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Interview Silicon Valley - nicht nur für Milliardäre

Investments im Silicon Valley sind auch für Mittelständler interessant, sagt Investor Thomas Rappold.
Silicon Wahnsinn: Tyrannosaurus-Skelett im Garten der Google-Zentrale in Mountain View - Foto: Google
Silicon Wahnsinn: Tyrannosaurus-Skelett im Garten der Google-Zentrale in Mountain View - Foto: Google

Thomas Rappold, 44, hat bei der Allianz Finanzportale entwickelt, später zahlreiche Start-ups gegründet, beraten und finanziert. Sein Buch „Silicon Valley Investing“ (FinanzBuch Verlag) erklärt die Strukturen und Anlagewege im Digital-Mekka. Er bloggt auf silicon-valley.de

Capital: Herr Rappold, als Sie Ihr erstes Geld in Internet-Unternehmen gesteckt haben, da hatte Marc Andreessen gerade mal den Netscape-Browser entwickelt. Was hat sich aus Investorensicht im Silicon Valley seither verändert?

Rappold: Fundamental anders ist, dass die neuen Unternehmen heute nicht mehr so schnell an die Börse kommen. Das IPO von Netscape kam 1995 bereits ein Jahr nach der Gründung. Bei Yahoo waren es zwei, bei Amazon drei Jahre von der Gründung zum Börsengang. Da konnten auch Privatanleger noch früh in ein Unternehmen investieren und hatten damit ein hohes Upside – eine Chance auf schnelle, hohe Wertsteigerungen. Natürlich gab es ein entsprechend hohes Risiko, aber auch Privatanleger konnten schon in kleinen Tranchen mitmachen.

Und heute?

Marc Andreessen, der jetzt einer der angesehensten Venture Capitalists im Silicon Valley ist, hat von einer neuen Schieflage gesprochen, ähnlich wie Thomas Piketty mit Blick auf die Vermögenskonzentration. Das große Upside kommt tendenziell nur noch ganz wenigen Familien, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften zugute.

Wer nicht dazugehört, kommt also gar nicht mehr zum Zug?

Es gibt andere Möglichkeiten. Besonders durch LinkedIn und Facebook sind 2009 und 2010 die sogenannten Secondary Markets aufgekommen. Auf diesen Plattformen werden Anteile vorbörslich gehandelt. Es gab zum Beispiel viele Deals in Facebook-Aktien, weil Mitarbeiter ihre Anteile verkaufen wollten. Sie wollten liquide sein, und es war noch nicht klar, ob und wann ein Börsengang stattfindet.

Der schließlich im Mai 2012 kam.

Wer in den Jahren zuvor eingestiegen ist und die Facebook-Anteile bis heute hält, hat sein Kapital zum Teil verzehnfacht. Solche Investments zwei bis drei Jahre vor dem IPO haben ein attraktives Risiko-Ertrags-Profil, weil die Unternehmen sozusagen schon „durch“ sind: Es droht keine Insolvenz mehr, sie haben schon hohe Millionenumsätze und sind als Marke weltweit präsent.

"Aber auch für Mittelständler ist das sehr interessant"

Rappolds Buch ist im Finanzbuch Verlag erschienen
Rappolds Buch ist im Finanzbuch Verlag erschienen

Was muss jemand mitbringen, der auf diesem Weg einsteigen will?

Die Regularien sind sehr umfangreich. Die Börsenaufsicht SEC verlangt zum Beispiel, dass Sie mindestens zwei Jahreseinkommen von 300.000 Dollar und liquide Assets von mindestens 1 Mio. Dollar vorweisen. Es soll verhindert werden, dass sich Anleger mit Klumpenrisiken überfordern, dass also etwa ein Rentner seine ganze Altersvorsorge in ein oder zwei Unternehmen steckt. Um in einzelne Unternehmen zu investieren, muss man dann Ticketgrößen von mindestens 50.000 Dollar zeichnen können.

Das ist dann doch nur noch etwas für die Profis.

Ja, es sind bislang Investments für wohlhabende Einzelinvestoren. Aber auch für Mittelständler ist das sehr interessant. Denn es ist viel risikoärmer, als etwa in ein Start-up zu investieren, das mir etwa in Berlin angeboten wird. Ein Maschinenbauer, der die technologische Kompetenz hat und sich jetzt mit dem „Internet der Dinge“ beschäftigt, kann sich so an einem Start-up beteiligen und ein digitales Produkt für den Weltmarkt entwickeln.

Warum muss es unbedingt ein Partner aus Amerika sein?

In Deutschland denken viele immer: Das Silicon Valley ist eine amerikanische Geschichte. Tatsächlich ist es ein internationaler Melting Pot für Start-ups. Mit der Stanford University und dem Venture Capital ist es eine Art Cloud-Service für Entwickler und Kreative. Dahin kommen die besten Leute aus aller Welt, allein 20.000 Deutsche arbeiten hier. Wer in der Start-up-Szene etwas bewegen möchte, weiß: Das ist the place to be. Natürlich auch mit der härtesten Konkurrenz. Hier ist sozusagen die Formel 1, bei uns eher Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft. Die Geschwindigkeit ist im Silicon Valley viel höher.

"Es gibt keine generelle Überbewertung"

Immer öfter ist aber auch von Überhitzung und von Crashgefahren die Rede.

Das lässt sich nicht bestreiten. Jeder, der den Dotcom-Crash mitgemacht hat, ist heute sehr vorsichtig. Auch im Silicon Valley. Es gibt allerdings große Unterschiede zur Dotcom-Blase 2000. Damals waren erst 50 Millionen Menschen mit dem Internet verbunden, heute sind es über zwei Milliarden. Wir sind 15 Jahre weiter, haben ganz andere Plattformen und Transaktionsumgebungen. Das Internet ist heute ein proven business.

Trotzdem können die Unternehmenspreise übertrieben sein.

Es gibt keine generelle Überbewertung, man muss sehr genau hinschauen. Auch im Dax haben im Jahr 2000 ja nur vier Aktien den Anstieg getragen: Mannesmann, Telekom, SAP und Siemens. Eine Apple- oder eine Cisco-Aktie werden heute mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 oder 17 gehandelt. Verglichen damit sind viele Dax-Konzerne teurer. Vor dem Dotcom-Crash hatte Cisco ein KGV von 100.

Und was ist mit den hohen vorbörslichen Bewertungen?

Überhitzungen sehe ich in der Tat bei einigen trendigen Unternehmen, die gerade sehr angesagt sind – so wie Klamottenlabel. Zu nennen sind da die großen drei: Uber, Dropbox und Airbnb. Auch die ein oder andere Messaging-App. Auf der anderen Seite sehe ich weiterhin sehr attraktive Chancen, etwa im Cloud-Computing. Es gab noch nie eine bessere Pipeline an tragfähigen, interessanten Unternehmen.

Die dann irgendwann alle an die Börse drängen?

Es gibt heute nicht mehr nur den Exit-Kanal des IPO. Auch die Übernahme durch ein großes, etabliertes Unternehmen wird eine immer wichtigere Möglichkeit. Allein Goo­gle und Apple haben im Moment 250 Mrd. Dollar auf der hohen Kante. Und vor allem Google setzt seine Mittel regelmäßig auch für Akquisitionen ein.

Das Interview ist zuerst in Capital 05/2015 erschienen. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop, wenn Sie die Print-Ausgabe bestellen möchten.

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