Länder werden Fruchtbarkeit direkt subventionieren wollen.
Ausgleich für Diskriminierung
Langfristig könnte eine geschlechtsspezifische Besteuerung dazu beitragen, die traditionelle Arbeitsaufteilung innerhalb der Familie zu verändern. Derzeit verleitet sie Männer eher dazu, mehr auf dem Arbeitsmarkt zu arbeiten, und Frauen dazu, mehr im Haushalt zu arbeiten. Sollte ein derartiger Wandel (den viele Bürgerrechtler als erstrebenswert einschätzen) stattfinden, könnte sich die "Flexibilität" von Männern und Frauen stärker angleichen. Tritt dies ein, müsste man über Sinn und Zweck der unterschiedlichen Besteuerung nachdenken, so wie es die Grundprinzipien der optimalen Besteuerung empfehlen.
Zusammengefasst: Wäre es ungerecht von den Steuerbehörden, Männer und Frauen unterschiedlich zu behandeln? Wir glauben, nein. Es gibt nichts Scheinheiligeres, als in einigen Bereichen (Besteuerung) die Gleichbehandlung für diejenigen zu fordern, die in vielen anderen Bereichen (dem Arbeitsmarkt, teilweise in der familieninternen Aufteilung der Aufgaben wie Kindererziehung oder Pflege älterer Familienmitglieder) nicht gleich behandelt werden.
Schon jetzt haben wir viele Maßnahmen, die nicht geschlechtsneutral sind. Wir könnten viele davon streichen, indem wir einen einfachen Unterschied bei der Steuerlast von Männern und Frauen einführen. Vergessen sollten wir dabei auch nicht, dass ein Großteil der Umschichtung der Steuerlast in der Familie bleiben würde: Die Ehemänner von Frauen, die sich entscheiden zu arbeiten, würden ebenfalls davon profitieren, dass die Gattin mehr Geld nach Hause bringt.
Alberto Alesina ist Professor an der Universität Havard und Andrea Ichino ist Professor an der Universität Bologna. Beide sind Ökonomen.
Der Artikel erschien am 24.4.2007 in der Financial Times Deutschland