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Softwarekonzern Stellenabbau wegen KI? Was hinter den SAP-Plänen steckt

SAP-Vorstandschef Christian Klein bei der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch
SAP-Vorstandschef Christian Klein bei der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch
© Uwe Anspach / Picture Alliance / dpa
SAP-Chef Christian Klein kündigt eine große KI-Offensive an, gleichzeitig will er 8000 Stellen abbauen. Werden hier Mitarbeiter durch Künstliche Intelligenz ersetzt?

Die Freude über den eigenen Coup war Christian Klein anzusehen. „SAP ist stärker und relevanter denn je“, sagte der Chef des größten deutschen Technologiekonzerns am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz in Walldorf. Dann lächelt er ins Publikum. Seine „Wachstumsformel“ für das Cloud-Geschäft, die vor drei Jahren noch den Aktienkurs in die Tiefe gerissen hatte, sei voll aufgegangen. Auch dank der harten Arbeit der 100.000 SAP-Mitarbeiter habe man den „Tanker“ SAP wieder auf Kurs gebracht.

Die Zahlen geben Klein recht: SAP konnte das operative Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr währungsbereinigt um 13 Prozent auf rund 8,7 Mrd. US-Dollar steigern – vor allem dank Einsparungen und dank des boomenden Cloud-Geschäfts. Mit dem Ergebnis übertraf der Softwarekonzern sogar die Erwartungen der Analysten. 

Trotz der Erfolgsmeldung will SAP in den kommenden sechs Monaten rund 8000 Stellen abbauen – gut acht Prozent der Belegschaft. Wie passt das zusammen? Und spielt Künstliche Intelligenz tatsächlich eine Rolle dabei? 

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu SAPs KI-Plan im Überblick:

Was hat SAP konkret angekündigt?

SAP hat am Mittwoch an seinem Stammsitz in Walldorf die Bilanzzahlen für 2023 vorgestellt. Vorstandschef Christian Klein kündigte dabei zwei große Veränderungen an: Zum einen will SAP in diesem Jahr alle Kräfte auf seine bereits angelaufene KI-Offensive lenken. Knapp 1 Mrd. Euro soll demnach in die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz fließen, um die bestehenden Softwareprodukte von SAP smarter zu machen. Des Weiteren wolle man die Anwendung von Künstlicher Intelligenz auch innerhalb des Konzerns forcieren, um mit dem Tempo anderer Tech-Konzerne mithalten zu können, so Klein.

Beide Ziele – neue KI-Produkte und der Wandel zum KI-gestützten Unternehmen – machen einen Umbau des Konzerns nötig, sagte Klein. Im Zuge der Restrukturierung sollen insgesamt 8000 Stellen gestrichen, aber auch neue geschaffen werden. „Die Arbeitsplätze werden sich verändern“, erklärte der SAP-Vorstandschef.

Wen betrifft der Stellenabbau?

Klein wich bei der Pressekonferenz der Frage aus, welche Jobs künftig wegfallen würden. Auch die Arbeitnehmervertreter waren im Vorfeld ofenbar nicht über die konkreten Pläne aufgeklärt worden. „Wir würden auch gerne wissen, welche Länder oder Fachbereiche von den Restrukturierungen betroffen sind“, kritisiert der europäische Betriebsratschef Andreas Hahn gegenüber Capital. „Wir wissen es aber nicht. Der Vorstand hat erst die Börse, dann die Mitarbeiter und zuletzt den Betriebsrat informiert. Das scheint das ‚new normal‘ bei der SAP zu sein.“

Was passiert mit den deutschen Standorten?

Der Vorstand teilte am Mittwoch lediglich mit, dass er Kündigungen in Deutschland nicht ausschließe. Man werde die Stellen über die weltweiten Standorte hinweg „recht ausgewogen“ abbauen, so Finanzchef Dominik Asam. 

Im Heimatland würde sich ein Arbeitsplatzabbau komplizierter gestalten – und daher vor allem mithilfe von freiwilligen Vorruhestandsprogrammen vonstatten gehen. In Deutschland sind die Beschäftigten nämlich von einer mehrstufigen Rahmenbetriebsvereinbarung weitgehend geschützt – auch wenn betriebsbedingte Beendigungskündigungen nicht ausgeschlossen sind.

Werden die Mitarbeiter durch Künstliche Intelligenz ersetzt?

Nein. SAP will in jenen Bereichen, die auf die KI-Offensive einzahlen, Mitarbeiter umschulen sowie neue Stellen schaffen. SAP-Chef Christian Klein nannte den Ansatz „Lift and Shift“, also die Versetzung auf neue Aufgaben. Netto soll die Mitarbeiterzahl daher zum Jahresende nach Unternehmensangaben etwa gleichbleiben.

„KI ist nicht in der Lage, bei der SAP Arbeitsplätze zu ersetzen“, glaubt auch Betriebsrat Hahn. Bei den Lösungen, die SAP seinen Kunden anbiete, sei das etwas anderes – mit der automatischen Erfassung und Zuordnung von Dokumenten zum Beispiel könnten durchaus menschliche Arbeitsplätze ersetzt werden. „Aber bei den komplexen Fachaufgaben unserer Mitarbeiter geht das nicht“, so Hahn.

Vielmehr dürfte die Unternehmensleitung das Thema KI als Vorwand genutzt haben, um strukturelle Probleme des Konzerns anzugehen. „Ich denke, die SAP versucht mit dem Vorruhestands- und Freiwilligenprogramm ihren demografischen Bauch abzuschmelzen“, sagt Hahn. „Aus Sicht des Vorstands gibt es offenbar zu viele ältere und zu gut bezahlte Mitarbeiter.“ Es sei auch nicht der erste derartige Versuch: „Diese Art von Programm sehen wir derzeit etwa alle vier Jahre.“

Was sagen die Mitarbeiter dazu?

„Dass die SAP sich dem demografischen Wandel stellt, begrüßen wir“, erklärt Betriebsrat Hahn. „Es ist aber schade, dass die, die gehen, besser gestellt werden als die, die bleiben.“ Für das gesamte Restrukturierungsprogramm inklusive Abfindungen veranschlagt SAP knapp 2 Mrd. Euro, laut Hahn flössen allerdings nur 100 bis 150 Mio. Euro in die Umschulung der verbleibenden Mitarbeiter. Zudem erwarte er für die Mitarbeiter demnächst nur eine magere Gehaltsrunde.

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