Markus Kreher ist Partner und Head of Finance Advisory bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Kreher hat in den vergangenen Jahren mehrere Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Medien und Technologie bei ihrem Gang an die Börse begleitet (Foto: KPMG)
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel stieß mit seiner Idee einer Börse 2.0 nicht bei allen auf Gegenliebe – zumindest nicht bei der Deutschen Börse. Diese baut in den kommenden Monaten anstelle eines neuen Börsensegments eine vorbörsliche digitale Informationsplattform auf, um Investoren und Start-ups zusammenzubringen. Die Erinnerung an das Scheitern des Neuen Markts scheint noch allzu präsent.
Einen ähnlichen Weg wie die Deutsche Börse wählt unser Nachbarland Frankreich. Enternext, eine Tochter der Börse Euronext, will dort ab 2015 in Zusammenarbeit mit dem französischen Wirtschaftsministerium technologieintensiven jungen Unternehmen die notwendige Aufmerksamkeit bei Risikokapitalgebern verschaffen. Dies soll durch die Vergabe eines Gütesiegels sowie ein Austauschprogramm für Start-ups und Experten erfolgen.
Platz am Börsenmarkt schnell bestimmen
Trotz dieser Initiativen ist die Gründung eines gänzlich neuen Börsensegments in Deutschland noch nicht vom Tisch. Und das ist gut so. Bei einem Spitzentreffen im Wirtschaftsministerium Mitte Dezember wurde das Vorhaben zwischen Vertretern von Banken und Börse sowie Anleger- und Unternehmensseite weiter diskutiert.
Es sollte das Motto gelten: Je eher junge Technologieunternehmen einen Zugang zum Kapitalmarkt erhalten, desto besser. Denn so können sie sich das für ihr Wachstum nötige Geld besorgen – schneller, als es durch eine vorbörsliche Plattform der Fall sein wird. Und nur, wenn die Infrastruktur von Start-ups auch finanziell auf einem sicheren Fundament steht, können diese der Digitalisierung hierzulande zeitnah den erwünschten Schub verleihen.
Zu den USA aufschließen
Schafft Deutschland für Gründer nicht die Möglichkeit, sich zügig über die Börse zu kapitalisieren, droht deren Abwanderung ins Silicon Valley. Bereits in der Vergangenheit haben viele den Börsengang in den USA gewagt. Hierbei nahmen sie sogar massive finanzielle und administrative Belastungen auf sich, nur um den erforderlichen Zugang zu langfristigen Aktieninvestoren und globalem Venture Capital zu erlangen. Folglich sollte es unser Ziel sein, den umgekehrten Weg zu eröffnen: einen Platz am hiesigen Kapitalmarkt für Start-ups zu schaffen und so die Attraktivität Deutschlands für die internationale Finanzinvestoren-Szene zu steigern.
Ausländische Investoren haben bereits Expertise bei derartigen Investitionen und sind mobil genug, um sich auch jenseits der eigenen Landesgrenzen nach vielversprechenden Start-ups umzusehen. Je früher also ein regulativer Vorschlag von Deutschland auf den Weg gebracht und umgesetzt wird, desto eher wird die Abwanderung der Jungunternehmen in die USA verhindert.
Kein Revival des Neuen Markts
Wie der Kapitalmarktzugang für diese Unternehmen letztendlich konkret aussehen mag – er sollte in jedem Fall erreichbar sein. Damit meine ich nicht, dass Start-ups von erleichterten Vorschriften im Hinblick auf Governance-Richtlinien und den Transparenzgrad profitieren sollten. Das ging bereits beim Neuen Markt vor elf Jahren nicht gut, als auch Unternehmen mit fragwürdigen Business-Modellen ungehindert in den Markt drängten. Nach wie vor ist die Börse ein Marktplatz und die reine Börsenzulassung kein Gütesiegel für die Qualität des Unternehmens – das soll auch weiterhin so bleiben.