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Volkswagen Billiger, schicker, größer: Wie der VW-Chef sein Chinaproblem lösen will

VW-Chef Blume stellte am Dienstag die Jahresbilanz des Autokonzerns vor
VW-Chef Blume stellte am Dienstag die Jahresbilanz des Autokonzerns vor
© Michael Kappeler / picture alliance/dpa
Der Autokonzern muss fürchten, dass er bei E-Autos in seinem wichtigsten Markt den Anschluss verliert. Jetzt müht sich VW-Chef Oliver Blume darum, eine Aufholjagd zu starten

Gleich nach dem Ende der coronabedingten Reisebeschränkungen ist Oliver Blume im Februar nach China gereist. Am Dienstag in Berlin hat der VW-Chef seine Jahreszahlen vorgestellt und dabei immer noch ganz beeindruckt von seinem Trip berichtet. In 25 Jahren Chinageschäft „habe ich so eine Beschleunigung dort noch nicht erlebt“, erzählte er. „Das Wachstum bei elektrischen Fahrzeugen ist absolut beeindruckend“. Schon in zwei, spätestens in drei Jahren erwartet Blume dort den „tipping point“: Dann würden in China mehr Batterieautos verkauft als Verbrennerfahrzeuge. Ob das für sein Unternehmen eine gute Entwicklung ist, ließ der Chef offen. Im Augenblick sieht es nicht danach aus.

Zwar hat Volkswagen unter den Traditionsherstellern relativ früh und konsequent die Wende zum Elektroantrieb eingeleitet. Aber die Kundinnen und Kunden in China lassen sich von den Autos des Wolfsburger Konzerns bislang so wenig begeistern, dass es für VW bedrohlich werden könnte. Laut Zahlen, die auf Versicherungsdaten beruhen, lag der Marktanteil der Marke VW im vergangenen Jahr bei batteriegetriebenen Autos bei gerade 2,4 Prozent. Im traditionellen Autogeschäft war die Marke lange Zeit Marktführer und erreichte vor der Coronapandemie Marktanteile von an die 20 Prozent. 3,2 Millionen Autos hat der VW-Konzern vergangenes Jahr in China verkauft, nur 92.600 davon waren Batteriefahrzeuge. Wenn E-Autos bald in China dominieren, wie Blume glaubt und wenn es bei der Zurückhaltung der dortigen Kunden gegenüber den VW-Modellen bleibt, dann könnte das zu einem existenziellen Problem für das Unternehmen werden.

Es sind vor allem die einheimischen Hersteller aus China, die – den Plänen der Partei- und Staatsführung folgend – den Technologieumschwung zum E-Antrieb nutzen, um wettbewerbsfähig gegenüber den westlichen Herstellern zu werden. Chinesische Hersteller wie BYD, Xpeng oder Nio haben die deutschen Anbieter mit ihren E-Autos längst überholt. Aber auch der US-Hersteller Tesla ist stärker. Elon Musks Firma versucht, ihre Position bereits seit dem Herbst und verstärkt seit Jahresbeginn mit aggressiven Preissenkungen gegen die einheimischen Hersteller zu verteidigen.

Suche nach Kosteneinsparungen

Im VW-Konzern hat die Suche nach den Ursachen des E-Desasters längst begonnen. Eine Erklärung ist, dass man noch nicht die richtigen Modelle im Angebot habe. Wenn später in diesem Jahr die Mittelklasse-Limousine ID.7 auf den Markt kommt, dann könnte das die Verhältnisse schon etwas ändern, heißt es. Aber das taugt nicht als Erklärung, warum die bisherigen Fahrzeuge so schlecht ankommen, der Kompaktwagen ID.3 und die SUVs ID.4, ID.5 und ID.6. Im Unternehmen werden immer wieder zwei Gründe genannt: Erstens zu hohe Kosten der Autos in der Produktion und damit auch zu hohe Verkaufspreise im Vergleich zur Konkurrenz. Und zweitens seien die VW-Fahrzeuge in den Augen vieler Chinesinnen und Chinesen zu fad und langweilig: zu unauffällig designt, zu nüchtern ausstaffiert und in der Ausstattung mit digitalen Features und Gimmicks weit hinter den chinesischen Autos zurückliegend. „Wir werden uns um Smart-Car-Angebote kümmern müssen“, sagt Konzernchef Blume mit Bezug auf digitale Funktionen der Autos.

Das Kostenproblem versuchte VW in Griff zu bekommen, indem der Konzern seine Manager zu einer „Kostenklausur“ nach China entsandte. Stundenlang mussten sie nach Einsparmöglichkeiten suchen, solange bis Produktionskostenverbesserungen von 1000, sogar 2000 Euro pro Auto erreicht waren. Die Suche erwies sich laut Beteiligten als zähe Angelegenheit, auch weil VW sich mit seinen eigenen Ansprüchen immer wieder im Weg steht. Ein Hauptweg, Kosten zu sparen, wäre es, stärker auf einheimische Zulieferer zurückzugreifen. Hier aber ist der Konzern restriktiv, weil er etwa bestimmte Sicherheitsfeatures nur bei bekannten Zulieferern wie Bosch ordern will. Das entspricht seinem Selbstbild: Die Deutschen sehen sich als bedachte Leute, die bei der Sicherheit keine Kompromisse machen und Autos besonders solide bauen wollen. In mancher Hinsicht fehlt ihnen aber sicherlich die Flexibilität und Kreativität der Konkurrenz.

Während die VW-Oberen noch mühevoll nach Euro für Euro Produktionskostenersparnis fahnden, ist im Reich der Mitte – auch durch den Schritt Teslas – bereits ein erbitterter Preiskampf bei E-Autos entbrannt, dem sich, wahrscheinlich wegen der ohnehin schon schlechten Marktposition, VW nicht entziehen konnte. Wie zum Beispiel die „South China Morning Post“ berichtet, verkauft VW seine E-Autos neuerdings mit Nachlässen von mitunter 20 Prozent. Zum Beispiel verkaufe VW die Modelle ID.4 Crozz und ID.5 Crozz neuerdings um 40.000 Yuan billiger, umgerechnet gut 5400 Euro.

So viel kann auch die rigoroseste Kostenklausur nicht kurzfristig an Produktionskostenersparnissen finden und ausmachen. Das heißt, VW versucht in China seinen Marktanteil wahrscheinlich auf Kosten der Gewinnmarge zu retten. „Die Preissenkungen von VW sind ein Zeichen, dass der Wettbewerb härter wird“, sagte Eric Han von der Beratungsfirma Suolei aus Schanghai der Zeitung. Auch andere internationale Hersteller wie Ford, Nissan oder Toyota haben laut Berichten aus China ihre Preise für E-Autos gesenkt.

„Das ist jetzt ein starkes Race“, sagte Konzernchef Blume zu den Verhältnissen auf Chinas E-Automarkt. Es ist ein Rennen, das über Erfolg oder Misserfolg des im September angetretenen Konzernchefs mitentscheiden wird.

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